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Bezugsprobleme einer Soziologie des Todes im Vergleich

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Letzte Ratschläge

Part of the book series: Forschung Gesellschaft ((FORSCHGES))

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Zusammenfassung

Der Tod ist nicht erst seit kurzem Thema der Soziologie, sondern seit ihrem Beginn als wissenschaftliche Disziplin ein Bezugspunkt soziologischer Analysen und Kommentare (vgl. Feldmann/ Fuchs-Heinritz 1995). Vergleicht man typische Entwürfe der soziologischen Thanatologie, zeigen sich interessante Unterschiede. Diese Unterschiede verweisen einerseits auf die konkrete gesellschaftliche Umwelt, in der die Soziologie als Wissenschaft ihren Platz hat. Es zeichnen sich demnach in den Beiträgen zu einer Soziologie des Todes Spuren der äußeren gesellschaftlichen Entwicklung ab. Auf der anderen Seite wird die Eigendynamik der wissenschaftlichen Entwicklung daran sichtbar, dass die Bezugsprobleme nicht allein auf Phänomene der gesellschaftlichen Umwelt zurückgeführt werden können. Sehr verschieden ist demnach das wissenschaftliche Interesse für die gesellschaftliche Wirklichkeit des Todes. Je nach Bezugsproblem unterscheiden sich Funktion und Bedeutung, die dem Tod jeweils zugesprochen werden. Entsprechend unterschiedlich fallen auch die Diagnosen aus, die die Soziologie als Beobachterin ihrer gesellschaftlichen Umwelt erstellt. Vor diesem Hintergrund lässt sich dann auch die aktuelle These einer Wiederbelebung des Todes (Walter 1994) verstehen und zugleich als Fragestellung für die daran anschließende Untersuchung verwenden. Zunächst jedoch werde ich vier typische Entwürfe der soziologischen Thanatologie vorstellen, die sich durch das jeweils typische Bezugsproblem voneinander abgrenzen lassen. Ich beanspruche damit nicht, die Entwicklung, sondern vielmehr eine Entwicklung der soziologischen Thanatologie darzustellen. Als Vergleichspunkt dient der Tod als allgemeines sowie als konkretes theoretisches Bezugsproblem. Letzteres dient dazu, auf die gesellschaftliche Umwelt in ihrer konkreten historischen Gestalt einzugehen. Die analytische Figur von Problem und Problemlösung taucht somit mehrfach auf.

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Literatur

  1. Das sieht man daran, dass nur vor dem philosphischen Hintergrund der Schelerschen Thanatologie das konkrete Bezugsproblem „Tod in der Moderne“ verständlich wird, wonach von einem Monopol der Naturwissenschaft und einem Kulturtyp des modernen Menschen die Rede ist. Wiederum im Anschluß daran ist die Verdrängungsthese zu lesen als Verdrängung der Humanität überhaupt. Die verschiedenen Ebenen sind somit ineinander verschachtelt.

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  2. Ein Etikett für die Schelersche Philosophie zu finden ist schwierig. Die Einflüsse, die er verarbeitet hat, sind ebenso vielseitig wie das, was er dazu und darüberhinaus ausgearbeitet hat. Auch hier umfassen die zitierten Werke einen langen Zeitraum. Der Versuch, sein Schaffen in Phasen einzuteilen, erweist sich denn auch als schwierig (vgl. Henckmann 1998: 13). Was seine Thanatologie betrifft, tritt Scheler hier als Vertreter der Lebensphilosophie, als Mitbegründer der philosophischen Anthropologie und nicht zuletzt auch als Schüler des Phänomenologen Edmund Husserl auf.

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  3. Ich beziehe mich hier zum einen auf den Aufsatz „Tod und Fortleben“ (1979), einen frühen Aufsatz Schelers, vermutlich aus den Jahren 1911/12 und 1913/14. Zum anderen handelt es sich um den Aufsatz „Die Stellung des Menschen im Kosmos”, der zuerst 1929 veröffentlicht wurde, also nach dem Tod Schelers. Hier korrespondiert Scheler weitgehend mit der Lebensphilosophie Georg Simmels, die dieser ebenfalls im Zusamenhang einiger, wenngleich kurzer, thanatologischer Thesen darlegt (vgl. 1917a; 1957a). Ich werde darauf zurückkommen.

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  4. Die Parallelität zu Simmel wird an folgenden Zitaten deutlich: „Der organische Körper aber gibt sich seine Gestalt von innen her; er hört auf zu wachsen, wenn die mit ihm geborenen Formkräfte an ihre Grenze gekommen sind; und dauernd bestimmen diese die besondere Art seines Umfanges“ (Simmel 1957a: 29). Dies sei immanentes Merkmal jeglichen Lebens, gerade auch des menschlichen Lebens. Der Tod bildet die andere Seite des Lebens, die gleichsam notwendige Antithese, ohne die das Leben nicht denkbar ist. Leben ist somit nur als endliches Leben vorstellbar und von dieser Endlichkeit geprägt: „ [E]s ist eine Immer-Wirklichkeit jeder Gegenwart, ist Färbung und Formung des Lebens, ohne die das Leben, das wir haben, unausdenkbar verwandelt wäre. Der Tod ist eine Beschaffenheit des organischen Dasein” (1917: 90).

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  5. Ebenfalls zu Schelers Spätwerk zählt seine wissenssoziologische Studie „Die Wissensformen und die Gesellschaft“, aus dem Jahr 1926.

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  6. Sie beinhaltet ein Sammelsurium von selbstverständlichen Hintergrundannahmen, Ordnungsschemata und Glaubensvorstellungen. Die Weltanschauung erklärt sich also daraus, dass der Mensch keine eigentliche Natur und deshalb auch keine naturgegebene Einstellung hat. An diesem Konzept kann man sehr schön erkennen, dass das wissenssoziologische Problem bei Scheler eben nicht erst (wie oft behauptet) mit dem Reflexionswissen beginnt, sondern bei dem, was immer schon „als fraglos gegeben gilt“ (ebd.: 61). Scheler verwendet dafür auch den Ausdruck „Gruppenseele” (1960: 63), um auf den quasi instinktiven, unbewußten Charakter dieser Wissensform aufmerksam zu machen.

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  7. So sagt Scheler vom modernen Menschen: „Was und wie dieser Typus im Durchschnitt schaut und denkt von den Dingen, das wird eine Folge von dein, was und wie er an ihnen herumhantiert.“ (1979: 30)

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  8. Scheler faßt also zusammen: „Wie wir also einerseits alle naturalistischen, soziologischen Auffassungen für das Werden des Sinngehaltes der Geisteskultur a limine zurückweisen, müssen wir andererseits auf dem Boden der reinen Kultursoziologie jede Lehre abweisen […1, dass der kulturhistorische Ablauf ein rein geistiger und sinnlogisch bestimmter Prozeß sei.“ (1960: 22) Geist und Leben stehen somit in einer spannungsvollen Wechselwirkung sowohl im Menschen wie auch im gesellschaftlichen Zusammenleben.

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  9. Der Mensch als Geistwesen, die Person, sei daher nicht als „Substanz“ aufzufassen, da diese nur je aktuell in ihren geistigen Akten existiere (1979: 51).

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  10. Um das Verhältnis von Lebendigkeit zu den eher objektiven Sinngehalten sowie der subjektiven Intention zu illustrieren, verwendet Scheler das Bild eines Klaviers, auf dem eine Komposition von einem Klavierspieler dargeboten wird. Ohne den Klavierspieler kommt es zu keiner Aufführung eines Stückes, allerdings gilt die künstlerische Qualität einer Komposition vollkommen unabhängig vom Pianisten. Er kann ihr allerdings einen besonderen Ausdruck verleihen. Und schließlich bedarf es eines Instrumentes, um das Stück überhaupt zu Gehör zu bringen.

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  11. Dieser Glaube ist, wie man sieht, nicht gleichzusetzen mit dem Glauben an eine unsterbliche Seelensubstanz. Er macht nur Sinn für eine körpergebundene Existenz, ist also weniger religiös als vielmehr anthropologisch fundiert. Am ehesten vergleichbar sei die Idee, so Scheler, mit dem christlichen Glauben an die Auferstehung, da dieser den Ganzkörpertod beinhaltet (vgl. ebd.: 54).

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  12. Scheler weist somit nachdrücklich daraufhin, daß das positiv-wissenschaftliche Wissen nicht wie bei Comte die höchste Stufe der Entwicklung des menschlichen Geistes darstellt (vgl. 1924: 55). Durch die drei Triebimpulse begründet Scheler vor allem die Unersetzlichkeit der drei Wissensarten.

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  13. Nicht daß er Wissen hat, ist dem Menschen wesentlich, […1 sondern daß er Apriori-Wissen hat oder es zu erwerben fähig ist.“ (1995: 52)

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  14. So wie man das konkrete Bezugsproblem als Lösung für das allgemeine Bezugsproblem verstehen könnte, ließe sich auch die Verdrängungsthese schließlich als Lösung tûr das konkrete Bezugsproblem verstehen. Ich verzichte hier auf diese Begrifflichkeit: Zum einen, weil sie den Text unnötig überfrachten würden. Zum anderen würde es, wie bereits erwähnt, der Theorie zuviel Konsistenz unterstellen. Hier distanziere ich mich also bewußt von dem friihen Funktionalismus Luhmanns. Mehr als eine Methode soll die Funktionale Analyse hier nicht sein.

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  15. Hier und im weiteren Verlauf ist der Einfluß von Webers Protestantismus-Studie unübersehbar (vgl. 1988a).

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  16. Indem die Offenbarungsreligionen ein,übernatürliches’ Glaubensgebiet immer schärfer sonderten und absteckten und dieses als absolut vollendet und unvermehrbar behaupteten, werden gerade sie die indirekten Bahnbrecher des positiv wissenschaftlichen Rationalismus. Die menschliche Denkenergie wird gerade auf diesem Weg auf die Bahn der exakten Untersuchung hingetrieben, und das ist zugleich auch die Bahn des technisch-pragmatischen Denkens.“ (1960: 79) Beide, Kirchen wie Wissenschaft, hätten somit ein Interesse an der Beseitigung von „Mythos, Sage und Legende, Volksfrömmigkeit,,Aberglaube, freie Mystik, Wunderglaube” (ebd.).

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  17. Das belebt die Entwicklung und macht Berechnung und Beherrschung sinnvoll. Deshalb muß sich die positive Wissenschaft auch nicht mehr mit Fragen nach dem Wesen einer Sache aufhalten und sich konzentrieren auf das Hier und Jetzt der Welt im Hinblick auf die Mach-und Gestaltbarkeit derselben. Auf diese Weise lösen Kategorien wie „Quantität“, „Relation” und „Naturgesetz“ die Prinzipien der „Qualität”, „Substanz“ und der „Form” bzw. „Gestalt“ ab ( 1960: 113 ).

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  18. Vgl. auch hier die Nähe zu Weber. Dort heißt es: Die „Entzauberung“ der Moderne beruhe im wesentlichen auf dem „Glauben”: „daß man, wenn man nur wollte,es jederzeit erfahren könnte,daß es also prinzipiell keine geheimnisvollen unberechenbaren Mächte gebe, die da hineinspielen, daß man vielmehr alle Dinge — im Prinzip — durch Berechnen beherrschen könne.“ (1917/1919: 9).

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  19. Überdeutlich ist hier auch die Ahnlichkeit zu Weber (1917/19: 10).

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  20. Wie oben beschrieben, spielt dafür das geistige Leben als unabhängige und eigengesetzliche Seinssphäre, der Zugang zum ewigen Logos, eine wichtige Rolle. Aber auch die insbesondere mit zunehmendem Alter erfahrene Individualität mache das Fortleben erwartbar und zwar als persönliches Schicksal.

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  21. Das memento mori kann mir also den Ausweg weisen, indem es mich zumindest nach Unersetzlichkeit streben läßt. Solange man aber als Rädchen in einem großen Getriebe funktioniert und sich als solches wahrnimmt, sei dieser Trost nicht möglich: Man lebe in der Illusion einer zweckrational organisierten Welt. Je unersetzlicher, eigenwilliger man sich selber und sein Leben erfahren könne, desto berechtigter sei schließlich der Wunsch nach Ewigkeit (1979: 62). Nur dann „erlebe ich auf dem Hintergrund dieses Tatbestandes auch ein mit der Reifung der geistigen Person selbst wieder steigendes,Überschießen` der geistigen Akte über das immer sterbensbereitere Leben“ (ebd.: 52). Dass dieser Trost selbst immer wieder auf die Probe gestellt wird und deshalb fast paradox ist, darauf weist insbesondere Georg Simmel hin (1917a). Der Preis des Lebens steige mit seiner Unersetzlichkeit, der Tod müsse folglich um so härter wirken, je einzigartiger ein Leben erfahren wird.

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  22. Bereits hier klingt an, was in späteren thanatologischen Ansätzen zum Kernthema wird: Die anthropologische Idee des weltoffenen, nicht festgestellten Menschen transportiert mit sich die gleichwohl gegebenen Grenzen. Tritt nun die soziale Umwelt die Stelle der Natur an, ist dennoch ihr künstlicher Charakter nicht zu vergessen, ebenso wie die Grenzen unseres menschlichen Daseins. Die Grenze Tod kann dann zum Mahnmal für die den prinzipiellen Freiheitsanspruch des Menschen gegenüber der Gesellschaft genutzt werden.

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  23. Denn nur die „über der Praxis schwebenden Weltanschauungsphilosophen“ können „Träger der eigentlichen Allgemein-und Persönlichkeitsbildung” sein, so Schelsky über Schelers bildungspolitisches Anliegen 40 Jahre später (1965a: 463).

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  24. Bildungswert aber hat nur dasjenige Wissen, das für den ganzen Menschen und für seine Aufgaben als ganzer Mensch unmittelbar fühlbaren Sinn und Wert hat, und das andererseits so verarbeitet ist, daß es in jedem Augenblick des aktuellen Lebens sprung-und einfallsbereit in das Bewußtsein ist, um sich in die jeweilige Situation und Aufgabe als lebendiges, lenkendes Zielmoment einzufügen.“ Nur diese Art Wissen gewährt das „Gefühl des Wachstums der Seele selbst” (1960: 408).

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  25. Scheler sieht entsprechende Formen in den Meditationen des Buddhismus bereits ausgeprägt. „Erst wenn der abendländische Mensch diese Akte bewußter Einschaltung und Ausschaltung der beiden entgegengesetzten Bewußtseinshaltungen gleich leicht und sicher abwechselnd zu vollziehen vermöchte, der Asiate desgleichen […] hätten sie die ganze Erkenntnismöglichkeit, die in der menschlichen Geistnatur schlummert, ausgeschöpft, die metaphysische und positivwissenschaftliche zugleich.“ (ebd.: 112)

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  26. Gerade an diesem Punkt werden wiederum die Parallelen zu den späteren Arbeiten von Berger/ Lieban, von Ferber u.a. deutlich (vgl. unten 1.2). Der prinzipielle Freiheitsanspruch des Menschen beinhaltet hier wie dort das Postulat einer individualistisch verfaßten Gesellschaft. Eine solche thanatologische Perspektive muß ihre Fortsetzung in der Allgemeinen Soziologie finden.

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  27. In dieser leicht widersprüchlichen Fassung spiegeln sich vermutlich die Unterschiede zwischen Früh-und Spätwerk von Schutz. Das Spätwerk weist sehr viel deutlichere Konturen einer Sozialphänomenologie auf, einer Phänomenologie also, die der Intersubjektivität der Lebenswelt den Vorrang gibt. Die „Strukturen der Lebenswelt“ wurden denn auch erst nach Schützens` Tod von Thomas Luckmann als Herausgeber veröffentlicht. Vgl. Schütz/ Luckmann 1979; 1984.

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  28. Schütz baut seine Sozialphänomenologie bekanntermaßen auf der Bewusstseinsphilosophie Edmund Husserls auf.

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  29. Zwar findet sich die menschliche Existenz im Schnittpunkt zweier Zeitordnungen wieder: einer inneren, durch den Bewußtseinsstrom gegebene Zeit, und eine äußeren, durch den Körper gegebene und mit der natürlichen Umwelt verstrickte Zeit. In der konkreten Gegenwart, der „vivid present“ (1971: 247), erlebe der Mensch sich jedoch als Einheit,so Schutz. Es bleibt daher auch hier bei einem primär lebensimmanent bestimmten Verhältnis zum Tod. Von hier ist es nicht weit zur Fundamentalontologie Heideggers, wie insbesondere das folgende Zitat zeigt. Das lesen auch Armin Nassehi und Georg Weber in dieser Weise (vgl. 1989: 181). Heideggers philosophische Thanatologie beruht darauf, dass das Wissen vom Tod der menschlichen Existenz geschuldet sei, die in jedem Moment als Da-Sein zum Tode zu begreifen ist. Als solches „stirbt es faktisch und zwar ständig” (Heidegger 1993: 259). Es sei also nicht nur das Ableben als Telos,das uns im Sinne Schelers nur die Richtung des Lebens aufzeigt, sondern der Tod ist als „Noch-nicht“ in jedem Akt des Daseins enthalten. Denn jeder Akt verweise über sich hinaus, sowohl qualitativ als auch zeitlich. Somit verhalten wir Menschen uns in jedem Moment unseres Daseins immer schon zu unserem Tod. Stärker als bei Scheler ist hier die Betonung der Einheit der menschlichen Existenz (im Unterschied zu einer wie immer gearteten Dualität, vgl. Nassehi/ Weber 1989: 26ff).

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  30. Daran schließen auch Berger und Luckmann an, wenn sie vom Tod als „factum brutum“ menschlicher Existenz und der dazugehörigen „menschlichen Urangst” sprechen (1980: 109).

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  31. Vgl. auch von Ferber (1970: 238), der sagt: „Wir Menschen wissen nicht von Geburt aus, dass wir sterben müssen. Diese entscheidende Bedingung des Lebens ist uns verhüllt und wird uns nur über die Erfahrung mit der Kultur, mit der Gesellschaft erschlossen, in die wir hineingeboren werden.“

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  32. Das darf man sich nicht als ein räumliches Verlassen vorstellen, wie wenn man die Schlafzimmertür zumacht (vgl. Schütz 1979: 263ff). Der Wechsel der „Sinnbezirke“ beruht vielmehr auf verschiedenen „Bewußtseinsspannungen”, wie Schütz ausfiihrt (1971: 267). Die Lebenswelt des Alltags zeichne sich gegenüber den übrigen Sinnbezirken durch eine besonders hohe Spannung aus (vgl. ebd.).

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  33. Christian von Ferber betont ebenfalls die Rollenstruktur der „abendländischen Industriekultur“ (1970: 238), durch die das Erleben und Handeln des Individuums in verschiedene Segmente aufgeteilt wird. Ähnliches verbirgt sich vermutlich hinter der als „industrialisiert und urbanisiert” beschriebenen Gesellschaft bei Berger und Lieban (1960: 233).

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  34. Hier zeigen sich auch Parallelen zur allgemeinen Gesellschaftstheorie dieser Zeit. So sieht sich auch Helmut Schelsky einer gesellschaftlichen Ordnung gegenüber, die nicht mehr Objekt, sondern Subjekt geworden ist. So stehe der Mensch in der „wissenschaftlichen Zivilisation“ einer Vielfalt von „Sachgesetzlichkeiten” weitgehend machtlos gegenüber ( 1965: 458 ).

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  35. In typischen Handlungsfeldern wie dem Krankenhaus, dem Bestattungswesen und der Trauer werde in diesem Sinn die physische Realität des Todes und mit ihr das Grauen beschönigt (vgl. Berger/ Lieban 1960; von Ferber 1963; Gorer 1965). Jegliches Anzeichen auf körperlichen Verfall werde vermieden, Leid und Trauer so weit wie möglich ausgeklammert. Bemühe sich die Medizin darum, das körperliche Ende bis zum Schluss hinauszuzögern (vgl. von Ferber 1970: 241f), so richteten sich alle Kräfte der Bestatter darauf, eine Illusion des Lebens aufrechtzuerhalten (vgl. Berger/ Lieban 1960 ). Trauerrituale verschwänden aus der Öffentlichkeit, Hinterbliebene

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  36. Denkt man nun zurück an Schelers Beschreibung der modernen Gesellschaft, treten die Gemeinsamkeiten zutage. In ihrer Grundstruktur beschreibt auch Scheler sie als beherrscht von einer kapitalistischen Wirtschaft, der eine produktivitätsorientierte Wissenschaft zuarbeitet. Diesseitigkeit sowie „Arbeit und Erwerben“ prägten die Trieb-und Erlebensstruktur des modernen Menschen (1979: 30). Der Mensch verliere sich in seine Geschäfte und den Tod aus den Augen. Es ist sein „soziales Ich”, das lebt und stirbt, doch dabei bleibe die andere Seite verborgen (vgl. 1979: 33). Daran schließt von Ferber direkt an, wenn er den Tod als Anlaß sieht, unsere soziale Existenz in Frage zu stellen.

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  37. Dort hieß es: zwischen Lebenstrieb und Geist (vgl. 1.1).

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  38. Er nannte neben Philosophie u.a. auch die Soziologie, wesentlich war jedoch wie bei von Ferber die Abgrenzung von den Naturwissenschaften. Freilich war Schelers Bildungsidee letztlich von seiner metaphysischen Wahrheitsidee geprägt. Dennoch sehe ich eine große Übereinstimmung in der Betonung der Freiheit und Ganzheitlichkeit des Menschen, die ihm einmal durch Bildung, das andere Mal durch soziologische Aufklärung zum Bewußtsein kommen soll. Darin gründet bei beiden ein deutlich gesellschaftskritisches Potential.

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  39. Zwar behandelt Fuchs die verschiedenen kulturellen Deutungen des Todes, aber immer als von der realisierten Form des Sterbens abgeleitete Phänomene. Man kann somit von einer stark materialistisch geprägten Soziologie sprechen.

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  40. Wie dieser Prozeß aussieht, zeigt folgendes Zitat: „Die mit dem Aufstieg des Bürgertums, der Durchsetzung bürgerlicher Produktions-, Tausch-und Lebensverhältnisse verknüpften Gestalten des Geistes, Renaissance, Reformation, Aufklärung, sind Zeichen der fortschreitenden Auflösung feudaler Verhältnisse und Gedanken. Die neue Schicht, die sich in diesem Prozeß durchsetzt, hat sich tendenziell von aller Transzendenz gelöst, lebt und handelt nach innerweltlichen Maximen und Bezügen, aus der Gewißheit, „daß es […] prinzipiell keine geheimnisvollen unberechenbaren Mächte gebe, […] daß man vielmehr alle Dinge — im Prinzip — durch Berechnen beherrschen könne.“ (1969: 76)

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  41. Man sieht, dass es sich hier um eine sehr materialistische Thanatologie handelt.

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  42. Vgl. dazu auch Parsons/ Lidz 1967; Parsons u.a. 1973. Man kann insofern auch von Soziologismus sprechen.

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  43. Das physische Ereignis sei zwar die „Ursache“ für den Tod als Kommunikationsabbruch. Diese Tatsache müsse jedoch erst sozial registriert werden, und das geschehe nicht einfach als Reflex auf die objektiven Bedingungen.

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  44. Allerdings fügt Hahn noch einen „mittleren Typ“, die „Hochkultur” (1968: 13), hinzu, um die Abstufungen zwischen den Idealtypen herauszuheben. Hier jedoch kann das vernachlässigt werden.

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  45. Der Tod sei ein „Altersphänomen“ und somit für die meisten etwas Abstraktes. Das kommt auch in einem anderen Zeiterleben zum Ausdruck, einer Art Todesvergessenheit. Der in wechselnden Bezügen lebende moderne Mensch erfahre, so Hahn, nicht nur ständig wechselnde Identitäten. Das erlaube ihm zugleich, herauszutreten aus seiner individuellen Zeitlichkeit und sich weniger an Vergangenheit und Zukunft als vielmehr der Gegenwart mit ihren je verschiedenen Relevanzen zu orientieren. „Vergangenheit und Zukunft” als individuelle Erlebensweisen verlieren, so Hahn, ihren „sozialen Ort“ (1968: 68).

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  46. Auch Parsons setzt an dieser strukturell bedingten Kluft ab. So könne sich die Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher Akzeptanz und persönlicher Angst sogar ausweiten (vgl. 1978: 260). Dann ist zunehmend damit zu rechnen, dass jeder Tod für die nächsten Angehörigen eine besondere Herausforderung darstellt.

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  47. Es reicht ja nicht, auf alle möglichen Beerdigungen zu gehen, um mit dem Tod,vertraut` zu werden. Ohne eine Beziehung zu dem Verstorbenen bleibt die Angelegenheit irrelevant.

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  48. In diesem Sinne ist auch bei Hubert Knoblauch von einer neuen „Kultivierung des Todes“ die Rede (1999a: 285f0.

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  49. Ich beziehe mich im Folgenden auf die Arbeiten von Tony Walter (1994) und Clive Seale (1998). In der neueren angelsächsischen Soziologie des Todes spielen beide eine herausragende Rolle.

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  50. Was nun diese allgemeine Herausforderung angeht, so verfügt der Mensch auch hier über ein grundsätzliches Wissen darum (vgl. Seale 1998: 11).

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  51. Im Hinblick darauf spricht Seale von „cultural variation“ (ebd.: 1).

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  52. Später in dem Buch wird denn auch der Einfluß der neueren, konstruktivistisch geprägten Wissenschaftssoziologie deutlich (vgl. ebd.: 131ft).

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  53. Auch hierbei betont Seae, dass es sich um eine Wechselwirkung handle und nicht um eine einseitige Abhängigkeit, wie das z.B. in der Konzeption von Hahn sehr stark der Fall war. „Social structure […] exercises a profound influence on the experience of ageing and dying. This is not to say that individuals cannot go against these influences and actively transform their lives, or that biology too does not play a part. A rounded view of human being L.] needs to take account of structure, agency and embodiment as combining to produce human experience.“ (1998: 46) Es gelte somit immer, die Wechselwirkung im Einzelfall zu betrachten.

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  54. Entscheidend seien somit die Bedingungen dafür, die Sterberolle so bewußt und offen zu gestalten, wie es vom sogenannten revivalistischen Skript (vgl. dazu weiter unten) verlangt würde. Diese seien jedoch nicht immer gegeben: „The deaths of very elderly people, who may experience a slow decline without reaching a dramatic moment of,dying` from a dominant disease process are hard to interpret this way. Revivalist scripts are largely applicable to deaths from cancer and to some extent AIDS.“ (Seale 1998: 137)

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  55. Was bei Fuchs noch als Maßstab des gesellschaftlichen Fortschritts präsentiert wird (die naturwissenschaftliche Rationalität), wird hier relativiert, indem vom Aufstieg und Untergang einer großen Erzählung gesprochen wird.

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  56. Als exemplarisch dafür kann das Arzt-Patient-Verhältnis gelten. Das Vertrauensverhältnis zwischen beiden sei keine selbstverständliche Angelegenheit mehr, darauf spielt der Begriff des aktiven Vertrauens an. In jedem Fall verlagere sich das Gewicht auf den Patienten bzw. Laien insgesamt.

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  57. Damit wird klar, was den Unterschied zwischen moderner und spätmoderner Gesellschaft begründet. Weniger die veränderte Form der Sterblichkeit noch ein Wandel in der Sozialstruktur scheinen für die Diagnose der Spätmodeme ausschlaggebend zu sein. Vielmehr handelt es sich um einen Wandel im kollektiven Bewußtsein, zurückgeführt auf,,considerable distrust […] in the narratives offered by modemist medicine“ (Seale 1998: 5). Die spätmoderne Gesellschaft hat sich demnach emanzipiert von der Deutungsmacht der Medizin und verfügt über konkurrierende Deutungsmuster, angeführt vom Revivalismus der Psychologie.

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  58. Damit wird deutlich, dass das Individuum keineswegs freie Wahl hat beim Sterben und Trauern. Denn auch die Wahl ist beeinflußt durch die sozialstrukturelle Situation, in der sich das Individuum befindet.

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  59. Der soziologische Beitrag hebt sich damit wesentlich von den früheren Beiträgen der Thanatologie ab. Bei Schcler durften sich die Soziologen gemeinsam mit den Philosophen an der Menschenbildung beteiligen, in der vor allem Sinnfragen zur Sprache kommen sollten. Parallel dazu betraute von Ferber die von Haus aus anders orientierte Soziologie mit der Aufgabe, den Menschen jeweils eine persönliche, aber auch der Gesellschaft insgesamt eine kollektive Sinngebung zu vermitteln. Danach jedoch reduzierte sich der Aufgabenbereich zusehends, wie vor allem die materialistische Perspektive aufzeigt: Um den natürlichen Tod durchzusetzen, blieb den Soziologen nicht viel anderes zu tun als Ungleichheit anzuprangern und dagegen zu kämpfen. Die Hauptrolle aber, das wird jedenfalls aus der Darstellung von Werner Fuchs deutlich, spielten Medizin sowie andere Einrichtungen des Gesundheitswesens. Alois Hahn sieht im Tod, wenn überhaupt, ein Problem, das durch die Einrichtung von Ilospizen zu lösen istHier besteht er vor allem darin, einer empirischen Frage-stellung nachzugehen, um anschließend eine Diagnose zu versuchen. Inwiefern kann man — ausgehend von der Pluralität der dying roles — von einer Ausbreitung des revivalistischen Deutungsmusters sprechen? Zugleich stellt sich die Frage, in welcher Form sich die Wiederbelebung vollzieht: als mehr oder weniger einheitliches Expertenwissen oder als bunte Vielfalt von Betroffenenberichten. 78 Dasselbe Interesse verfolgt Clive Seale, wenn er zu Beginn seines Buches ankündigt: „An understanding of cultural variation helps us perceive the degree to which our own constructions of death, dying and bereavement […] are dominated by the conceptions of particular social groups.“ ( 1998: 1) Es bleibt allerdings auch am Ende des Buches offen, inwiefern es sich beim revivalistischen Skript um eine solche (diskursive) Beherrschung handelt. Einige Thesen im Buch legen diese Interpretation nahe; dann jedoch kann kaum noch von einer kulturellen Vielfalt die Rede sein. Auch die Ergebnisse anderer Untersuchungen zielen in diese Richtung (vgl. Schneider 1999 ).

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  60. Dass sich das Genre vielfältig gestaltet, belegen inzwischen vereinzelten Studien, etwa Hawkins 1991; Nassehi/ Briiggen/ Saake 2002. Ansonsten aber handelt es sich bei den Medien generell um eine Forschungslücke. Siehe Clive Seale (1998: 6), der feststellt, „analyses of their role in representing forms of dying are relatively rare“ oder Tony Walter (1995: 594): „Neither media researchers nor sociologists interested in death have looked at its portrayal in the media.[…] Given the centrality […] of the media for any understanding of death in modem society, the new sociologists of death should speedily put cultural representations and responses on their research agenda”.

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  61. Dass sich das Genre vielfältig gestaltet, belegen inzwischen vereinzelten Studien, etwa Hawkins 1991; Nassehi/ Briiggen/ Saake 2002. Ansonsten aber handelt es sich bei den Medien generell um eine Forschungslücke. Siehe Clive Seale (1998: 6), der feststellt, „analyses of their role in representing forms of dying are relatively rare“ oder Tony Walter (1995: 594): „Neither media researchers nor sociologists interested in death have looked at its portrayal in the media.[…] Given the centrality […] of the media for any understanding of death in modem society, the new sociologists of death should speedily put cultural representations and responses on their research agenda”.

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  62. Und ähnlich Clive Seale: „in late modernity personal experience is increasingly mediated by television, newspapers, magazines, novels and other such products of communication and representation“ (1998: 122).

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  63. Als Beispiel für die spätmoderne Entwicklung nennt Walter die symbolische Kontrolle durch das Phasenmodell für Sterbende bzw. vergleichbare Muster tür die Trauernden. „All this is a sophisticated version of control — of others and of death — through knowledge and technique.“ (Ebd.: 40)

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  64. Daraus erklären sich auch die „constancies“ im Angebot, von denen bei Walter die Rede ist. Damit spielt Walter auf den middle-class-bias an, den die Literatur habe. Das gelte für Autoren wie für Leser der Bücher (vgl. 1994: 127). Solche Systeme und Theorien seien immer noch populär und fanden sogar Eingang in die Pflegehandbücher (vgl. ebd.: 72). Dennoch vermittelt Walter den Eindruck, dass gerade auf dem Buchmarkt die Betroffenen zunehmend selbst das Sagen haben und damit vielfältige Darstellungen auf den Markt kommen. Das, was Walter hier zu den „psychological manuals” (ebd.: 2) zählt, werde demnach zunehmend durch die sogenannte „pathography“ (ebd.: 126; vgl. auch Seale 1998: 126) abgelöst.

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  65. Aber nicht nur andere Betroffene, sondern genauso Experten gehören offenbar zum Publikum dieses Genres, wie Walter feststellt (vgl. ebd.: 127). Das deutet schon darauf hin, dass die Grenzen zwischen Betroffenen-und Fachliteratur nicht mehr so klar zu ziehen ist.

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  66. In modernist medical construction […1 death is seen as the result of a host of diseases, rather than of mortality, so that for each disease there is a corresponding preventive action, symbolically bringing death under control.“ (1998: 139) Der wissenschaftliche Gestus der Bücher zeige sich daran, dass die Autoren sich um eine Trennung von Fakten und Meinungen u.a. durch die empirische Überprüfung von Thesen bemühten. Diese dienten dann als Grundlage fur gezielte Maßnahmen wie sie in der Gesundheitsforschung seit langem praktiziert würden.

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  67. Despite claiming to offer the customer choice, the one customer many British funeral directors do not like is the do-it-yourselfer who wants to buy just a coffin rather than the whole package.“ (Walter 1994: 146)

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Brüggen, S. (2005). Bezugsprobleme einer Soziologie des Todes im Vergleich. In: Letzte Ratschläge. Forschung Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10664-7_2

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-14570-9

  • Online ISBN: 978-3-663-10664-7

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