Zusammenfassung
“Kommunikation” ist einer jener Begriffe, die ursprünglich in einem eng umrissenen wissenschaftlichen Feld entwickelt wurden und dort eine wohlbestimmte Bedeutung und damit auch Verwendungsregelung hatten. Relativ schnell wurde jedoch dieser Begriff auch in anderen Wissenschaften als nützlich erachtet, spezifische Problemzusammenhänge zu formulieren, mit dem Ergebnis, daß sich der Bedeutungshorizont entsprechend ausweitete. Der letzte Schritt in der Karriere einer “Leitformel”1 geschah Ende der sechziger Jahre, als “Kommunikation” aus den Wissenschaftsdiskursen hinaus in die politische und Alltagssprache diffundierte und damit nicht nur ein äußerst offenes Bedeutungsfeld erhielt, sondern zugleich in den politischen Meinungsstreit geriet. Damit wurde zugleich eine einzelwissenschaftliche Verwendung ungeheuer erschwert, da diese die alltagssprachliche offene Verwendung dieses Begriffs wieder auf einen begrenzten und geregelten Diskurs einengen mußte. Heute ist “Kommunikation” inzwischen politisch “wertfrei” — zum Grundbestand sowohl von Wissenschaftssprachen als auch von Alltagssprache geworden.2 In dieser Situation scheint es mir legitim zu sein, kurz an die Zeit polemisch-politischer Auseinandersetzungen um dieses Konzept zu erinnern, da erst vor diesem Hintergrund die Bedeutung seiner wissenschaftlichen “Rettung” durch D. Baacke richtig eingeschätzt werden kann.
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Referenzen
Zu dem Konzept einer Leitformel vgl. vom Verf.: “Zur Genese und Struktur pädagogischer Leitformeln”. Zeitschrift für erziehungswissenschaftliche Forschung 18 (1984) 4.
Selbst konservative Minister/innen sprechen inzwischen ohne Probleme davon, daß in der kulturellen Bildungsarbeit Kunst Mittel der Kommunikation sei. Daß mit dieser Einengung des Kunstverständnisses Probleme an anderer Stelle entstehen, sei hier nur angemerkt. 3
Vgl.: Sievers, N./Wagner, B. (Hg.): Blick zurück nach vorn. 20 Jahre Neue Kulturpolitik. Essen: Klartext 1994.
Beide Zitate stammen aus: H. Hofmann (Hg.): Perspektiven der kommunalen Kulturpolitik. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1974.
Wiedergegeben zusammen mit Stellungnahmen von O. Schwenke; H. Hoffmann und H. Glaser in den Kulturpolitischen Mitteilungen, Nr. 63, IV/1993.
In der Arbeit “Der achtzehnte Brumaire des Louis Napoleon”, Marx-Engels-Werke Bd. 8, S. 115.
Baacke: Kommunikation und Kompetenz — Grundlegung einer Didaktik der Kommunikation und ihrer Medien. München: Juventa 1974, S. 311 ff.
Kritisch mit den — in der Regel nicht reflektierten — gesellschaftstheoretischen Implikationen dieses heutigen Modebegriffs im kulturpolitischen Diskurs setze ich mich in meiner Arbeit “Jugend, Jugendkultur und Gesellschaft” RAT — Remscheider Arbeitshilfen und Texte. Remscheid 1992, 4.4., auseinander.
Ich verweise hier lediglich auf O. Haase: Musisches Leben, Darmstadt/Hannover 1951, und G. Götsch: Musische Bildung — Zeugnisse eines Weges. Wolfenbüttel 1953/56. Dieser Tenor kommt auch deutlich in den bislang unveröffentlichten Denkschriften und Memoranden zum Ausdruck, die der Gründung der Musischen Bildungsstätte in Remscheid Anfang der fünfziger Jahre vorangingen.
Und ist eine starke Motivation zur Ausarbeitung immer neuer Ästhetikkonzeptionen, in denen versucht wird, Individualität und gesellschaftlicher Zusammenhang bzw. empirisch Einzelnes und allgemeines Gesetz widerspruchsfrei denken zu können. Die gesellschaftlichen Bezüge dieser Unternehmungen diskutiert scharfsinnig T. Eagleton: Ästhetik. Die Geschichte ihrer Ideologie. Stuttgart/Weimar: Metzler 1994.
“Wege zur menschlichen Stadt”. In: Deutscher Städtetag (Hg.): Stadt und Kultur. Stuttgart usw.: Kohlhammer 1986
Vgl. hierzu die kritischen Analysen zu den aktuellen Zustandsbeschreibungen von A. Honeth: Desintegration. Bruchstücke einer soziologischen Zeitdiagnose. Frankfurt/M.: Fischer 1994.
Vgl. vom Verf.: Kultur lernen. Eine Einführung in die Allgemeine Kulturpädagogik. Schriftenreihe BKJ. Remscheid 1994, Kap. 6.
Armbruster, B./Baacke, D./Kübler, H.-D./Stoferds, M.: Neue Medien und Jugendhilfe. Analysen — Leitlinien — Maßnahmen. Neuwied: Luchterhand 1984, S. 105 f.
Die Diskussion hat natürlich bereits begonnen. Ein Beispiel dafür ist etwa die von D. Baacke betreute Dissertation von W. Sting: Wildwuchs und Vielfalt. Kulturpädagogische Arbeit in Metropolen. Essen: Klartext 1993, die postmoderne Zustandsbeschreibungen mit emanzipatorischen Ansprüchen versöhnen will.
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© 1995 Leske + Budrich, Opladen
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Fuchs, M. (1995). Kommunikative Kompetenz und Kulturelle Bildung. In: Lauffer, J., Volkmer, I. (eds) Kommunikative Kompetenz in einer sich verändernden Medienwelt. Schriftenreihe der Gesellschaft für Medien und Kommunikationskultur in der Bundesrepublik e.V., vol 9. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01404-1_3
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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Online ISBN: 978-3-663-01404-1
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