Zusammenfassung
Der immer unübersichtlicher werdende Alltag einer zunehmend individualisierten Lebensführung politisiert gegenwärtig das menschliche Zusammenleben — insbesondere und prototypisch das Leben im urbanen Raum. Manche Sozialwissenschaftler beharren zwar nach wie vor auf der Annahme, die Menschen lebten typischerweise noch immer vorwiegend in “stabilen Verhältnissen”, die gelegentlich wohl zerrüttet, letztlich aber lediglich personell “umarrangiert”, nicht jedoch strukturell aufgelöst würden. Diesem Struktur-Konservatismus steht aber die typische biographische Erfahrung — insbesondere unter urbanen Bedingungen — gegenüber, daß wir heute grundsätzlich, und das heißt: auch dann, wenn unsere je aktuelle Lebenslage nach außen hin stabil wirkt, existenziell verunsichert sind. Wir werden nachgerade permanent nicht nur selber in Wahl- und Entscheidungssituationen gestellt, sondern auch mit immer neuen — uns einmal mehr, einmal weniger überraschenden — Plänen, Entwürfen und Entscheidungen von, unsere Biographie mehr oder weniger nachhaltig tangierenden, anderen Akteuren konfrontiert. Das irritiert traditionelle Gewohnheiten des Zusammenlebens und des Miteinanderumgehens und bewirkt, daß die sozialen “Verkehrsformen” neu ausgehandelt und organisiert werden müssen. Dadurch “politisiert” sich, wie sich an ganz unterschiedlichen Beispielen zeigen läßt, insbesondere in den Städten das Alltagsleben der Menschen. Eine Manifestation dieser “Politisierung” ist das Entstehen von allen möglichen “Bürgerschutz-Initiativen”.
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Aber jedes Handeln das dazu dient, das Handlungsziel “Definitionsmacht” zu verdecken bzw. zu verschleiern, bezeichne ich als “machiavellistisch” (Hitzler 1991, 1993a).
Die Kompetenz der Akteure wird besonders betont in allen Spielarten der sich auf Alfred Schütz beziehenden Soziologie: von der Ethnomethodologie (Garfmkel 1967) bis zur neueren Wissenssoziologie (Berger und Luckmann 1969), von der historisch-rekonstruktiven Hermeneutik (Soeffner 1989) bis zur Theorie der “Subjective Expected Utility” (SEU) (s. Esser 1991a, 1993).
Die Möglichkeit, zwischen Lebensstil-Angeboten zu wählen oder sich aus Versatzstücken derselben “seinen eigenen” zu “basteln”, ist eines der Kernelemente der von Gross (1994) propagierten “Multioptionsgesellschaft” (s. auch Hitzler und Honer 1994).
Ausführlicher zum Verständnis von Lebensstil als einem Handlungsproblem: Hitzler (1994a, 1994b); Hitzler und Honer (1994).
Mrozek vertritt damit übrigens keineswegs eine besonders extreme Auffassung. Unbehagen über “offene Grenzen” ist vielmehr ein gängiges Stereotyp in der Debatte um die Innere Sicherheit, das sich z. B. auch im sogenannten “15-Punkte-Programm der Bayerischen Staatsregierung” wiederfindet: “Die Öffnung der Grenzen in Osteuropa und Erleichterungen an den Binnengrenzen der Europäischen Union eröffnen auch Kriminellen neue Möglichkeiten” (Bayerisches Staatsministerium des Inneren, S. 17; vgl. auch S. 4).
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Hitzler, R. (1994). Radikalisierte Praktiken der Distinktion. In: Dangschat, J.S., Blasius, J. (eds) Lebensstile in den Städten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-10618-0_3
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