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Machtveränderungen: Die Dialektik systemischer Kontrolle

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Computer und Macht in Organisationen

Part of the book series: Sozialverträgliche Technikgestaltung ((STH))

Zusammenfassung

Diese Geschichte hat Karl Weick erzählt, um den unangebrachten Glauben an Kontrolle1 zu erschüttern. Natürlich will er nicht bestreiten, daß es ein gewaltiges Problem ist, 180 Musiker zu koordinieren. Über den Erfolg oder Mißerfolg von Kontrolle entscheidet aber für ihn „das Muster von Allianzen, Kausalschleifen und Normen, das zwischen den Leuten existiert“ (ebd., 18). Den Glauben des Dirigenten Serebrier an die Macht eines Stabes findet Weick auf pathetische Weise heroisch.

„Der uruguayische Dirigent Jose Serebrier durchbohrte neulich seine eigene Hand mit seinem Stab, als er beim Dirigieren eines 180 Mann starken Blasorchesters mit Chor im Rahmen eines Oster-Musikfestes in Mexiko-City vor Begeisterung außer sich geriet. ‚Der Stab brach in Stücke‘, sagte Serebrier. ‚Ein Stück bohrte sich durch meine Hand. Ich denke, ich war noch mehr überrascht als alle anderen. Ironischerweise benutze ich sonst nie einen Stab. Aber ich hatte beschlossen, für diese Aufführung einen zu benutzen, weil ich dachte, es würde helfen, eine größere musikalische Kontrolle zu erzielen. Das war ein Fehler, weil ich vor Begeisterung außer mir geriet. Plötzlich hatte ich mich verletzt. Aber ich hörte nicht auf zu dirigieren. Ich brachte es fertig, das Stück Stab aus meiner Hand herauszuziehen, ohne die Musik zu unterbrechen.‘ Die Band spielte weiter, und der Chor sang weitere 20 Minuten bis zum Finale. Anschließend wurde Sere-brier zur Behandlung in ein örtliches Krankenhaus gebracht“.

(Weick 1985, 10)

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Literatur

  1. Allerdings mag der Dirigentenstab doch eine magische Wirkung entfalten, und das gleiche können wir auch vom Computer sagen. Als Symbole der Kontrolle fungieren beide, und das kann auch in Unternehmensorganisationen eine disziplinierende Wirkung auf „das Orchester“ haben; vgl. das Beispiel bei Ortmann (1984, 123).

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  2. Fiir eine Kritik an den rationalistischen Präokkupationen des Konzepts systemischer Rationalisierung, von denen zum Beispiel manche Passagen des Buches von Baethge und Oberbeck (1986, 21 ff.) geprägt sind, siehe Ortmann (1990).

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  3. Welchen Umfang dieses Vorderwasser annehmen kann, zeigt eine Anekdote aus der Werftindustrie: „Nach einem Stapellauf schaute der Leiter der Arbeitsvorbereitung überrascht auf das schwimmende Schiff und meinte erstaunt: ‘Ein Wunder, ein Wunder - nach den abgerechneten Akkordscheinen hat das Schiff noch gar keinen Boden’.“ (Schumann u.a. 1982, 169)

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  4. Für die These einer neuen, indirekten Kontrollform, die mit computergestützter Datenerfassung vor allem auf dem Gebiet der Zeitwirtschaft und der Bestimmung von Vorgabezeiten arbeitet, vgl. jetzt Manske (1989).

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  5. Dohse berichtet von dem wachsenden analytischen Potential der zentralen Konzernstäbe bei Ford. So bestehen Vergleichsmöglichkeiten für die Zeiten aller Tätigkeitselemente an allen weltweit vorhandenen Werken. Die hieraus gewonnenen Ergebnisse werden sodann in Vorgaben umgesetzt.

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  6. Eine solche Übertragung ist in der Organisationstheorie besonders von Glassman (1973), March/Olsen (1976), Weick (1976, 1985, 163 ff.) und von Perrow ( 1988, 131 ff.) vorgenommen worden. Um die Verwendung der Kopplungsmetapher zu illustrieren: Als lose gekoppelt wurden unter anderem folgende „Elemente“ einer Organisation analysiert: Intention und Handlung (March/Olsen 1976), die Ereignisse von gestern und morgen, verschiedene hierarchische Positionen (top and bottom, Linie und Stab), Mittel und Ziele (Weick 1976, 4). Wichtig ist zu sehen, daß die Metapher eng verwandt ist mit Konzepten wie bounded rationality, garbage can, bricolage und insofern auch für das (Organisation-)Weltbild des Forschers stehen kann. Warum eine Organisation tut, was sie tut, was sie zusammenhält und welche Konsequenzen das für ihre Mitglieder hat, das kann man sich in Kategorien von Planung, Zielsetzung, intentionaler Mittelwahl, rationalen Prozeduren wie Kosten-Nutzen-Analysen, Arbeitsteilung, Hierarchie, Stellenbeschreibungen und konsistenten Kontroll-und Gratifikationssystemen vorstellen: Alles ist einigermaßen konsistent, interdependent und fest gekoppelt. „The only problem with that portrait is that it is rare in nature.” (Weick 1976, 1) Karl Weick, immer für einen Witz zu haben, bietet ein anderes Portrait an: „Imagine that you’re either the referee, coach, player or spectator at an unconventional soccer match: the field for the game is round; there are several goals scattered hapharzardly around the circular field; people can enter and leave the game whenever they want to; they can throw balls in whenever they want; they can say ‘that’s my goal’ whenever they want to, as many times as they want to, and for as many goals as they want to; the entire game takes place on a sloped field; and the game is played as if it makes sense“ (Weick 1976, 1 ). Unser Konzept des Entscheidungskorridors sieht allerdings ein wenig anders aus als diese abschüssige Wiese, und besonders fehlen uns Macht und Herrschaft in Weicks hübschem Bild. Trotzdem: Welcher Industriesoziologe oder Organisationsforscher kann es ohne Déjà vu betrachten?

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  7. Dieses Argument geht auf die Wahrnehmungstheorie Heiders (1959) zurück, die das Verhältnis von Dingen und (Wahrnehmungs-)Medium thematisiert. Beispiel: Sand ist ein besseres Medium zur Wahrnehmung/Darstellung von Windströmungen als Felsen, weil er mehr und unabhängigere Elemente (Sandkörner) enthält.

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  8. Daran zeigt sich, daß „Kopplung“ im sozialwissenschaftlichen Sinn kein objektiver, von den Wahrnehmungen und Interpretationen der Akteure unabhängiger Sachverhalt ist.

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  9. Zur Erinnerung: Design, Equipment, Procedures, Operators, Supplies/Materials, Environment.

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  10. Im Falle des Lagerverwaltungsrechners wird in unserem Fall z.B. manuelles Nachsteuern ausgeschlossen, um ein Eingreifen von Personen in die Lagerbestände zu verhindern. Dadurch erhöht sich die Abhängigkeit von der Funktionsfähigkeit des Lagerverwaltungsrechners: feste Kopplung.

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  11. Vgl. z.B. Weese/Lessing (1988); Gerstenberg/Nobis/Gensheimer (1987); Haas (1987); Scheuten (1987); Stolski (1987); Pfeiffer (1987); Brunner (1987); Flaig (1987).

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  12. Da ist die Rede von Sicherheitspfaden, Zugriffsüberwachungssystemen, Informationsabflußsicherheit, Risiko-Klassifizierung, Prüfungsleitfäden, Dokumentationskontrolle, Archivüberwachung, Vier-Augen-Prinzip der Überwachung der Überwachung, unregelmäßigen Kontrollen, unterirdischen fensterlosen Räumen, Heizung-, Klima-, Kälteund Elektrotechnik, Widerstandszeitwert (= Zeit von der ersten Meldung eines Einbruchs bis zum Durchbruch in den Sicherheitsbereich), konventionellen Hindernissen (Doppelzaunanlage), Sensorsystemen, Vorfeldsicherung (Perimeterschutz), Infrarotstrecken, Mikrowellenstrecken, Videoalarmeinrichtungen, Außenhautsicherung (insbes. Einbruch-und Überfallmeldeanlagen), Körperschallmeldern, Feldänderungsmeldern, Bewegungsmeldern, Zugangskontrollsystemen, unterbrechungslosen (Not-) Stromversorgungseinrichtungen mit Frequenzumformereinrichtungen, Feuerlöschanlagen, Rauchmeldern, Glasbruchdetektoren, Magnet-und Riegelkontakten, Dopplung der Datenbestände, Ausweichlösungen („kalte” Rechenzentren mit deckungsgleicher Hardwarekonfiguration, „warme” Rechenzentren mit deckungsgleicher Hard-und Softwarekonfiguration und Parallelbetrieb, Notrechenzentren), Aufbewahrung gedoppelter Daten in Kurzzeitarchiven und (geheimen) Langzeitarchiven, Wachdiensten, Abhörsicherung, Elementbauweise, Portraitvergleichssystemen, Ausweisträgeridentifizierung, Schleusenrechnern, Raum-in-Raum-Systemen, Haus-in-Haus-Systemen (gegen: Feuer, Wärme, korrosive Brandgase, Dampfdruck, magnetische Einflüsse, Explosion und Bersten), Pulsmeldetechnik u.a.m.

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  13. Allein das Zutrittskontrollsystem, von dem Stolski (1987) berichtet, umfaßt das System „PASS 68000“ mit Hostrechner, Massenspeicher und Dialoggeräten, einen EchtzeitFrontendprozessor mit Leseperipherie und ein Bildvergleichssystem mit vorgeschaltetem Schleusenrechner als Verbindung zum System und Massenspeicher zur digitalen Archivierung der Personenportraits.

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  14. Wir haben allerdings auch nicht den Eindruck, daß die Experten sich ihrer Sache besonders sicher wären. Zum Beispiel können selbst Rechenzentrums-Betreiber nicht einmal die maximale Zeitspanne für einen Betriebsausfall angeben (Gerstenberg/Nobis/ Gensheimer 1987, 62). Eine verbreitete Klage von EDV-Leitern bemängelt die mangelnde Sensibilität von Unternehmensleitungen für Sicherheitsfragen, und in den meisten Unternehmen gibt es nur unabgestimmte Einzelmaßnahmen (Weese/Lessing 1988, 11, 14 ).

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© 1990 Springer Fachmedien Wiesbaden

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Ortmann, G., Windeler, A., Becker, A., Schulz, HJ. (1990). Machtveränderungen: Die Dialektik systemischer Kontrolle. In: Computer und Macht in Organisationen. Sozialverträgliche Technikgestaltung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11998-2_6

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11998-2_6

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-12183-3

  • Online ISBN: 978-3-663-11998-2

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