Zusammenfassung
Die konkrete Zusammensetzung einer Gewerkschaft oder eines Arbeitgeberverbandes ist keineswegs nur durch die wirtschaftliche Struktur einer Branche begründet, sondern auch durch politische und kulturelle Komponenten, deren Ineinandergreifen durchaus zufälligen Charakter besitzen kann. Diese Melange hat stolze Verbandstraditionen hervorgebracht, deren Ende mit dem Ausgang des 20. Jahrunderts für einige Bereiche irreversibel geworden ist. Mit der Fusionspolitik1 beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte der Gewerkschaften, vermutlich auch der industriellen Beziehungen. Die Politik der Fusion ist neben der kontrollierten tarifpolitischen Dezentralisierung2 die zweite zentrale Reaktion der Gewerkschaften, um ihre Handlungsfähigkeit angesichts veränderter wirtschaftlicher und sozialer Bedingungen weiterzuentwickeln. Die sichtbarsten Folgen der Fusionspolitik bestehen im Wegfall traditionsreicher Organisationen und in der Etablierung einiger weniger großer Gewerkschaften. Auch wenn dieser Prozess im einzelnen kontrovers diskutiert wird, besteht Konsens darüber, dass die tradierte gewerkschaftliche Domänenaufteilung an ihre Grenze gelangt ist und die seit einigen Jahren stattfindende Fusionspolitik als offener Prozess zu betrachten ist, der vielfältige innergewerkschaftliche Konsequenzen nach sich zieht. Darüberhinaus sind aber auch Auswirkungen auf die Verhandlungsbeziehungen zu den Arbeitgeberverbänden zu erwarten.
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Literatur
Vgl. Klaus Lang/Peter Schaaf, Gewerkschaftslandschaft im Umbruch, in: Gewerkschaftliche Monatshefte (GMH) 5/97, S. 305–317.
Wolfgang Schroeder/Rainer Weinert, Elemente einer tarif politischen Regulierungsstrategie der Gewerkschaften, in: GMH 5/98, S. 319–328.
Vgl. Hartmut Kaelble, Industrielle Interessen politik in der wilhelminischen Gesellschaft. Centralver-band deutscher Industrieller 1895–1914 (Veröffentlichung der Historischen Kommission zu Berlin, Band 27), Berlin 1967.
Vgl. Roswitha Leckebusch, Entstehung und Wandlungen der Zielsetzungen, der Struktur und der Wirkungen von Arbeitgeberverbänden, Berlin 1966;
Achim Knips, Deutsche Arbeitgeberverbände der Eisen- und Metallindustrie, 1888–1914, Stuttgart 1996.
Vgl. Gerard Braunthal, The federation of german Industry in politics, Cornell University 1965;
Siegfried Mann, Macht der Verbände. Das Beispiel des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. (BDI) aus empirisch-analytischer Sicht, Baden-Baden 1994.
Gerhard Erdmann, Die deutschen Arbeitgeberverbände im sozialgeschichtlichen Wandel der Zeit, Neuwied/Berlin 1966.
Leckebusch, Entstehung, S. 43.
Vgl. Claus Noe, Gebändigter Klassenkampf. Tarifautonomie in der Bundesrepublik Deutschland. Der Konflikt zwischen Gesamtmetall und IG Metall vom Frühjahr 1963, Berlin 1970, S. 133.
Beispielsweise verzeichnete der Verband „Württembergisch-Badischer Metallindustrieller” (VMI) ein Jahr nach seiner Gründung (18.12.1947) eine Mitgliederzahl von 834. Zwischen 1948 und 1959 konnte der Verband diese Mitgliederzahl nur noch um 7 erhöhen (Verband der Metallindustrie Baden-Württemberg E.V.(Hrsg.), 40 Jahre VMI, Stuttgart 1987, S. 14).
Vgl. Wolfgang Schroeder/Burkard Ruppert, Austritte aus den Arbeitgeberverbänden: Eine Gefahr für das deutsche Modell?, Marburg 1996, S. 61.
Vgl. zur Entstehungsgeschichte der Arbeitgeberverbände in der Metallindustrie: Knips, Arbeitgeberverbände.
Vgl. Klaus Schönhoven, Expansion und Konzentration. Studien zur Entwicklung der freien Gewerkschaften im wilhelminischen Deutschland 1890–1914, Stuttgart 1980.
Vgl. hierzu auch die Festschrift zum 100. Geburtstag von Gesamtmetall: Luitwin Mallmann, 100 Jahre Gesamtmetall-Perspektiven aus Tradition, Köln 1990.
Vgl. Wolfgang Ulrich Prigge, Metallindustrielle Arbeitgeberverbände in Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1987, S. 222.
1949 bis 1959: Hans Bielstein, 1959 bis 1961: Ludwig Caemmerer, 1961 bis 1976: Herbert van Hüllen, 1977 bis 1985: Wolfram Thiele, 1985 bis 1991: Werner Stumpfe, 1991 bis 1996: Joachim Gottscholl, seit 1996: Werner Stumpfe.
Hans Mundorf, Solange es die IG Metall gibt, brauchen die Arbeitgeber ein starkes Gegengewicht, in: Handelsblatt, 4.1.1988.
Vgl. Hajo Weber, Konflikt in Interorganisationssystemen. Zur Konfliktlogik organisierter Arbeitsmarktparteien im Tarifkonflikt vor’84, in: Soziale Welt, H. 2/3–1986, S. 263–279.
Vgl. Ulrich Mückenberger, Produktionsverflechtung und Risikoverantwortung. Verfassungsfragen zur Neufassung von § 116AFG, Baden-Baden 1992.
Vgl. Dieter Berwinkel, Das Friedensabkommen in der Schweizer Maschinen- und Metallindustrie und die Möglichkeit seiner Übertragung auf die Bundesrepublik Deutschland, Freiburg 1962.
Vgl. Jahrbuch der Textilindustrie 1998, S. 7.
Immer wieder beschwerte sich die Textilindustrie darüber, dass ihren „Problemen nicht der gleiche Stellenwert eingeräumt wird wie der Stahlindustrie” (Jahrbuch der Textilindustrie 1998, S. 33).
Vgl. Jahrbuch der Textilindustrie 1998, S. 54. Diese Tabelle integriert erst ab 1995 die ostdeutschen Betriebe. Hinzu kommt, dass im gleichen Jahr eine neue Wirtschaftszweigsystematik einsetzt.
Vgl. Leckebusch, Entstehung, S.49.
Verschiedentlich gab es Debatten über die Direktmitgliedschaft von Firmen bei Gesamttextil. Dabei orientierte man sich an dem Verband des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus (VDMA), wo auch die Firmen Mitglieder sind (Jahresbericht 1998, S. 16).
Der Beginn einer verstärkten tarifpolitischen Zusammenarbeit beider Spitzenverbände wird durch Gesamttextil bereits seit 1973 gesehen; damals wurde verabredet, dass die Vorsitzenden und Hauptgeschäftsführer der sozialpolitischen Säule an den Beratungen der jeweils anderen Seite teilnehmen (Jahrbuch der Textilindustrie 1998, S. 58).
Die Spitzengremien der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie fassten am 11.12. 1997 in getrennten Sitzungen einstimmige Beschlüsse zugunsten einer Fusion (Vgl. Jahrbuch der Textil industrie 1998, S. 17).
Unter Federführung von Präsident Kruse bildete sich 1994 diese Arbeitsgruppe, die schließlich ein Gutachten erarbeitete, das Vorschläge für die zukünftige Verbandsarbeit entwickelte (Jahrbuch der Textilindustrie 1998, S. 36).
Vgl. Hauptverband der deutschen Holz- und Kunststoffverarbeitenden Industrie (Hrsg.), Wichtige Branchendaten der Holz-, Möbel- und Kunststoff industrie 1996/1997, Bad Honnef o.J., S. 10;
Hauptverband der deutschen Holz- und Kunststoffverarbeitenden Industrie (Hrsg.) Geschäftsbericht 1998/ 1999, Bad Honnef, S. 94.
Vgl. Detlef Heiden, Das Möbelbecken — Die Holzindustrie in Ostwestfalen-Lippe, in: Helga Grebing/Hans-Otto Hemmer/Gottfried Christmann (Hrsg.), Das HolzArbeiterBuch. Die Geschichte der Holzarbeiter und ihrer Gewerkschaften, Köln 1993, S. 165 ff.
Hans-Otto Hemmer, Erfolge und Gefährdungen der Gewerkschaft Holz und Kunststoff von 1966 bis heute, in: Grebing/Hemmer/Christmann (Hrsg.), S. 256.
Vgl. Schönhoven, Expansion, S. 320ff.
Vgl. HDH (Hrsg.), Geschäftsbericht 1998/99, Bad Honnef o.J., S.22f.
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Schroeder, W. (1999). Arbeitgeberverbände sind nicht gleich. In: Hemmer, H.O. (eds) Bilanz mit Aussichten. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-83344-0_9
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