Zusammenfassung
In der interpretativen Sozial- und Biographieforschung ist der Radikale Konstruktivismus1 — wahrscheinlich als Folge seiner biologisch-kognitiven Ursprünge — noch auf wenig Resonanz gestoßen2. Trotzdem erscheint er interessant, weil er als Wissenstheorie ein Naheverhältnis zur Sozialphänomenologie aufweist und als Erkenntnistheorie relativ provokante konstruktivistische Perspektiven entwickelt hat. Die folgende Auseinandersetzung erfolgt mit der Intention, sein Anregungspotenzial für biographische Forschung zu untersuchen. Ausgangspunkt der Diskussion ist der sozialphänomenologisch-gestalttheoretische Ansatz in der Biographieforschung (Rosenthal 1995; Fischer-Rosenthal/Rosenthal 1997; Rosenthal/Fischer-Rosenthal 2000)3, dem der Autor grundsätzlich zugeneigt ist. Dieser Ansatz scheint eine besondere Affinität zum Radikalen Konstruktivismus zu haben, trotzdem sind die Unterschiede im Verhältnis beider Ansätze zu diskutieren. Die Differenzen fuhren schließlich zu Überlegungen, inwieweit radikal-konstruktivistische Prämissen — auch mit Bezug auf andere biographietheoretische Ansätze und im Kontext berufsbiographischer Forschung — stärker berücksichtigt werden könnten.
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Jost, G. (2005). Radikaler Konstruktivismus — ein Potenzial für die Biographieforschung?. In: Völter, B., Dausien, B., Lutz, H., Rosenthal, G. (eds) Biographieforschung im Diskurs. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09432-6_11
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