Zusammenfassung
Wenn die Kontingenz in unserem Leben spürbar größer geworden ist, sagen wir, die Welt habe sich eben verändert. Hier wirkt die alte Neigung nach, alles, was mir widerfahrt auf ein anderes Subjekt (und sei es die Welt) zurückzuführen, mit dem ich mich vielleicht verständigen kann. Die ausgerechnet mich treffende Kontingenz (tyche) erscheint in dieser Sicht als Sonderopfer, das Zurechnung und Ausgleich verlangt. Diese Sicht blendet den Anteil, den wir selbst am Wachstum der Kontingenz haben, vollkommen aus und hat darin einen fast tragischen Zug. Tatsächlich wächst die Kontingenz mit, wenn wir immer größere Mengen an Zeit, Raum, Energie und Verständigung in unser Leben bringen. Lebenserwartung, Bevölkerungsdichte, Verkehr und Schriftmenge steigen an und vergrößern damit die Angriffsfläche all dessen, was für mein Leben relevant sein kann. Ich habe dann nicht bloß mehr zu verlieren. Auch der Horizont, den ich nach meinen Chancen und meinen Risiken absuchen muß, hat sich geweitet. Mag sein, daß der Mensch jede Möglichkeit, sein Leben quantitativ zu steigern in aller Regel auch nutzen wird. Aber vielleicht denken wir das auch nur, weil wir die Geistesgeschichte eines 19. Jahrhunderts hinter uns haben. Sicherer scheint zu sein, daß alte Gesellschaftsordnungen die rein quantitative Steigerung des Lebens noch wirksam begrenzen konnten und daß solche Grenzen in den meisten bekannten Gesellschaften durch greifbare historische Abläufe weggefallen sind.
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Fischer, R.A. (2010). Das Wachstum der Kontingenz und seine Bewältigung. In: Vom offenen Geschehen und seiner Bewältigung. Reihe Philosophie, vol 33. Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim. https://doi.org/10.1007/978-3-86226-496-4_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-86226-496-4_3
Publisher Name: Centaurus Verlag & Media, Herbolzheim
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Online ISBN: 978-3-86226-496-4
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