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Die Konstitutionalisierung der EU-Grundrechte. Das österreichische Beispiel

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Der Schutz des Individuums durch das Recht

Zusammenfassung

Verfassungsgerichte stehen immer öfter vor der Frage, ob sie EU-Grundrechte als oder wie nationale Grundrechte behandeln sollen. Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat sich vor mehr als zehn Jahren dafür entschieden, doch entgegen manchen Erwartungen hat das bisher weder den Schutz der EU-Grundrechte noch die Stellung des VfGH wesentlich gestärkt.

Univ.-Prof. Dr. Franz Merli, Universität Wien.

Für Hilfe bei den Recherchen danke ich Stefanie Bermesser, Maximilian Blaßnig und Rosa Mayerl.

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Notes

  1. 1.

    BVerfGE 152, 152; 152, 216. Einen Vergleich bieten Bohnert et al. (2020).

  2. 2.

    Sammlung der Entscheidungen und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg) 19.632/2012, S. 220. In Österreich heißt es (für bestimmte Gerichtsentscheidungen) „das“ Erkenntnis.

  3. 3.

    Z. B. VfSlg 15.753/2000, 15.810/2000.

  4. 4.

    Z. B. Brenn (2012); Funk (2012); Gamper (2012); Mayr (2012); Merli (2012); Müller R. (2012), Pöschl (2012); Schmaus (2012); Potacs (2013); aus späterer Perspektive Müller A. Th. (2015); Kieber und Klaushofer (2017); Balthasar (2018); Lachmayer (2021). Zu weiterer Literatur und internationalen Reaktionen John (2020), S. 5 ff.

  5. 5.

    Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I 2008/4.

  6. 6.

    Art. II Z. 7 Bundes-Verfassungsgesetz- (B-VG-)Novelle BGBl. 1964/59.

  7. 7.

    Unter anderen VfGH, Erkenntnisse v. 13.03.2013, U 1175/12; 21.02.2014, U 152/2013; 06.06.2014, U 12/2013; 22.09.2014, U 2529/2013; 19.11.2015, E 2108/2015; 10.06.2016, E 2108/2015; 24.11.2016, E 1079/2016; 26.02.2018, E 3296/2017; 24.09.2018, E 3106/2018; 26.06.2019, E 1592/2019; 22.09.2020, E 1453/2020; 08.06.2021, E 4123/2020; 29.11.2021, E 3127/2021; 17.03.2022, E 4359/2021; 17.03.2022, E 4490/2021.

  8. 8.

    § 41 Abs. 7 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005), BGBl. I 2005/100 in der Fassung BGBl. I 2008/4; heute § 21 Abs. 7 Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl. I 2012/87.

  9. 9.

    VfSlg 19.632/2012, S. 229.

  10. 10.

    Z. B. VfSlg 19.759/2013, 19.764/2013, 19.789/2013, 20.321/2019; VfGH, Erkenntnisse v. 08.06.2021, E 4123/2020; 29.11.2021, E 3127/2021; 17.03.2022, E 4359/2021; 17.03.2022, E 4490/2021.

  11. 11.

    VfSlg 19.845/2014.

  12. 12.

    VfSlg 19.790/2013.

  13. 13.

    VfSlg 19.996/2015; primär ging es um Art. 6 EMRK.

  14. 14.

    VfSlg 20.064/2016. Hier stützte der VfGH die Aufhebung der gesetzlichen Bestimmung auf eine Verletzung des Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und fuhr fort (S. 520): „Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob die angefochtene Wortfolge […] auch gegen Art. 47 Abs. 3 GRC verstößt.“

  15. 15.

    VfSlg 20.098/2016. Der VfGH stellte fest, das sein Auslegungsergebnis Art. 47 GRC nicht widerspreche.

  16. 16.

    VfSlg 19.773/2013: Der VfGH prüfte nur eine Verletzung von Art. 6 EMRK; VfGH, Erkenntnis v. 03.03.2021, E 4041/2020: Prüfung unter einem mit Art. 6 EMRK.

  17. 17.

    VfSlg 19.909/2017: Prüfung nur am Maßstab von Art. 6 EMRK.

  18. 18.

    VfSlg 20.409/2020.

  19. 19.

    VfSlg 19.632/2012, S. 221.

  20. 20.

    VfGH, Erkenntnis v. 24.06.2021, V 87/2021.

  21. 21.

    VfSlg 19.892/2014.

  22. 22.

    VfSlg 19.909/2014, 19.749/2013, 20.201/2017; gesondert für Art. 15 GRC VfSlg 20.121/2016, für die Dienstleistungsfreiheit des Art. 15 Abs. 2 GRC VfSlg 20.281/2018; für Art. 16 GRC VfSlg 19.950/2015, 20.151/2017, 20.202/2017.

  23. 23.

    U.a. VfSlg 20.000/2015, 20.202/2017, 20.250/2018.

  24. 24.

    VfSlg 20.289/2018.

  25. 25.

    VfSlg 19.865/2014 (zu Abs. 1); VfSlg 19.955/2015 (zu Abs. 1 und 2).

  26. 26.

    VfSlg 20.151/2016.

  27. 27.

    VfSlg 20.409/2020; VfGH, Erkenntnis v. 23.06.2021, G 328/2020.

  28. 28.

    VfSlg 19.632/2012, S. 223.

  29. 29.

    Manchmal wird der Satz etwas variiert, so in VfSlg 19.909/2014, S. 368, und 20.202/2017, S. 388: „dass dann, wenn ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht […] den gleichen Anwendungsbereich wie ein Recht der Grundrechte-Charta hat, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in der Regel auf Grund der österreichischen Verfassungslage erfolgt; VfSlg 19.892/2017, S, 855: „wenn (das österreichische oder EMRK-Recht] den gleichen Anwendungsbereich wie das Recht der GRC hat […] und wenn die Grenzen für zulässige Eingriffe des Gesetzgebers in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten enger oder wenigstens nicht weiter gezogen sind als in den korrespondierenden Rechten der GRC“ (Hervorhebungen durch den Verfasser).

  30. 30.

    Z. B. VfSlg 20.000/2015; 20.064/2016.

  31. 31.

    Vgl z. B. VfSlg 20.121/2016, S. 919: „Wie […] dargestellt, teilt der Verfassungsgerichtshof die vom Verwaltungsgerichtshof und vom Bundesfinanzgericht ausgeführten gleichheitsrechtlichen Bedenken nicht. Da der Verwaltungsgerichtshof und das Bundesfinanzgericht ihre Bedenken im Lichte des Art. 6 StGG und des Art. 15 GRC ausschließlich ‚mit dem Ergebnis‘ der gleichheitsrechtlichen Beurteilung der angefochtenen Bestimmung begründen, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf diese Bedenken.“ VfSlg 20.151/2017, S. 303: „Hinsichtlich der Bedenken der antragstellenden Gesellschaft im Hinblick auf die Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art. 5 StGG, Art. 1 1. ZPEMRK und Art. 17 GRC […] ist – einen Eingriff vorausgesetzt – auf das zur Erwerbsausübungsfreiheit Gesagte zu verweisen.“ VfSlg 20.281/2018, S. 214: „Ungeachtet der Frage, ob in den angefochtenen Regelungen überhaupt eine ‚Durchführung des Rechts der Europäischen Union‘ (Art. 51 Abs. 1 GRC) gesehen werden kann, liegt der vom Verwaltungsgericht Wien behauptete Verstoß der angefochtenen Bestimmungen gegen Art. 15 Abs. 2 und Art. 16 GRC ebenfalls nicht vor. Dabei kann sinngemäß auf die Ausführungen zur Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art. 6 StGG verwiesen werden […].“ VfSlg 20.289/2018, S. 397: „(I)m vorliegenden Fall [ist] schon aus den soeben genannten Gründen [der Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgebot der Bundesverfassung] auch kein Verstoß gegen Art. 20 GRC zu erkennen.“ VfGH, Erkenntnis v. 23.06.2021, G 368/2020, Punkt 2.2.5. (nach Prüfung anhand von Art. 7 Abs. 1 EMRK): „Diese Überlegungen gelten gleichermaßen zur Reichweite von Art. 49 Abs. 1 GRC.“ VfSlg 19.909/2014, S. 368: „Eine Beurteilung der angefochtenen Vertretungsregelung nach Art. 15 und 16 GRC führte auf Grund des gleichen Schutzumfanges der genannten Rechte zu keinem anderen Ergebnis [als jene im Hinblick auf die Erwerbsfreiheit].“ Sinngemäß gleich VfSlg 20.201/2017; ähnlich, aber auch unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH, VfSlg 19.749/2013 und 19.72/2015.

  32. 32.

    Z. B. VfSlg 20.151/2017, 20.202/2017: Freiheit der Erwerbsbetätigung nach Art. 6 StGG und die unternehmerische Freiheit nach Art. 16 GRC; 20202/2017: Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art. 5 StGG, Art. 1 1. ZPEMRK und Art. 17 GRC; VfSlg 20.409/2020: Art. 7 Abs. 1 EMRK und Art. 49 Abs. 1 GRC; VfGH, Erkenntnis v. 03.03.2021, E 4041/2020: Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC.

  33. 33.

    Z. B. VfSlg 20.129/2016 und VfGH, Beschluss vom 30.09.2020, G 152/2020: Art. 7 GRC neben Art. 8 EMRK.

  34. 34.

    Z. B. VfSlg 19.865/2014 zum Diskriminierungsschutz durch Art. 21 Abs. 1 GRC und Art. 14 EMRK; VfSlg 20.202/2017 zur unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GRC und zur Erwerbsfreiheit nach Art. 6 StGG sowie zum Eigentum nach Art. 17 GRC und Art. 1 1.ZPEMRK; zu letzteren auch VfSlg 20.000/2015 und 20.250/2018.

  35. 35.

    VfSlg 19.865/2014 zu Art. 21 Abs. 1 GRC und Art. 14 EMRK. Zum umgekehrten Fall strengerer österreichischer Grundrechte, hier des Art. 8 EMRK und (der Verfassungsbestimmung) des § 1 Bundesgesetz zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz – DSG), BGBl. 1999/165 gegenüber Art. 7 und 8 GRC, VfSlg 19.892, S. 856: „Vor diesem Hintergrund sind die angefochtenen Bestimmungen am Maßstab des Bundesverfassungsrechts, und zwar des § 1 DSG 2000 und des Art. 8 EMRK, zu messen.“

  36. 36.

    Begründungen dazu z. B. in VfSlg 19.865/2014, 19.955/2015, 20.250/2018. VfSlg 19.892/2014 erging allerdings nach einer Gültigkeitsvorlage (VfSlg 19.702/2012) und der Nichtigerklärung der Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie durch EuGH, Urt. v. 08.04.2014, Verb. Rs. C-293/12 und C-594/12, ECLI:EU:C:2014:238 – Digital Rights Ireland Ltd/Minister for Communications, Marine and Natural Resources u. a. und Kärntner Landesregierung u. a.

  37. 37.

    VfGH, Erkenntnis v. 24.06.2021, V 87/2021. Die Konzentration auf Art. 3 GRC dürfte hier nur Zufall sein, nämlich daran liegen, dass der Antragsteller sich (insoweit) nur auf dieses Recht berufen hatte und der VfGH bei der unmittelbaren Anfechtung von Verordnungen und Gesetzen auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt ist. Trotzdem folgte der VfGH den Bedenken des Antragstellers „auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK“ nicht (unter Punkt 2.5.2.).

  38. 38.

    VfSlg 19.955/2015.

  39. 39.

    VfSlg 19.077/2010, 19.118/2010.

  40. 40.

    Vgl z. B. VfGH, Erkenntnis v. 23.06.2022, G 37/2022, V 173/2022 zur Impfpflicht.

  41. 41.

    So VfSlg 14.340/2004 in einem früheren Fall.

  42. 42.

    Einen Verstoß auch gegen diese Vorgaben hatte der VfGH in VfSlg 19.845/2014 ohnehin festgestellt.

  43. 43.

    Z. B. (aus sehr vielen Entscheidungen) VfSlg 8808/1980, S. 332: „Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes […].“ Zuletzt ebenso VfGH, Erkenntnis v. 20.09.2022, E 1699/2022, Punkt II.2.

  44. 44.

    So z. B. VfGH, Erkenntnisse v. 13.03.2013, U 1175/12; 11.06.2014, U 823/2013; 19.09.2014, U 634/2013; 23.09.2019, E 2272/2019; 22.09.2020, E 1453/2020; 08.06.2021, E 4123/2020.

  45. 45.

    Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 2012/51; Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I 2013/33.

  46. 46.

    EuGH, Urt. v. 11.09.2014, Rs. C-112/13, ECLI:EU:C:2014:2195, Rn. 28 ff., 45 – A/B ua. Deutlicher dagegen die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot vom 02.04.2014, Rs. C-112/13, ECLI:EU:C:2014:207, Rn. 71: „Im Geltungsbereich des Unionsrechts verpflichtet der Äquivalenzgrundsatz unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die nationalen Gerichte nicht, die Frage, ob ein nationales, ihrer Meinung nach gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstoßendes Gesetz mit der Charta vereinbar ist, einem Verfassungsgerichtshof zwecks genereller Aufhebung dieses Gesetzes vorzulegen.“ In einer ebenfalls vom OGH initiierten Vorabentscheidung lehnte es EuGH auch ab, die grundrechtliche Prüfungszuständigkeit des OGH unter Berufung auf den Äquivalenzgrundsatz und den Vergleich zu EMRK-Rechten zu erweitern: EuGH, Urt. v. 24.10.2018, Rs. C-234/17, ECLI:EU:C:2018:853 – XC u. a.; dazu Schumann (2018). Der EuGH ließ sich also nicht in den innerösterreichischen Kampf zwischen VfGH und OGH um die jeweilige Reichweite der grundrechtlichen Deutungshoheit einspannen.

  47. 47.

    VfSlg 19.865/2014, S. 374.

  48. 48.

    VfSlg 19.632/2012, S. 220. Die behauptete Konzentration von Grundrechtsbeschwerden beim VfGH verschweigt die wichtige Rolle, die der OGH für den Grundrechtsschutz in Zivil- und Strafsachen spielt. Gegen dessen Entscheidungen gibt es keinen Rechtszug zum VfGH.

  49. 49.

    Zur Praxis des VwGH Handstanger (2014), S. 48 ff.

  50. 50.

    VfSlg 19.632/2012, S. 221.

  51. 51.

    Vgl z. B. VfSlg 20.409/2020, S. 371: „Das Legalitätsprinzip des Art. 18 Abs. 1 iVm Art. 83 Abs. 2 B-VG verpflichtet den Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes […] gerade in Bezug auf die Verwaltungsbehörden- und Gerichtszuständigkeit zu einer präzisen, strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden Regelung. Eine Zuständigkeitsfestlegung muss klar und unmissverständlich sein; das gilt auch für eine vergleichbar zentrale Frage der Verwaltungsgerichtsbarkeit einschließlich der Voraussetzungen für die Anrufung des Verwaltungsgerichthofes […].“

  52. 52.

    Z. B. Handstanger (2014), S. 46, als Schlussfolgerung aus EuGH, Urt. v. 26.02.2013, Rs. C-617/10, ECLI:EU:C:2013:105, Rn. 45 f. – Åkerberg Fransson, und dort zitierten Entscheidungen des EuGH: „Ein nationales Gericht ist damit unmittelbar aufgrund des Unionsrechts zuständig, die Vereinbarkeit von nationalen Rechtsvorschriften mit der Charta umfassend zu beurteilen, wobei sich diese Zuständigkeit immer dann ergibt, wenn das Gericht auf Grund seiner (nationalen) Zuständigkeiten überhaupt Unionsrecht in einem zu entscheidenden Fall anzuwenden hat. Die Zuständigkeit zur Unionsgrundrechts-Anwendung folgt der Zuständigkeit zur Anwendung von anderen Regelungen des Unionsrechts. Insofern kann man sagen, dass es sich bei der Kompetenz der Gerichte zur Anwendung der Unionsgrundrechte um eine besondere Adhäsionszuständigkeit handelt, die durch die nationale Rechtsordnung – weder durch Rechtsvorschriften noch durch Anwendungspraxis – beschränkt werden darf.“

  53. 53.

    Z. B. VwGH, Erkenntnisse v. 04.06.2021, Ra 2021/01/0178; 20.09.2021, Ra 2021/14/0268.

  54. 54.

    Z. B. VwGH, Erkenntnisse v. 23.01.2013, 2010/15/0196; 15.07.2015, Ro 2014/09/0064; 25.01.2022, Ra 2021/18/0085; 03.02.2022, Ra 2021/09/0101. Allerdings war auch die Rechtsprechung zu anderen Grundrechten als Beschwerdepunkten nicht einheitlich: Jabloner (2013), S. 175 ff.

  55. 55.

    Z. B. Danda (2013), S. 17 f.; Köhler (2013), S. 593; Holoubek (2015), S. 647 f.; Eberhard (2019), S. 108 f.; Pabel (2021), S. 445 f.

  56. 56.

    Z. B. Granner und Raschauer (2012), S. 124; Mayr (2012), S. 412; Granner (2013), S. 35; Metzler (2014), S. 500; Pabel (2015), S. 253 f.; Thienel (2015), S. 585 f.

  57. 57.

    Winkler (2012), S. 17.

  58. 58.

    Z. B. Mayr (2012), S. 412; Granner (2013), S. 35; Öhlinger (2013), S. 155; Potacs (2013), S. 17; Handstanger (2014), S. 46; Metzler (2014), S. 500; Pabel (2015), S. 253 f; Thienel (2015), S. 585 f; ähnlich Jabloner (2013), S. 178.

  59. 59.

    Z. B. VfSlg 15.771/2000, 18.298/2007.

  60. 60.

    VfSlg 19.892/2014, 19.909/2014, 19.950/2015, 20.151/2017, 20.202/2017: Erörterung der Unionsrechtskonformität nicht bei der Zulässigkeit, sondern bei der Begründetheit der Anträge.

  61. 61.

    VfSlg 20.291/2018, S. 455: „Wird [in einem Individualantrag] ein Verstoß einer gesetzlichen Bestimmung, die in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift, gegen ein Recht der GRC behauptet, prüft – bei Vorliegen der Voraussetzungen – der Verfassungsgerichtshof in der Folge die angefochtene Gesetzesbestimmung in der Sache am Maßstab des jeweiligen Rechts der GRC als verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht […]. Ergibt die verfassungsgerichtliche Gesetzesprüfung (gegebenenfalls nach Einholung einer Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV), dass kein Verstoß gegen ein Recht der GRC als verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht vorliegt, ist auch eine wesentliche Voraussetzung für den unionsrechtlichen Anwendungsvorrang nicht gegeben (umgekehrt führt die Aufhebung der gesetzlichen Bestimmung wegen Verstoßes gegen das Recht der GRC im Gesetzesprüfungsverfahren durch den Verfassungsgerichtshof dazu, dass den unionsrechtlichen Anforderungen im Hinblick auf das in Rede stehende Recht der GRC jedenfalls auch im Hinblick auf den Antragsteller […] Genüge getan ist). Der Anwendungsvorrang eines Rechtes der GRC vermag daher in diesem Fall nicht, einem Antragsteller […] die rechtliche Betroffenheit zu nehmen.“

  62. 62.

    Z. B. VfSlg 15.368/1998, 16.995/2003.

  63. 63.

    S. oben Fn. 46.

  64. 64.

    Zu diesen Fragen z. B. Brenn (2012), S. 1063; Danda (2013), S. 18 ff.; Öhlinger (2013), S. 154; Potacs (2013). S. 511; Handstanger (2013), S. 167 f.; Stöger (2017) Rn. 61 ff.

  65. 65.

    VfSlg 19.749/2013, 19.996/2015, 20.000/2015, 20.064/2016, 20.201/2017, 20.281/2018, 20.289/2018, 20.409/2020.

  66. 66.

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Merli, F. (2023). Die Konstitutionalisierung der EU-Grundrechte. Das österreichische Beispiel. In: Donath, P.B., Heger, A., Malkmus, M., Bayrak, O. (eds) Der Schutz des Individuums durch das Recht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66978-5_56

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