Zusammenfassung
„Pädagogisches Handeln“ kann als ein Terminus genommen werden, der den epochalen Verlust fragloser Sicherheit in der Erziehung anzeigt. Er verweist auf ein Nachdenken innerhalb von Sinnzusammenhängen der Erziehung, das notwendig wird im Zuge der arbeitsteiligen Ausdifferenzierung spezifischer Rationalitäten und Problemstellungen der Moderne. Diese lassen das Erziehen zu einer befragungswürdigen und immer wieder aufs Neue bedenkenswerten kulturellen Aufgabe werden. Aufgegeben ist die „Umdrehung“ (Nohl 1949, S.127) objektiver gesellschaftlicher Zielvorgaben; denn die pädagogisch Handelnden müssen diese Ziele zunächst einmal verstehen, indem sie sich an der Entwicklung der Educandi orientieren. Der Terminus bezeichnet demnach dasjenige Erziehen, das, genötigt durch epochal entstandene Unsicherheit, sich fortwährend zu verständigen hat und seine Grenzen im Hinblick auf die Entwicklungsmöglichkeiten der Educandi selbst bedenkt. Der Terminus gilt mittlerweile als Ausgangspunkt handlungswissenschaftlicher Postulate der Erziehungswissenschaft (vgl. Wagner 1989, S.12) und schreibt sich in das Erziehen einer Gesellschaft im steten Wandel und in dynamischen Übergängen ein. Dabei handelt es sich um ein Erziehen, das sich in einem eigens hierzu profilierten, allerdings technologisch notwendigerweise defizitär bleibenden Wissen (vgl. Luhmann/Schorr 1979, S. 120) auf sich selbst bezieht, reproduziert und symbolisiert.
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Hörster, R. (2002). Pädagogisches Handeln. In: Krüger, HH., Helsper, W. (eds) Einführung in Grundbegriffe und Grundfragen der Erziehungswissenschaft. Einführungskurs Erziehungswissenschaft, vol 1. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-05653-9_3
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