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Die Frage der Wertfreiheit und die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

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Hundert Jahre „Gemeinschaft und Gesellschaft“

Zusammenfassung

Als die „Deutsche Gesellschaft für Soziologie“ (DGS) Ende 1909 ihre endgültige Form erhielt, kam plötzlich besondere Bedeutung dem sogenannten Aspekt Wertfreiheit zu. Folgerichtig wurde er im § 1 der Satzung verankert: „Sie [i.e. DGS; O.R.] gibt allen wissenschaftlichen Richtungen und Methoden der Soziologie gleichmäßig Raum und lehnt die Vertretung irgendwelcher praktischen (ethischen, religiösen, politischen, ästhetischen usw.) Ziele ab“ (Soziologentag, 1910, S.V); folgerichtig stellte Ferdinand Tönnies als Vorsitzender der DGS den Aspekt Werturteilsfreiheit als Zentrum in seine Eröffnung des ersten Soziologentages (Ferdinand Tönnies, 1911, S. 19 ff.); folgerichtig ging schließlich Max Weber in seinem Geschäftsbericht bei dieser Veranstaltung auf die Werturteilsfrage — mit erhobenem Zeigefinger — ein (Soziologentag, 1910, S. 38f.). — Und als die DGS Ende 1933 gemäß dem vom Nationalsozialismus präferierten „Führungsprinzip“ umorganisiert wurde, da verwies der abgeschobene Präsident der DGS, Ferdinand Tönnies, noch einmal auf das Prinzip der Wertfreiheit — nun als Grenze zur aufkommenden NS-orientierten Soziologie und deren Organisation.3

Das Referat, das in einer kürzeren Fassung unter dem Titel „Wertfreiheit und die Konstitution der Soziologie in Deutschland“ 1988 erschien, fußt auf Materialien, die in einem von der Stiftung Volkswagenwerk ermöglichten Projekt zu Simmels Kontext in den 90er Jahren ermittelt wurden. Die Ergebnisse dieses Projektes wurden von mir, in Zusammenarbeit mit Heinz-Jürgen Dahme und Klaus Christian Köhnke, in einem Manuskript zusammengefaßt, das unter dem Titel „Die Herausbildung der Soziologien im Deutschland des 19. Jahrhunderts“ 1990 als Buch veröffentlicht wird.

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Literatur

  1. Die Studie verfolgt nicht die methodologischen Aspekte der „Werturteilsfreiheit“. Verwiesen sei bei dieser Frage auf Albert/Topitsch (1979), Beck (1974) oder Schluchter (1980).

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  2. Die von Tönnies vorbereitete Erklärung ist mit dem 27. Dezember 1933 datiert und lautet (Ferdinand Tönnies, o.J.: Tönnies-Nachlaß in der schleswig-holsteinischen Landesbibliothek zu Kiel): Hiermit übertrage ich gemäß Vorschrift der Satzung in der Mitglieder-Versammlung die Rechte und Obliegenheiten des Präsidiums an den rechtmäßig erwählten Nachfolger Herrn Geheimrat Prof. Dr. Sombart. Mit meinem Danke für das mir bisher geschenkte Vertrauen verbinde ich die Zuversicht, daß die Gesellschaft in gleichem Geiste wie bisher sich betätigen werde, nämlich im Geiste einer strengen und ausschließenden Wissenschaftlichkeit gemäß dem bei ihrer Begründung deutlich ausgesprochenen Willen, gemäß der Erneuerung dieses Willens nach Unterbrechung ihrer Tätigkeit und ihrer Neubegründung, endlich gemäß aller bisherigen Praxis besonders bei Gelegenheit der Soziologentage. Ich habe im Jahre 1910 dem vorzugsweise von den Herren Max Weber und Sombart ausgesprochenen Grundsatz des Ausschlusses von Werturteilen aus unserer Wissenschaft mit der ausdrücklichen Deutung mich angeschlossen, daß ich ohne eine Entscheidung der Frage in Anspruch zu nehmen, ob auf diesem Gebiete praktische Theorien wissenschaftlich möglich seien, insbesondere als Ethik und Politik, daß wir jedenfalls diese vom Bereiche unserer Tätigkeit ausschließen wollten. Dieser Richtlinie gemäß habe ich mich zu verhalten für verpflichtet erachtet und hege das Vertrauen, daß sie ferner eingehalten werde. Jede Vermischung halte ich für verderblich und durfte mich überzeugt halten, daß dieses auch die weit überwiegende Meinung in der gesamten Mitgliedschaft gewesen ist. Demgemäß berühte mich keine Veränderung der Staatsregierung auch nicht der Staatsform, in meiner Eigenschaft als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Auch als einfaches Mitglied werde ich von nun an diesen Grundsatz mit aller Entschiedenheit vertreten.“ Diese Erklärung macht nicht nur deutlich, wie Tönnies mittels des Hinweises auf die Wertfreiheit versucht, die in der Weimarer Zeit vorherrschende Auffassung von Soziologie zu retten, sondern zugleich, daß er von den Drahtziehern in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie nicht mehr informiert worden ist über die Anpassungswilligkeit an die unterstellten Wünsche des NS-Regimes; denn Sombart war nur im Herbst 1933 als Nachfolger möglich erschienen, nun, Ende Dezember wird Hans Freyer der Führer der DGS. Vgl. Otthein Rammstedt (1986, S. 15 ff.), Dirk Käsler (1984, S. 50 ff.), Eduard Georg Jacoby (1971, S. 249 ff.).

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  3. Daß die Wertfreiheitsdiskussion auf der Wiener Tagung des „Vereins für Socialpolitik“ von 1909 zu scharfen Fronten und Lagern führte, wird zugleich als Anlaß für die Gründung der DGS immer wieder genannt. Übersehen wird dabei, daß die DGS am 3.1.1909 — also vor jener Tagung des VfSoPo — in Berlin gegründet wurde und ihre — vorläufige? — Satzung keinen indirekten Hinweis auf die Wertfreiheitsdiskussion enthielt (N.N., 1909). — Erst im Herbst 1909, auf einer Sitzung dr DGS in Leipzig, wurde die Wertfreiheitspassage in die Satzung aufgenommen (vgl. N.N., 1910). Vgl. auch Sonngrit Fürter (1889, S. 46 ff.).

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Lars Clausen Carsten Schlüter

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© 1991 Leske + Budrich, Opladen

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Rammstedt, O. (1991). Die Frage der Wertfreiheit und die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. In: Clausen, L., Schlüter, C. (eds) Hundert Jahre „Gemeinschaft und Gesellschaft“. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01367-9_31

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-01367-9_31

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-663-01368-6

  • Online ISBN: 978-3-663-01367-9

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