Zusammenfassung
Der von Gary S. Becker (1973, 1974, 1982, 1985, 1991) im Rahmen seines New Home Economic Modells entwickelte Ansatz zur Erklärung von Partner- und Heiratsentscheidungen ist für die Frage nach den Strukturierungsmechanismen der individualisierten Partnerwahl von einigem Interesse. Denn erstens hat Becker (1982:239f, 1991:112) den Anspruch, mit seinem Modell erklären zu können, unter welchen Randbedingungen sich Personen mit ähnlichen Eigenschaften (Homogamie) bzw. unähnlichen Eigenschaften (Hetero-gamie) zusammentun. Zweitens finden sich die Folgerungen (bzw. Teilfolgerungen) von Beckers Erklärungsansatz in vielen neueren soziologischen Erklärungsmodellen des Partnerwahlverhaltens wieder (Oppenheimer 1988; Mare 1991; Teckenberg 1991; Blossfeld/Timm 1997). Dabei fällt allerdings auf, dass — selbst wenn zentrale Annahmen des Beckerschen Modells, z.B. in Bezug auf die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und den sich hieraus ergebenden Konsequenzen auf die Heiratsentscheidungen von Frauen kritisch gesehen und diskutiert werden (vgl. insbesondere Oppenheimer 1988, 1997) — seine Folgerungen in Bezug auf die Herausbildung von homogamen oder heterogamen Heiratsbeziehungen relativ unreflektiert übernommen werden. Da die Folgerungen des mikroökonomischen Erklärungsmodells meines Erachtens jedoch in Bezug auf diesen spezifischen Aspekt weniger überzeugend sind, stellt sich die Frage, ob der Rückgriff auf genau diesen Teil des Erklärungsmodells dazu geeignet ist, um bspw. Homogamiepräferenzen bei der Partnerwahl zu begründen.
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Die ökonomische Theorie geht von bestimmten Gesetzmäßigkeiten hinsichtlich der Ange-bots-und Nachfrageentscheidungen von Individuen aus. Für die weitere Argumentation ist es wichtig zu wissen, dass - um die Gesetzmäßigkeiten der ökonomischen Theorie auf familiale Entscheidungen übertragen zu können - bestimmte historische Anfangs-und Randbedingungen erfüllt sein müssen. Diese Randbedingungen werden von Becker mehroder weniger rigoros unterstellt (vgl. Herder-Dorneich 1986), z.B. dass der Wunsch nach Kindern einen zentralen Heiratsgrund darstellt oder dass die Quelle des Nutzens einer Ehe in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung zu sehen ist. Der Erklärungsgehalt der mikroökonomischen Theorie in Bezug auf familiale Entscheidungen ist damit letztendlich von der Gültigkeit dieser Randbedingungen beeinflußt.
Der Begriff `Ehe’ steht in dem Ansatz von Becker als Synonym für eine `gemeinsame Haushaltsführung’ im Unterschied zu einem Singlehaushalt, die Argumentation kann also auch auf nichteheliche Lebensgemeinschaften übertragen werden.
Ftir eine ausführliche, kritische Diskussion des New Home Economic Modells vgl. u.a. Meyer (1979, 1987), Ben-Porath (1982).
Wenn man sich vor Augen hält, dass auch bei durch die Herkunftsfamilien `arrangierten’ bzw. `erwünschten’ Eheverbindungen Nutzenerwägungen im Vordergrund standen, scheint sich die individuelle Partnerwahl von ‘arrangierten’ Heiratsbeziehungen vor allem darin zu unterscheiden, wessen `Nutzen’ im Vordergrund steht.
Becker nennt Diskriminierung und Doppelbelastung in seiner überarbeiteten Fassung von 1991 ausdrücklich als weitere Faktoren, welche die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung begünstigen.
Für eine Kritik dieser Vorgehensweise siehe Meyer (1979), Ben-Porath (1982).
Wie in verschiedenen empirischen Studien nachgewiesen wurde, sind sich Ehepartner überzufällig häufig ähnlich in Bezug auf soziale Herkunft, Bildungsniveau, Alter, ethnische Zugehörigkeit. Für einen Überblick siehe Epstein/Guttman (1984).
Wenn im Zusammenhang mit der Partnerwahl hier und im folgenden von „Suche“ gesprochen wird, stellt dies letztendlich eine erhebliche Vereinfachung des tatsächlichen Partnerwahlprozesses dar, So ist es möglich Partner zu finden, ohne überhaupt `gesucht’ zu haben. Außerdem muß das Eingehen einer Partnerschaft nicht gleichbedeutend mit dem Ende des `Suchprozesses’ sein. Auch Oppenheimer (1988) betont, dass die Betrachtung der Partnerwahl unter einer suchtheoretischen Perspektive mit gewissen Problemen verbunden ist, weil weder der Beginn noch das Ende des Suchprozesses klar abzugrenzen ist.
Oppenheimer kommt ausgehend von suchtheoretischen Überlegungen zum gleichen Ergebnis.
Hier wird im allgemeinen von Gelegenheitsstrukturen des Heiratsmarktes gesprochen.
Haller (1982:318) spricht in diesem Zusammenhang auch von der sozialen Identität einer Person.
Der familienökonomische Ansatz kommt zwar zu einem ähnlichen Ergebnis, allerdings - wie oben dargestellt - unter der Voraussetzung relativ rigider Randbedingungen.
Blossfeld und Timm beziehen sich bei ihrer Darstellung des Suchprozesses allerdings nicht auf die Austauschtheorie, sondern legen ein von Oppenheimer (1988) entwickeltes Erklärungsmodell zum Suchverhalten auf dem Heiratsmarkt zugrunde.
Derartige Erklärungen von individuellem Verhalten, d.h. unter welchen Bedingungen A mit B eine Verbindung eingeht, kann auch die mikroökonomische Theorie nicht leisten. Dies ist nach Stroebe (1987:14) damit zu erklären, dass sich eben nicht alle relevanten Anfangsbedingungen feststellen lassen und daher die subjektiven Kosten von Alternativen nicht erfaßt werden können.
Als zusätzliche Komponente enthält das Modell von Blossfeld und Timm herkunftsspezifische Kalküle (vgl. hierzu auch Jones 1990), die, wenngleich sie sehr interessant sind, hier nicht Gegenstand der Betrachtung sind und daher nicht näher ausgeführt werden.
Die Vorstellung eines segmentierten Heiratsmarktes ist nicht neu, vgl. z.B. Winch (1958), Kerckhoff/Davis (1962) und Goode (1959, 1963). Allerdings wird die Segmentierung in den älteren Forschungsansätzen hauptsächlich unter dem Aspekt von Restriktionen, d.h. von Heiratsbarrieren zwischen einzelnen sozialen Gruppen diskutiert.
Wobei es hierbei deutliche bildungsspezifische Unterschiede gibt. Mit höherer Bildung besteht eine größere Tendenz zum `Ausprobieren’. Gleichfalls ist anzumerken, dass die Tendenz zum `Ausprobieren’ über die Geburtskohorten angestiegen ist. In der Geburtskohorte 1935 lagen die entsprechenden Zahlen für die Frauen noch bei 83 Prozent, für die Männer bei knapp 79 Prozent.
Bei einem eher gesamtschulartigen Bildungssystem hingegen werden Schüler - unabhängig von dem angestrebten Bildungsabschluß - in einer Einrichtung unterrichtet, so dass die Wahrscheinlichkeit von sozialen Kontakten zwischen den einzelnen Gruppen aus einer räumlichen Perspektive größer ist.
Für eine kritische Würdigung dieses Erklärungsansatzes in Hinblick auf die Herausbildung von Heiratsbeziehungen siehe Teckenberg (1991).
In den Arbeiten von Blau wird die Wirkungsweise von unterschiedlichen Gruppengrößen auf die Herausbildung von Heiratsbeziehungen vorwiegend an Merkmalen wie Konfessions-oder Rassenzugehörigkeit diskutiert, bei welchen annähernd von einer Gleichverteilung von Männern und Frauen ausgegangen werden kann.
Wenn hier explizit von Angebots-und nicht von Gelegenheitsstrukturen gesprochen wird, dann deshalb, weil Gelegenheitsstrukturen sich nicht nur auf rein strukturelle Randbedingungen beziehen, sondern ein umfassenderes Konzept der Vorstrukturierung von sozialen Kontaktchancen beinhalten. Eine explizite Überprüfung von Gelegenheitsstrukturen in diesem weitergehenden Sinne würde umfangreiche Informationen über die sozialen Kontaktnetze der einzelnen Personen voraussetzen (Pappi 1998), die in den hier vorliegenden Daten nicht zur Verfügung stehen.
Wobei man für die jüngere Generation annehmen könnte, dass bspw. über den Besuch von Bildungsinstitutionen mehr Kontaktmöglichkeiten entstehen, welche wiederum zu einem Abbau der sozialen Distanz zwischen nationalen Gruppen führen, so dass das Differenzierungskriterium `Nationalität’ für die Herausbildung sozialer Verkehrskreise in der jüngeren Generation an Bedeutung verlieren könnte.
„A social position (¡) is any difference among people in terms of which they make social distinctions among themselves in social intercourse“ (Blau 1994:3).
Die Überlegung, dass die in eine Interaktion eingebrachten Ressourcen hierarchisch angeordnet werden, ist auch in austauschtheoretischen Ansätzen enthalten (vgl. Edwards 1969, bzw. Kapitel 3.2).
Blau betont, dass potentielle Partner i.d.R. in manchen Merkmalen von dem gewünschten Idealtypus abweichen und daher Abstriche bei der Partnerwahl notwendig sind. Die Abstriche wiederum orientieren sich an der Bedeutung (bzw. Rangfolge), die den einzelnen Merkmalen zugewiesen wird. Auch Lazarsfeld/Merton (1954) betonen den Ranking-Prozeß: Je wichtiger ein Merkmal ist, um so mehr Wert scheint auf Ähnlichkeit in diesem Merkmal gelegt zu werden.
Eine analoge Umsetzung des Konzepts der sozialen Distanz in Bezug auf Heiratsmuster von Konfessionsgruppen findet sich z.B. bei Johnson (1980) sowie bei Hendrickx (1994), Hendrickx. (1991, 1994), in Bezug auf ethnischen Gruppen z.B. bei Alba/Golden (1986), Alba/Kessler (1979), Kalmijn (1993).
In Abschnitt 3.3.2.1 wurde in diesem Kontext von spezifischen Affinitäten zwischen einzelnen Gruppen gesprochen.
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Wirth, H. (2000). Die Partnerwahl in der modernen Gesellschaft: Erklärungsansätze. In: Bildung, Klassenlage und Partnerwahl. Forschung Soziologie, vol 105. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09421-0_3
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