Zusammenfassung
Aus den vorangegangenen Kapiteln sollte deutlich geworden sein, in welcher Gesellschaft wir leben, was die Gesellschaft primär zusammenhält, welche Bedingungen für das Zusammenspiel von Menschen im Alltag notwendig sind und welche Relevanz die Selbstverantwortung und damit die reflexive Einstellung des Einzelnen für das urbane Zusammenleben besitzen. In diesem Kapitel werden wir auf Aspekte eingehen, die die Realität, bzw. die Einwanderungsrealität, im Quartier systematisch ignorieren. Auf der einen Seite beobachten wir einen immer schneller werdenden Prozess der Globalisierung, die uns zunehmend sowohl mit Vielfalt als auch mit einer Kontingenz im weitesten Sinne konfrontiert. Diese Entwicklungen, die wir auf lokaler Ebene rekonstruiert haben, entziehen sich konventionellen Erklärungen. Iain Chambers (1996: 3) spricht sogar von einem „mentalen Eklektizismus“. Auf der anderen Seite haben wir in Ehrenfeld verschiedentlich auch beobachtet, dass man sich in bestimmten Zusammenhängen des Alltags immer noch dieser gewöhnlichen Erklärungsmuster bedient, um einerseits die empirische Realität systematisch zu ignorieren und andererseits auf diese Weise den Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen und Funktionssystemen zu beschränken. Für bestimmte Gruppen wie „Asylbewerber(innen) oder „Illegale“ bleibt der Zugang sogar systematisch verwehrt. Gerade diese spezifische Praxis und deren mögliche Folgen für die Betroffenen werden wir jetzt auf lokaler Ebene beschreiben.
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References
In diesem Zusammenhang spricht Michael Bommes zu Recht von einem „sortierenden Blick“.
Claus Offe (1994: 146ff) spricht in diesem Zusammenhang von der Ethnifizierung von Gesellschaftsstrukturen.
Ausführlich dazu vgl. Ronneberger (1997: 219ff).
Doug McAdam (1994: 393ff) hat das „Framing-Konzept“ im Rahmen der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung“ ausführlich herausgearbeitet.
Der Polizist arbeitet seit ca. 20 Jahren im Stadtteil. Im Vorfeld führten wir ein Telefongespräch, um ihn über unsere Studie zu informieren und einen Termin für ein Interview mit ihm zu vereinbaren. Wir erzählten ihm von unserem Vorhaben und baten ihn, uns von seinen beruflichen Erfahrungen und über das Zusammenleben in Ehrenfeld zu berichten. Er erklärte sich zu einem Gespräch bereit und wir vereinbarten einen Interviewtermin, jedoch war er mit einer Tonbandaufnahme des Gesprächs nicht einverstanden. Daher basieren die nachstehenden Ausführungen auf dem Gesprächsprotokoll.
So wird das Hauptziel in der Projektskizze definiert.
Statement von Renate Tölle (Leiterin des Schulverwaltungsamtes der Stadt Dortmund) auf der Fachtagung „Interkulturelle Schülerclubs“ des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung am 30. 11. 1998 in Duisburg, unveröffentlichtes Manuskript, S. 2.
Wie Jens Kastner (2000: 114) festgestellt hat, wird diese Strategie oft auch in antirassistisch orientierten Forschungen auch verfolgt. Dazu schreibt er: „Auch die antirassistisch motivierte Rassismusforschung steckt immer in dem Dilemma, sich auf Gruppen als homogene, meist unhistorisch als geschlossen gedachte Einheit zu beziehen — und sie damit diskursiv immer wieder neu zu produzieren.“
In einer empirische nStudie von Frank-Olaf Radtke (1996b) wird ausdrücklich nachgewiesen, dass die Schule als Organisation strukturell die Diskriminierung von Migrantenkindern erzeugt und dabei ethnische Kriterien als Legitimation eine wesentliche Rolle spielen.
In einer von uns untersuchten Hauptschule waren fast 80% der Schüler allochthon.
Eine mögliche Reaktion der Jugendlichen kann ein resignativer Rückzug sein. Was bei der Einwanderergeneration noch die Rückkehrillusion war, ist jetzt bei der zweiten Generation der imaginäre Nationalismus. Dazu schreibt Werner Schiffauer in Bezug auf die Situation der „Deutsch-Türken: (1997: 153/154): „Die hier geborenen und aufgewachsenen Deutsch-Türken wurden heimisch in einer Gesellschaft, die ihnen den Status der Zugehörigkeit verweigert, sie weiterhin als Fremde behandelt und durch Gewaltakte ausgrenzt. Auf diesem Hintergrund haben die meisten Angehörigen der zweiten Generation versucht, eine Perspektive für sich zu entwickeln, die man als Individuierung aus der Negation charakterisieren könnte. Damit meine ich eine tentative, vorsichtige Art der Selbstverortung, die eher ausdrückt, was man nicht ist, als das, was man ist“.
Da es schwierig war, Zugang in die Lebenswelt der „Illegalen“ zu bekommen, haben wir auch Beispiele aus den lokalen Medien entnommen.
Ausführlich über die Bewegung „sans papiers“ vgl. Albrecht Kieser (1997: 40ff).
Einige gesellschaftliche und politische Einschätzungen. Ein Begleittext zur Kampagne von der lokalen Berliner Koordination (9/97).
Die Debatte über die Abschiebung von straffällig gewordenen Jugendlichen und deren Kriminalisierung ist ein gutes Beispiel in diesem Zusammenhang.
Auch heute noch wird in vielen „Integrationsmaßnahmen“ der Abbau „ausländerspezifischer“ Defizite als Zielvorstellung definiert.
Eine ausführliche Darstellung über ethnische Differenzierung in der Migrantensoziologie und Ausländerpädagogik vgl. Bukow/Llaryora 1988; zur Wissenschaftsgeschichte Treibe! 1988.
Wolfgang Kaschuba (1995: 16) spricht von einer „stillschweigenden Umetikettierung“.
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Bukow, WD., Nikodem, C., Schulze, E., Yildiz, E. (2001). Mobilität in der Diskussion. Ethnisierungs- und Skandalisierungsprozesse. In: Die multikulturelle Stadt. Interkulturelle Studien, vol 6. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09741-9_6
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-09741-9_6
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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