Zusammenfassung
Das Gewicht der folgenden Ausführungen liegt auf der Skizzierung von Ansatzpunkten für eine soziologische Sozialisationstheorie. Der Autor ist davon überzeugt, daß deren Ausarbeitung nicht nur die Blickrichtung in der Sozialisationsforschung massiv verändern, sondern auch für die Konzeption des allgemeinen soziologischen Strukturbegriffs außerhalb sozialisationstheoretischer Problemstellungen folgenreich sein könnte. Dieser Versuch, über eine zukunftsorientierte Behandlung forschungsstrategischer Fragen die gegenwärtige Lage der Sozialisationsforschung indirekt zu beleuchten, ist ferner von dem Vorurteil geprägt, daß dieses Forschungsgebiet, obwohl von der Zahl der Veröffentlichungen her eines der wichtigsten in den Sozialwissenschaften der letzten Jahre, für die Theorieentwicklung in der Soziologie ein Randgebiet geblieben ist. Es kommt hinzu, daß der Flut von Übersichten und Ansätzen zu Gesamtdarstellungen sowie der Produktion von Kontroversen nach wie vor in der Bundesrepublik vergleichsweise wenige theoriegeleitete Forschungsprojekte gegenüberstehen. Auf kaum einem Gebiet scheint der „social problem approach“ sich so durchzusetzen wie hier, und naturgemäß ist hier die Verführung zu psychologischen und verhaltenstheoretischen Perspektiven sehr groß gewesen. Eine Übersicht über die vor allem in den vergangenen 15 Jahren geleistete Forschung zu geben, kann nicht meine Absicht sein. Dazu liegen inzwischen mehrere Übersichten vor1, ebenso zu den die Szene beherrschenden Theorieansätzen2. Vielmehr kommt es mir darauf an, einem Perspektivenwechsel in der von Soziologen betriebenen Sozialisationsforschung nachzuspüren.
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Anmerkungen
Vgl. die folgenden Forschungsübersichten: Zweiter Familienbericht, hrsg. v. Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Bonn-Bad Godesberg 1975;
darin: Bericht der Sachverständigenkommission, Familie und Sozialisation — Leistungen und Leistungsgrenzen der Familie hinsichtlich des Erziehungs-und Bildungsprozesses der jungen Generation; Theo Herrmann (Hrsg.), Psychologie der Erziehungsstile, Göttingen 1966;
Heinrich Roth (Hrsg.), Begabung und Lernen, Stuttgart 1968;
Klaus Hurrelmann (Hrsg.), Sozialisation und Lebenslauf, Reinbek 1976;
Gerhard Wurzbacher (Hrsg.), Die Familie als Sozialisationsfaktor, Stuttgart, 2. Auflage 1977;
Fried-helm Neidhardt (Hrsg.), Frühkindliche Sozialisation, Theorien und Analysen, Stuttgart 1975;
Günther Steinkamp und Wolfgang H. Stief,Lebensbedingungen und Sozialisation, Opladen 1978 (darin Teil A);
György Szèll (Hrsg.), Privilegierung und Nichtprivilegierung im Bildungssystem, München 1972;
Heinz Walter (Hrsg.), Sozialisationsforschung, Bd. II und Bd. III, Stuttgart 1975.
Obersichten über die verschiedenen Theorieansätze finden sich auch in den in Anmerkung angegebenen Titeln und zusätzlich in: Dieter Geulen, Das vergesellschaftete Subjekt, Zur Grundlegung der Sozialisationstheorie, Frankfurt/Main, 1977;
Heinz Walter (Hrsg.), Sozialisationsforschung, Bd. I, Stuttgart 1975.
Vgl. als zusammenfassenden und repräsentativen Sammelband: Schizophrenie und Familie (mit Beiträgen von G. Bateson, D. D. Jackson u.a.), Frankfurt/Main 1969.
Paul Watzlawick, Janet Helmick Beavin und Don D. Jackson,Pragmatics of Human Communication, London 1968; deutsch: Menschliche Kommunikation, Bern 1969.
Vgl. hierzu die Diskussion bei Hans Bertram,Probleme der sozialstrukturell orientierten Sozialisationsforschung, in: Zeitschrift für Soziologie, 5, 1976, S. 103–117
Ulrich Oevermann et al., Die sozialstrukturelle Einbettung von Sozialisationsprozessen, in: Zeitschrift für Soziologie, 5, 1976, S. 167–199.
Ich schließe mich hier an das Argument an, das von Jürgen Habermas gegen den Sinnbegriff bei Niklas Luhmann vorgetragen worden ist. Vgl. Jürgen Habermas und Niklas Luhmann,Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie, Frankfurt/Main 1971, S. 158 ff., S. 182.
Vgl. die Literaturangaben in Anmerkung 10.
Von grundlegender Bedeutung sind hier John R. Searle,Speech Acts, Cambridge 1969, deutsch: Sprechakte, Frankfurt/Main 1971 und Dieter Wunderlich,Studien zur Sprechakttheorie, Frankfurt/Main 1977.
Die im folgenden entwickelten Gedankengänge schließen sich an die Ausführungen in Ulrich Oevermann,Programmatische Überlegungen zu einer Theorie der Bildungsprozesse und zur Strategie der Sozialisationsforschung, in: K. Hurrelmann (Hrsg.), a.a.O., S. 34–52
Oevermann,Piagets Bedeutung für die Soziologie, in: Hommage à Jean Piaget zum achtzigsten Geburtstag, Stuttgart 1976, S. 36–41, an.
Vgl. Noam Chomsky, Syntactic Structures, Den Haag 1957.
Ders.,Aspects of a Theory of Syntax, Cambridge, Mass. 1965
deutsch: Aspekte der Syntax-Theorie, Frankfurt/Main 1969;
Sprache und Geist, Frankfurt/Main 1970; Reflexionen über die Sprache, Frankfurt/Main 1977.
Die am Beispiel der Chomskyschen Kompetenztheorie entwickelten, für die soziologische Theoriebildung folgenreichen Bestimmungen lassen sich analog für die Systematisierung der Sprechakttheorie durch John R. Searle nachweisen. Vgl. John R. Searle, Speech Acts, Cambridge 1969, deutsch: Sprechakte, Frankfurt/Main 1971.
Vgl. als Beispiel für das Unterlaufen eines solchen Strukturbegriffs infolge einer von vornherein subjektivistischen Fassung des Bedeutungsbegriffs Jürgen Ritsert,Substratbegriffe in der Theorie des sozialen Handelns, in: Soziale Welt, 19, 1968, S. 119–137
Neuerdings in ähnlicher Weise Johannes Berger,Intersubjektive Sinnkonstitution und Sozialstruktur. Zur Kritik handlungstheoretischer Ansätze in der Soziologie, in: Zeitschrift für Soziologie, 7, 1978, S. 327–3 34.
Dies kommt in den in Anmerkung 14 genannten Aufsätzen besonders deutlich zum Ausdruck.
Aus dem umfangreichen Werk von Piaget seien in diesem Zusammenhang die folgenden Schriften aufgeführt: Jean Piaget,Piaget’s Theory, in: Paul H. Mussen (Hrsg.), Carmichael’s Manual of Child Psychology, New York—London—Sydney—Toronto, 1970, S. 703–732;
Biologie und Erkenntnis, Frankfurt/Main 1974;
Die Äquilibration der kognitiven Strukturen, Stuttgart 1976; Der Strukturalismus, Olten und Freiburg i.Br. 1973;
Psychologie der Intelligenz, Zürich und Stuttgart 1948;
Abriß der genetischen Epistemologie, Olten und Freiburg i.Br. 1974.
Vgl. J. Habermas, Einleitung: Historischer Materialismus und die Entwicklung normativer Strukturen, in: Ders., Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus, Frankfurt/Main 1976, S. 9–48
Rainer Döbert, Jürgen Habermas, Gertrud Nunner-Winkler,Zur Einführung, in: Dies. (Hrsg.), Entwicklung des Ichs, Köln 1977, S. 9–30.
Eine erste Auflistung von solchen Struktureigenschaften finden sich bei Ulrich Oevermann et al., Beobachtungen zur Struktur der sozialisatorischen Interaktion, in: M. Rainer Lepsius (Hrsg.), Zwischenbilanz der Soziologie, Verhandlungen des 17. Deutschen Soziologentages, Stuttgart 1976, S. 274–295.
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Oevermann, U. (1979). Sozialisationstheorie. In: Lüschen, G. (eds) Deutsche Soziologie Seit 1945. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, vol 21. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83690-8_6
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