Zusammenfassung
Nach1 dieser Einleitung gehen wir an die Arbeit. Wir suchen Klarheit über Natur und Geist und haben doch Wissenschaften von Natur und Geist. Es ist uns selbstverständlich, dass alle Frage, was ein Gegenstand ist, nicht aus naiver Erfahrung und Kunde, sondern nur durch die theoretische Leistung der Wissenschaft beantwortet werden kann. Es ist uns selbstverständlich, dass jenes niederste Denken und Aussagen, das sich unmittelbar an der Erfahrung orientiert und an den im naiven Dahinleben erwachsenen App<erzeptionen>, zwar zu Aussagen führt, die für die Zwecke des praktischen Lebens nicht wertlos sind, dass diese aber unklar, fließend, voll vager Unbestimmtheit sind. Erst durch die logische Arbeit der Wissenschaft werden sie übergeführt in eine feste, von jedem vernünftig Urteilenden anzuerkennende Wahrheit, gebaut aus festen, streng identifizierbaren Begriffen. Selbstverständlich ist uns also, dass nur Wissenschaft aussagen kann, was eine Gegenständlichkeit in Wahrheit ist; mit anderen Worten: Wahrhaftes Sein ist durchaus das Korrelat der Wissenschaft. Andererseits machen wir uns klar, dass alle Arbeit der Wissenschaft ein Substrat letztlich voraussetzt, das vor der Wissenschaft liegt. Eine Gegenständlichkeit muss uns erst in der Anschauung und ursprünglich in Wahrnehmungen als daseiende Wirklichkeit gegebensein, damit das Denken ins Spiel gesetzt, damit die Frage, „was dieses Daseiende ist“, gestellt, damit im Stufengang logischer Bearbeitung der vagen Erfahrungsbegriffe und -sätze die Wahrheit bzw. das wahrhafte Sein ausgearbeitet werden kann. Dabei ist auch zu bedenken, dass die Gegebenheiten der unmittelbaren WahrnehTllung, mung, also etwa die durch Sehen, Hören usw. uns in sinnlicher Leibhaftigkeit gegebenen Wahrnehmungsdinge, im natürlichen Dahinleben mannigfach geistige Tätigkeiten ins Spiel setzen und demgemäß vielfältige Auffassungen erfahren, die von Subjekt zu Subjekt wechseln, sich aber auch durch Tradition in Subjektgruppen verbreiten und erhalten und dann eventuell mit den Dingen der anschaulichen Umwelt relativ fest verhaftet sind, also zu dem vagen Erfahrungsbestand gehören, auf den die wissenschaftliche Arbeit zurückbezogen ist. Alle noematischen App<erzeptionen> des Naturmenschen gehören hierher, aber auch alle die praktischen und traditionellen App<erzeptionen>, vermöge deren der Mensch außerhalb wissenschaftlicher Gedankenkreise seine Umgebungswelt aus seiner Lebenserfahrung heraus oder nach übernommenen Erfahrungen anderer mit unzähligen empirisch vagen Prädikaten überkleidet.
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Husserl, E. (2002). Allgemeine Einleitung in die Phänomenologie. In: Weiler, M. (eds) Natur und Geist: Vorlesungen Sommersemester 1919. Husserliana: Edmund Husserl Materialienbände, vol 4. Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-010-0429-9_2
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