Wo drückt der Schuh? Perspektivübernahme, Fremdverstehen und Empathie aus konstruktivistischer Sicht

Zusammenfassung

Während es im Zusammenhang mit Neugier und Neugiermotivation um die Frage und den Fragenden ging, beziehen sich Perspektivübernahme, Fremdverstehen und Empathie auf den dritten Schritt der Hermeneutik: die Kommunikationssituation des Textes. Die Argumentationsstruktur einer Quelle kann nur derjenige wahrnehmen und dabei zu einem triftigen Ergebnis kommen, der in der Lage ist, sich ein Bild von der Intention des Autors gegenüber dem oder den Adressaten zu machen. Die Intention lässt sich aber erst nachzeichnen, wenn tragfähige Hypothesen über die Denkmuster und die Alltagswelt des Autors entwickelt worden sind. Selbst wenn der Text an sich gewisse Rückschlüsse auf die Motive seines Verfassers erlauben sollte, kommt die Hermeneutik nicht ohne Perspektivübernahme, Fremdverstehen oder Empathie aus, wenn sie sich eine Vorstellung davon machen will, wie ein Nachricht konstruiert worden ist. Wie problematisch aber aus konstruktivistischer Sicht der Anspruch ist, einen Text und seinen Autor verstehen zu wollen, ist im ersten Kapitel bereits dargestellt worden. Die These, dass Verstehen streng genommen unmöglich ist, zieht nach sich, diesen Begriff zu vermeiden und stattdessen von „Wahrnehmung“ oder „Vorstellung“ zu sprechen.