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Jenseits des Menschen – Vegetal Poetics oder Schreiben im Anthropozän. Shapcott, Wagner, Egger, Poschmann

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Blütenlesen. Poetiken des Vegetabilen in der Gegenwartslyrik

Part of the book series: Kontemporär. Schriften zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur ((KSDG,volume 16))

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Zusammenfassung

Will man Ovid Glauben schenken, dann beginnt die Dichtung mit einer Pflanze: Ist es doch ein Lorbeerbaum, in den sich die vor dem zudringlichen Apollon flüchtende Daphne verwandelt und der somit in den Metamorphosen die Geburt und den Anfang aller künstlerischen Leistung markiert. Denn da dem erotisch angestachelten Gott die Geliebte entgeht und unter der harten Rinde ihrer pflanzlichen Gestalt nicht mehr greifbar ist, wird Apollon die Dichtung zum Surrogat des Lebendigen, zum kompensatorischen Tröster angesichts der unmöglichen Vereinigung von Pflanze und Mensch und der an der Lyra getragene Lorbeerzweig zum Memorandum dieses verpassten Naturzugriffs:

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Notes

  1. 1.

    Ovid: Metamorphosen, 1, 553–559; hier zitiert nach Übersetzung von Reinhart Suchier. Ovid: Metamorphosen. Berliner Ausgabe. Berlin 2015, 29–30.

  2. 2.

    Vgl.: „Was sind das für Zeiten, wo / Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist / Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!“ Bertolt Brecht: „An die Nachgeborenen“. In: Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe. Hg. von Werner Hecht/Jan Knopf/Werner Mittenzwei u. a. 30 Bde., Berlin u. a. 1988–2000, Bd. 12, 85–87, hier 85.

  3. 3.

    Emanuele Coccia bezeichnet diese Entwicklung als „antispezifische[n] Animalismus“, der im Grunde „nur ein Anthropozentrismus unter Einbeziehung des Darwinismus“ sei, indem er „den menschlichen Narzissmus auf das Tierreich ausgedehnt“ habe. Emanuele Coccia: Die Wurzeln der Welt. Eine Philosophie der Pflanzen. München 2018, 16.

  4. 4.

    Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH): Die Würde der Kreatur bei Pflanzen. Die moralische Berücksichtigung von Pflanzen um ihrer selbst willen. Bern 2008 (Hervorh. S.K.).

  5. 5.

    Vgl. hierzu auch: „More often than not, we overlook trees, bushes, shrubs, and flowers in our everyday dealings, to the extent that these plants form the inconspicuous backdrop of our lives – especially within the context of ‘urban landscaping’ – much like the melodies and songs that unobtrusively create the desired ambience in cafes and restaurants.“ Michael Marder: Plant-Thinking. A philosophy of vegetal life. New York 2013, 3–4.

  6. 6.

    Der Terminus wird geprägt von Elisabeth E. Schussler/James H. Wandersee: „Preventing plant blindness“. In: The American Biology Teacher 61 (1999), 82–86. Vgl. hierzu auch Joela Jacobs und Isabel Kranz, die noch 2017 konstatieren: „Pflanzen sind der blinde Fleck der Literatur- und Kulturwissenschaften.“ „Einleitung. Das literarische Leben der Pflanzen: Poetiken des Botanischen“. In: Literatur für Leser 2 (2017), 85–90, hier 85.

  7. 7.

    Marder: Plant-Thinking (wie Anm. 5), 2.

  8. 8.

    Stefano Mancuso: Pflanzenrevolution: Wie die Pflanzen unsere Zukunft erfinden. München 2018, 8.

  9. 9.

    Coccia: Die Wurzeln der Welt (wie Anm. 3), 20.

  10. 10.

    Vgl. den „State of the World’s Plants and Fungi“-Report der Kew Royal Botanical Gardens aus dem Jahr 2020, 11. Die Broschüre kann eingesehen und heruntergeladen werden unter: https://www.kew.org/sites/default/files/2020-10/State%20of%20the%20Worlds%20Plants%20and%20Fungi%202020.pdf (03.10.2022).

  11. 11.

    Ebd., 2.

  12. 12.

    Das Buch wurde 2020 sogar für das Kino verfilmt.

  13. 13.

    Zahlreiche renommierte bildende Künstler:innen haben sich innerhalb der vergangenen Jahre mit Pflanzen auseinandergesetzt, z. B. Herman de Vries, Katrin Petroschkat, Simon Starling, Berlinde de Bruyckere, Robert Voit, Katherine Gray, Ilkka Halso, Magdalena Zamorska, Volker Kreidler, Lois Weinberger, Wolfgang Tilmans, Anna Ridler, Dale Chihuly, Marc Quinn, Ebony G. Patterson und Diana Scherer. Ebenso häufen sich die Ausstellungen großer Museen zum Thema. Vgl. hierzu auch: [o.A.]: „Why Are Artists So Obsessed with Plants?“ In: Sleek Magazine (21.9.2016): https://www.sleek-mag.com/article/plants-art/ (3.10.2022) und Giovanni Aloi: „Plant-Thinking: Contemporary Art Revolutions“. In: Ders. (Hg): Botanical Speculations: Plants in Contemporary Art. Cambridge 2018, 1–18.

  14. 14.

    Evi Zemanek: „Durch die Blume. Das florale Rollengedicht als Medium einer biozentrischen Poetik in Silke Scheuermanns ‚Skizze vom Gras‘ (2014)“. In: Zeitschrift für Germanistik XXVIII/2 (2018), 290–309, hier 290. Inzwischen werden Pflanzen all die hier genannten Attribute wissenschaftlich zugesprochen. Vgl. z. B. Stefano Mancuso/Alessandra Viola: Die Intelligenz der Pflanzen. München 2015.

  15. 15.

    So gestaltet z. B. das Modehaus Breuninger unter dem Motto „Im Einklang mit der Natur“ (vgl. Breuninger Magazin [Frühling 2022], 3) sein vierteljährlich erscheinendes Magazin seit 2020 fast ausschließlich mit Abbildungen namhafter Fotografen von Pflanzen bzw. Pflanzenarrangements, in die die beworbenen Kleidungsstücke scheinbar ‚natürlich‘ integriert werden.

  16. 16.

    Giovanni Aloi: „editorial“. In: Antennae: The Journal of Nature in Visual Culture 51 (2020): Vegetal Entanglements, 10–11, hier 11.

  17. 17.

    Vgl. hierzu den Band von: Khadija von Zinnenburg Carroll (Hg.): Botanical Drift: Protagonists of the Invasive Herbarium. Berlin 2017.

  18. 18.

    Die bekannteste Reihe desselben Namens wurde 2013 von Michael Marder bei Brill begonnen und wird vom Verlag bis heute weitergeführt. https://brill.com/view/serial/CPST (3.10.2022).

  19. 19.

    https://plants.arizona.edu/ (3.10.2022).

  20. 20.

    Vgl. hierzu Vieira, Gagliano und Ryan, die von einem generellen „shift from plants-as-lifeless-objects to plants-as-living-agents“ sprechen. Patrícia Vieira/Monica Gagliano/John Ryan: „Introduction”. In: Dies. (Hg.): The Green Thread. Dialogues with the Vegetal World. Lanham 2016, vii-xxxiv, hier xxi.

  21. 21.

    Das Interview findet sich auf den Seiten der University of Arizona: ‚Botanical Relations‘ Exhibit & Lecture Focus on Affinity Between People & Plants: https://humanities.arizona.edu/news/%E2%80%98botanical-relations%E2%80%99-exhibit-lecture-focus-affinity-between-people-plants (3.10.2022).

  22. 22.

    Ebd.

  23. 23.

    Hervorh. S.K. Zu diesem Thema siehe unter anderem Carolyn Fry/Kathy Willis: Plants: From Roots to Riches. London 2014.

  24. 24.

    Coccia: Die Wurzeln der Welt (wie Anm. 3), 20.

  25. 25.

    University of Arizona: ‚Botanical Relations‘ (wie Anm. 21). Inwieweit man diesen Gedanken folgen möchte, die die Pflanzen nicht nur aus der ihnen traditionell zugewiesenen Opferrolle lösen, sondern sie sogar in einer radikalen Umkehrung der Machtverhältnisse als Täter darstellen („plants colonize us“), soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden.

  26. 26.

    Vgl. hierzu z. B. Evi Zemanek: „Ein Teil der Naturlyrik des 21. Jahrhunderts setzt die in der Öko-Lyrik begonnene Inventur anthropogener ökologischer Probleme […] fort, dekonstruiert jedoch die Subjekt-Objekt- bzw. Täter-Opfer-Beziehung ebenso wir die Natur-Kultur-Dichotomie und versucht, die ‚Natur‘ des Menschen und die Wirk- bzw. Handlungsmacht der Natur in hybriden naturecultures neu zu bestimmen.“ Zemanek: „Durch die Blume“ (wie Anm. 14), 293.

  27. 27.

    Jo Shapcott: „Rosa nitida“. In: Tender Taxes. London 2001, 63.

  28. 28.

    Rainer Maria Rilke: „ROSE, du thronende“ (Die Sonette an Orpheus, II.6). In: Werke. Kommentierte Ausgabe in 4 Bänden. Hg. von Manfred Engel/Ulrich Fülleborn/Horst Nalewski u. a. Frankfurt a. M. u. a. 1996, Bd. 1, 259–260.

  29. 29.

    Z.B. in Silke Scheuermann: Skizze vom Gras. Frankfurt a. M. 2014.

  30. 30.

    Zemanek: „Durch die Blume“ (wie Anm. 14), 305 (Hervorh. im Orig.).

  31. 31.

    Sehr bedenkenswerte Ideen zur Umsetzung einer solchen zugleich lyrischen und ‚pflanzlichen‘ Schreibweise hat z. B. John Ryan entwickelt in seiner Studie: „Poetry as Plant Script: Interspecies Dialogue and Poetic Collaboration in the Northern Tablelands Region of New South Wales“. In: Transformations 30 (2017), 127–149.

  32. 32.

    Vgl. den Beitrag von Claudia Hildebrandt in diesem Band.

  33. 33.

    Frieder von Ammon: „Ohrwurm mit Ziegenfuß. ‚giersch‘ als ‚Smash Hit‘ der Gegenwartslyrik“. In: Christoph Jürgensen/Sonja Klimek (Hg.): Gedichte von Jan Wagner. Interpretationen. Münster 2017, 211–227.

  34. 34.

    Vgl. hierzu auch das Kunstprojekt „Ununkraut“ der deutschen Künstlerin Katrin Petroschkat: https://ununkraut.net/ (3.10.2022).

  35. 35.

    Wobei die Blätter des Giersch nicht nur essbar, sondern auch in roher wie gekochter Form sehr schmackhaft sind.

  36. 36.

    Jan Wagner: „giersch“. In: Regentonnenvariationen. Gedichte. Berlin 2014, 7.

  37. 37.

    Oswald Egger: „Herde der Rede I“. In: Herde der Rede. Poem. Frankfurt a. M. 1999, 11.

  38. 38.

    Vgl. ihre Studie zu Eggers Texten in diesem Band.

  39. 39.

    Oswald Egger: „‚Wie ich eines meiner Bücher herausgeben werde‘ (Dossier zu Stand und Wesen einer Fundlandschaft)“. In: Der Prokurist 8 (1991), 129–143, hier 132.

  40. 40.

    Marder: Plant-Thinking (wie Anm. 5), 10.

  41. 41.

    Vgl. hierzu insbesondere den Band Oswald Eggers: Entweder ich habe die Fahrt am Mississippi nur geträumt, oder ich träume jetzt. Berlin 2021.

  42. 42.

    Vgl. insbesondere den Zyklus „Trugbilder: Herbarium“ (In: Geistersehen. Gedichte. Berlin 2010, 53–68); die Gedichtbände Grund zu Schafen (Frankfurt a. M. 2004) und Nimbus (Berlin 2020) sowie den Prosatext Laubwerk (Berlin 2021).

  43. 43.

    Poschmann: Laubwerk (wie Anm. 42), 44–45.

  44. 44.

    „Und hegte Schnee in meinen warmen Händen“. In: Poschmann: Nimbus (wie Anm. 42), 9.

  45. 45.

    „Farnfraktal“. In: Poschmann: Nimbus (wie Anm. 42), 53.

  46. 46.

    Jo Shapcott: „My Oak“. In: Of Mutability. London 2010, 40 (Hervorh. S.K.).

  47. 47.

    Jan Wagner: „Rettich“. In: Die Live Butterfly Show. München 2018, 8.

  48. 48.

    Es ist bezeichnend, dass hier Apollon gewählt wird, der – wie gezeigt – nicht nur für die Dichtung, sondern auch für die unüberbrückbare Kluft zwischen pflanzlicher Natur und Mensch steht.

  49. 49.

    Rosi Braidotti: Posthumanismus. Leben jenseits des Menschen [engl. 2013]. Frankfurt a. M. 2014, 71 (Hervorh. S.K.).

  50. 50.

    Vgl. hierzu auch Lorella Bosco: „,De rerum natura’: Fortschreibungsmodi des Lehrgedichts in der deutschsprachigen Naturlyrik der Gegenwart“. In: Internationale Zeitschrift für Kulturkomparatistik 4 (2001): Natur in Transition: Europäische Lyrik nach 1945, 79–110.

  51. 51.

    Vgl. hierzu u. a. ebd., 9.

  52. 52.

    Coccia: Die Wurzeln der Welt (wie Anm. 3), 18.

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Klein, S. (2023). Jenseits des Menschen – Vegetal Poetics oder Schreiben im Anthropozän. Shapcott, Wagner, Egger, Poschmann. In: Al-Taie, Y., Dueck, E. (eds) Blütenlesen. Poetiken des Vegetabilen in der Gegenwartslyrik. Kontemporär. Schriften zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, vol 16. J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-67708-7_2

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  • Publisher Name: J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg

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