Zusammenfassung
Überblick: Die Erklärung sozialer Tatbestände auf Grundlage der Theorie rationalen Handelns setzt die Spezifikation zutreffender Anfangsbedingungen voraus. Anfangsbedingungen verknüpfen die handlungsleitenden Prädiktoren mit der sozialen Realität; d.h. es sind Brückenannahmen zu formulieren. Brückenannahmen sollen klären, welche Handlungsalternativen die Akteure wahrnehmen, welche und wieviele Handlungskonsequenzen eine Rolle spielen und welche Erwartungen und Präferenzen von Bedeutung sind. Zur Lösung dieses Spezifikationsproblems wird häufig auf einfache Heuristiken zurückgegriffen, die über die Bedingungen der Strukturierung des Merkmalraums informieren können (Homo Sociologicus- und Homo OeconomicusKonzepte, Kap. 5.1). Die empirische Arbeit far konkrete Forschungsfragen in spezifischen Handlungszusammenhängen können diese partialtheoretischen Ansätze aber nicht ersetzen. Nach dem gegenwärtigen Forschungsstand bedarf es des Einsatzes von Methoden der empirischen Sozialforschung zur Spezifikation der Anfangsbedingungen in der Theorie rationalen Handelns, wenn ihre Anwendung tatsächlich zur Erklärung konkreter sozialer Phänomene dienen soll. Die im Rahmen von Rational Choice sehr verbreiteten Vorbehalte gegen die Anwendung des Instrumentariums der empirischen Sozialforschung betreffen häufig ‘nur’ die grundsätzlichen Schwierigkeiten einer Forschung, die darauf zielt, die empirische Konsistenz ihrer theoretischen Annahmen zu prüfen (Kap. 5.2). Eine Auseinandersetzung mit spezifischen Problemen der Anwendung von Rational Choice in natürlichen Situationen findet kaum statt. Daher wird auch die Tatsache vernachlässigt, daß die praktischen Erfahrungen in den empirischen Sozialwissenschaften inzwischen eine beachtliche Tradition und bemerkenswerten Einfallsreichtum aufweisen, um mit bekannten und neuen Schwierigkeiten umzugehen. Vor diesem Hintergrund werden einige zentrale Bedingungen und Konsequenzen für die Arbeit mit der Theorie rationalen Handelns in natürlichen Situationen diskutiert, die auf die empirische Konstruktion der Brückenannahmen angewiesen ist. Gegen diesen Weg der Erkenntnis wird häufig eingewendet, wenn a priori keine Beschränkung der Motivations- und Anreizstruktur erfolge, werde die Handlungstheorie tautologisch. Dieses Argument trifft nicht zu. Allein die Möglichkeit, beliebige Präferenz- und Anreizmuster in das Konzept einzufahren, hat nicht die Analytizität der Perspektive in der Theorie rationalen Handelns zur Folge. Es gibt daher keinen Grund, eine empirisch konsistente Explikation der mikrotheoretischen Basis zu vernachlässigen, im Gegenteil: Sie ist Voraussetzung jeden technologischen Eingriffs in soziale Handlungsfelder.
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Kunz, V. (1997). Anwendungsprobleme: Die Bestimmung der Anfangsbedingungen in der Theorie rationalen Handelns und die Konsequenzen für die empirische Analyse. In: Theorie rationalen Handelns. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09769-3_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-09769-3_5
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