Zusammenfassung
Gemessen an der Forderung, »das Verstehen […] muß gewollt und gesucht werden«, ist der Rosshändler Michael Kohlhaas, Titelgestalt der gleichnamigen Novelle von Heinrich von Kleist, als eine Figur anzusehen, die in hohem Maße auf das Verstehen erpicht erscheint. Wie in der Erzählung bald angemerkt, ist Kohlhaas zudem jüngst zum neuen lutherischen Glauben übergetreten (vgl. DKV III, 58 / 59), ein Schritt, der für diese Figur mit dem Ehrgeiz verbunden ist, einen Grad an Verständnis seiner persönlichen Situation zu erwerben, das ihm erlauben würde, sich im konfessionellen Zwiegespräch mit und vor seinem Gott und Richter zu rechtfertigen. So zumindest die Implikation der Worte, die den Rosshändler in den ersten Sätzen der Erzählung als »eine[n] der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit« (DKV III, 13) charakterisieren. Insofern wird die Novelle, gemessen an dem Willen des Protagonisten zum uneingeschränkten Verstehen seiner selbst sowie an seinem inneren Gefühl, vor Gott und der Welt immer rechtens zu sein, zu einer Studie, die der hermeneutischen Forderung nach dem Verstehen sowohl auf der charakterlichen Ebene als auch auf der Ebene des Erzählens wahrhaftig auf den Grund gehen möchte.
Dieser Aufsatz entstand im Rahmen eines von der Alexander von Humboldt-Stiftung ermöglichten Gastaufenthalts am Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft der Universität Bonn. Der Humboldt-Stiftung sowie meinem Gastgeber im Institut, Prof. Dr. Christian Moser, gilt mein aufrichtiger Dank.
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Mehigan, T. (2021). Zur Frage einer politischen Hermeneutik bei Kleist. In: Allerkamp, A., Bartl, A., Fleig, A., Gribnitz, B., Lund, H.L., Roussel, M. (eds) Kleist-Jahrbuch 2021. Kleist-Jahrbuch . J.B. Metzler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-64174-3_4
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