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„Der Wesenwille selbst ist künstlerischer Geist“ Ferdinand Tönnies’ Genie-Begriff und seine Bedeutung für den Übergang von der Gemeinschaft zur Gesellschaft

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Hundert Jahre „Gemeinschaft und Gesellschaft“

Zusammenfassung

Die heute dominierende Vorstellung vom Genie als „angeborene und unübertragbare Schöpferkraft“ (Arnold Hauser, 1958, S. 348) hat ihre Wurzeln in der Renaissance, in der ein reflexives Besinnen des Individuums auf die eigene Individualität eingeleitet wurde, die zur Entwicklung eines neuen Persönlichkeitsideals führte, das in der berüchtigten ‚Geniezeit‘ einen zweifelhaften Höhepunkt hatte. Die Auffassung des Genies als genio natio (K. Sacherl, 1957, S.46) verbunden mit dem Pathos des Schöpferischen gab die Möglichkeit, die den Ideenkosmos nunmehr nur mangelhaft abbildende phänomenale Natur zu substituieren zugunsten der Autonomie eines Schöpfers, der, ohne Studium, in direkter Schau zwar nicht seinsoriginäre aber ontologisch vorrangige Produktionen erzeugen konnte (dazu R. Warning, 1974).

„Vieles Gewaltige lebt, doch nichts ist gewaltiger als der Mensch“

Sophokles

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Literatur

  1. Siehe dazu auch Cornelius Bickel: „Es gibt zwei Grundmotive der Freiheit bei Tönnies: Die Freiheit durch Selbstzweck (als Prinzip des praktisch-handwerklichen Handelns und des künstlerischen-philosophischen Denkens) und die Freiheit durch Zweckrationalität, die das gewachsene Band zwischen Zweck und Mittel auflöst“ (Cornelius Bickel, 1987, S.102, vgl. auch S. 116, S.141), beachte dazu auch die Dissertation von Martin Burmeister (1937).

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  2. „Dies bewußte ethische Denken nähert den so Gebildeten wiederum dem Volke, lehrt ihn Selbsterkenntnis und dadurch heilsame Einkehr in sich selber — ... —, die zugleich eine heimatliche Berührung mit der Überlieferung und dem gemeinschaftlichen Geiste bedeutet, worin der Einzelne, gerade der Hervorragende, mit seinem ganzen ökonomischen, leiblichen und geistigen Leben wurzelt“ (Ferdinand Tönnies, 1897g, S. 96). — Hier weist Tönnies auch den Weg, soziale Stabilität zu gewährleisten und die diagnostizierte Kulturentwicklung nicht als ausschließlichen Isolierungs- und Egoisierungsprozeß verstehen zu müssen. Dazu bedarf es jedoch der geistigen Leitung, damit die „weichen Gefühle“ sicht nicht da „geltend machen, wo sie nicht am Platz sind, daß sie gleichsam heimatlos umherirren und sich niederlassen, wo sie den geringsten Widerstand finden — wo sie daher auch am wenigsten die thatsächlichen Verhältnisse des sozialen Lebens zu modifizieren, zu bessern vermögen, hingegen oft schädlicher wirken als eine selbst übermäßige Strenge“, so „daß auch Gebildete und Gelehrte gar oft im sozialen und politischen Denken mit schalen und dürftigen Begriffen sich zufrieden geben“ (Ferdinand Tönnies, 1897g, S. 94 f.). Indem „edlere Charaktere auch in der Art des Denkens sich ausprägen“ (Ferdinand Tönnies, 1897g, S. 95), wird die Humanität ihm eine logische und ästhetische Notwendigkeit. Inwieweit die intellektuelle und sittliche Anspruchslosigkeit jedoch noch den Gebrauch der „Werkzeuge des Denkens“ (Ferdinand Tönnies, 1897g, S. 95) erfahren können — eine Hoffnung, die Tönnies nicht aufgab —, bleibt unter den Bedingungen des Zynismus sehr zweifelhaft. Den oft an Tönnies gerichteten, PessimismusVorwurf setzt seine GenieKonzeption jedoch durchaus Widerstand entgegen. Dies impliziert auch seine Rechtfertigung gegenüber Höffding: „Ich wiederhole: es liegt durchaus in meinem Sinne, geltend zu machen: daß ein freier Zusammenschluß, zu gegenwärtiger, wie an jeder Zeit, auch wahre und vollkommene Gemeinschaft, ja die höchste Form der Gemeinschaft, begründen könne — wenn die Gemüter gehörig dazu beschaffen, und mit Anspannung der Kräfte darauf gerichtet sind. Dies ist eine Art von Zeugungsact — wie das künstlerische Schaffen. So wie noch gute und wahre Ehen geschlossen werden, so mögen eines Tages auch gute und wahre Gemeinden hervorgebracht werden“ (Ferdinand Tönnies /Harald Höffding, 1989, S. 40).

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Lars Clausen Carsten Schlüter

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© 1991 Leske + Budrich, Opladen

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Fechner, R. (1991). „Der Wesenwille selbst ist künstlerischer Geist“ Ferdinand Tönnies’ Genie-Begriff und seine Bedeutung für den Übergang von der Gemeinschaft zur Gesellschaft. In: Clausen, L., Schlüter, C. (eds) Hundert Jahre „Gemeinschaft und Gesellschaft“. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01367-9_22

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-01367-9_22

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-663-01368-6

  • Online ISBN: 978-3-663-01367-9

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