Zusammenfassung
Die Aufarbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen und des Holocaust im westlichen Nachkriegsdeutschland ist seit 1945 keine segmentierte Auseinandersetzung von Justiz und Fachwissenschaften gewesen, sondern war stets auch ein integraler Teil einer Gesellschafts- und Alltagsgeschichte, die dynamischen Wandlungen unterlag. In einem zeithistorischen Dreiecksverhältnis zwischen Justiz, Geschichtswissenschaft und Gesellschaft spiegelt sich eine Art von Selbstverortung der Bundesrepublik vor sich selbst und der Welt in der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit.
Im Beitrag wird die Bedeutung von juristischen Prozessen wegen nationalsozialistischer Verbrechen den fachhistorischen Diskursen sowie den politischen und gesellschaftlichen Initiativen und Debatten gegenübergestellt. Kritisch diskutiert wird die Bedeutung der Spätverfolgung von NS-Unrecht und die Frage nach möglichen Deutungsverschiebungen in Hinblick auf Narrative von Holocaust und Täterschaft.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Similar content being viewed by others
Notes
- 1.
Kühne 2016, S. 34 ff.
- 2.
Smiatacz 2015, S. 14 f.
- 3.
Ebd., S. 90 f.
- 4.
Frei 2012, S. 14.
- 5.
Von Miquel 2004, S. 146 ff.
- 6.
Weincke 2008.
- 7.
Herbert 1998, S. 9 ff.
- 8.
Kühne 2016, S. 38.
- 9.
Arendt 2011.
- 10.
Lipstadt 2011.
- 11.
Kühne 2016, S. 38 f.
- 12.
Ebd., S. 40 ff.
- 13.
Steinke 2015.
- 14.
Werle und Wandres 1995, S. 41 ff.
- 15.
Zur Rolle des Vorsitzenden Richters im Ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses, Hans Hofmeyer, und seiner Verantwortung im NS-Regime im Zusammenhang mit Zwangssterilisierungen und in der Wehrmachtsjustiz sowie Fragen von Brüchen und Kontinuitäten seines Denkens und Handelns nach 1945 forscht aktuell Matias Ristic in seiner rechtshistorischen Promotion an der Universität zu Köln.
- 16.
Hansen 2015.
- 17.
Kaiser et al. 2012.
- 18.
Okroy 2001, S. 301 ff.
- 19.
Lichtenstein 1990, S. 69 ff.
- 20.
Okroy 2001, S. 301 ff.
- 21.
Jasch und Kaiser 2018, S. 171 ff.
- 22.
Vgl. Ambach und Köhler 2014, S. 96 ff.
- 23.
Zimmermann 2001, S. 169 ff.
- 24.
Zitiert nach: Zimmermann 2001, S. 192.
- 25.
Langebach und Liever 2017.
- 26.
Buchheim 1965.
- 27.
Bracher 1969.
- 28.
Herbert 1998, S. 15.
- 29.
Ebd., S. 16 ff.
- 30.
Hilberg 1982.
- 31.
Kühne 2016, S. 43 f.
- 32.
Browning 1993.
- 33.
Goldhagen 1996.
- 34.
Heer und Naumann 1995.
- 35.
Hartmann et al. 2014.
- 36.
Paul 2002.
- 37.
Mallmann 1997.
- 38.
Wildt 2002.
- 39.
Kühl 2014.
- 40.
Jasch und Kaiser 2018, S. 189 ff.
- 41.
Lawrence 2020, S. 236 ff.
- 42.
Ebd., S. 278.
- 43.
Pollack 2014.
Literatur
Ambach, D., & Köhler, T. (2014). Lublin-Majdanek: Das Konzentrations- und Vernichtungslager im Spiegel von Zeugenaussagen (2. Aufl.). Justizministerium NRW.
Arendt, H. (2011). Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der Banalität des Bösen. Piper.
Bracher, K. D. (1969). Die deutsche Diktatur: Entstehung, Struktur, Folgen des Nationalsozialismus. Kiepenheuer & Witsch.
Browning, C. R. (1993). Ganz normale Männer: Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen. Rowohlt.
Buchheim, H. (1965). Anatomie des SS-Staates (Bde. 2). Freiburg i. Br.
Frei, N. (2012). Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit. C.H. Beck.
Goldhagen, D. J. (1996). Hitlers willige Vollstrecker: Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust. Siedler.
Hansen, I. (2015). „Nie wieder Auschwitz!“: Die Entstehung eines Symbols und der Alltag einer Gedenkstätte 1945–1955. Wallstein.
Hartmann, C., Hürter, J., & Jureit, U. (2014). Verbrechen der Wehrmacht: Bilanz einer Debatte (2. Aufl.). C.H. Beck.
Herbert, U. (1998). Vernichtungspolitik: Neue Antworten und Fragen zur Geschichte des „Holocaust“. In U. Herbert & G. Aly (Hrsg.), Nationalsozialistische Vernichtungspolitik 1939–1945. Neue Forschungen und Kontroversen (2. Aufl., S. 9 ff.). Fischer.
Jasch, H.-C., & Kaiser, W. (2018). Der Holocaust vor deutschen Gerichten: Amnestieren, Verdrängen, Bestrafen. bpb.
Heer, H., & Naumann, K. (1995). Vernichtungskrieg: Verbrechen der Wehrmacht 1941–1944. Hamburger Edition.
Hilberg, R. (1982). Die Vernichtung der europäischen Juden: Die Gesamtgeschichte des Holocaust. Olle & Wolter.
Kaiser, W., Köhler, T., & Gryglewski, E. (2012). „Nicht durch formale Schranken gehemmt“: Die deutsche Polizei im Nationalsozialismus. bpb.
Kühl, S. (2014). Ganz normale Organisationen: Zur Soziologie des Holocaust. Suhrkamp.
Kühne, T. (2016). Dämonisierung, Viktimisierung, Diversifizierung: Bilder von nationalsozialistischen Gewalttätern in Gesellschaft und Forschung seit 1945. In O. von Wrochem (Hrsg.), Nationalsozialistische Täterschaften. Nachwirkungen in Gesellschaft und Familie (S. 32 ff.). Metropol.
Langebach, M., & Liever, H. (2017). Im Schatten von Auschwitz: Spurensuche in Polen, Belarus und der Ukraine: begegnen, erinnern, lernen. bpb.
Lawrence, D. (2020). Späte Korrektur. Die Prozesse gegen John Demjanjuk. Wallstein.
Lichtenstein, H. (1990). Himmlers grüne Helfer: Die Schutz- und Ordnungspolizei im „Dritten Reich“. Bund.
Lipstadt, D. E. (2011). The Eichmann trial (S. 237 ff.). Schocken Nextbook.
Mallmann, K.-M. (1997). Vom Fußvolk der „Endlösung“: Ordnungspolizei, Ostkrieg und Judenmord. Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte (S. 355 ff.). Wallstein.
Okroy, M. (2001). „Man will unserem Batl. Was tun…“: Der Wuppertaler Bialystok-Prozeß 1967/68 und die Ermittlungen gegen Angehörige des Polizeibataillons 309. In A. Kenkmann & C. Spieker (Hrsg.), Im Auftrag. Polizei, Verwaltung und Verantwortung (S. 301 ff.). Klartext.
Paul, G. (2002). Die Täter der Shoah: Fanatische Nationalsozialisten oder ganz normale Deutsche? Wallstein.
Pollack, M. (2014). Kontaminierte Landschaften. Residenz.
Miquel, V. (2004). Marc, Ahnden oder amnestieren? Westdeutsche Justiz und Vergangenheitspolitik in den sechziger Jahren. Wallstein.
Smiatacz, C. (2015). Ein gesetzlicher „Schlussstrich“? Der juristische Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in Hamburg und Schleswig-Holstein, 1945–1960. Ein Vergleich. LIT.
Steinke, R. (2015). Fritz Bauer: oder Auschwitz vor Gericht (6. Aufl.). Piper.
Weincke, A. (2008). Eine Gesellschaft ermittelt gegen sich selbst: Die Geschichte der Zentralen Stelle Ludwigsburg 1958–2008. wbg Academic.
Werle, G., & Wandres, T. (1995). Auschwitz vor Gericht: Völkermord und bundesdeutsche Strafjustiz. Mit einer Dokumentation des Auschwitz-Urteils. C.H. Beck.
Wildt, M. (2002). Die Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptames. HIS.
Zimmermann, M. (2001). NS-Täter vor Gericht: Düsseldorf und die Strafprozesse wegen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen. Justizministerium NRW.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2023 Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature
About this chapter
Cite this chapter
Köhler, T. (2023). Vom „Schrank der Schande“ auf die nationale Visitenkarte: Die Bundesrepublik und der Umgang mit nationalsozialistischen Massenverbrechen und dem Holocaust. In: Vormbaum, M. (eds) Spätverfolgung von NS-Unrecht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66478-0_3
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-66478-0_3
Published:
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-662-66477-3
Online ISBN: 978-3-662-66478-0
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)