Zusammenfassung
Verschiedentlich ist nun schon angeklungen, daß das europäische Demokratiedefizit realiter vielleicht gar keines ist, sondern sich erst bei falscher Betrachtungsweise ergibt: einer Betrachtungsweise nämlich, die dem sui generis-Charakter der EU und den Spezifika supranationalen Regierens nicht hinreichend Rechnung trägt. Statt eines Demokratiedefizits hätten wir demnach mit einem ganz spezifischen Theorie- oder gar mit einem Wahrnehmungsdefizit zu tun. Simon Hix (1998a) spricht in diesem Zusammenhang von einer ‚new governance agenda‘, die die Frage der Demokratisierung und Demokratisierbarkeit der EU zunehmend von der Tagesordnung verdränge. Indessen läßt sich nur bedingt ein Gegensatz zwischen ‚new governance‘ und demokratischer Legitimierung konstruieren, denn die meisten einschlägigen Autoren gehen ja doch mehr oder weniger explizit davon aus, daß die ‚new governance‘ den Keim einer neuen, ‚anderen‘, EU-spezifischen Demokratie bereits in sich trage. Die relevanten Stichworte hierbei sind: nicht-majoritär, konsensual, problemlösungsorientiert (via ‚arguing statt bargaining‘), kollektive Entscheidungsfindung auf der Basis auch funktionaler Repräsentation. Skizzenhaft wird hier in der Tat ein anderes als das konventionelle Demokratiemodell erkennbar. Besser gesagt: aus dem Nebel treten die Umrisse eines neuen Modells des Regierens, von dem wir noch nicht wissen, ob und wieviel es mit den Grundgedanken (nicht:-Institutionen!) des Demokratieprinzips gemein hat, und ob es zu leisten vermag, was Demokratie leisten soll. Dies ist die zentrale Frage, über die wir alle ins Schwimmen geraten und die im allgemeinen unbeantwortet bleibt.
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Abromeit, H. (2002). Ein Theoriedefizit? Demokratietheoretischer Rück- und Überblick. In: Wozu braucht man Demokratie?. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-11894-7_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-11894-7_3
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Print ISBN: 978-3-8100-3350-5
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