FormalPara Zum Einstieg

Neben den im vorrangegangenen Kapitel besprochenen Krankheitsbildern gibt es im Rahmen der Durchführung eines Intensivtransportes Patienten, die nicht „krank“ im eigentlichen Sinne sind, jedoch aufgrund spezieller Entwicklungs-, Krankheits- oder Therapieverläufe einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen. Hierzu zählen normale Früh - und Neugeborene , Neugeborene mit angeborenen Herzfehlern oder Lungenversagen, ebenso wie Patienten, bei denen eine Infektion mit therapieresistenten Erregern besteht.

Eine weitere besondere Patientengruppe, die wir in diesem Kapitel näher betrachten wollen, sind hirntote Patienten , die als Organspender in die explantierende Klinik gebracht werden. Diese Patienten können weder dem Rettungsdienst noch dem Krankentransport zugeordnet werden. Häufig ist hier eine organerhaltende Therapie erforderlich, die dem Anspruch des Intensivtransports am nächsten kommt.

9.1 Früh- und Neugeborene als Intensivpatienten

In der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre entstanden die ersten Intensivstationen für neugeborene Kinder. Damit ergab sich die Notwendigkeit, dass Kinder, die in anderen Geburtseinrichtungen geboren waren und intensiverer Hilfe bedurften, von dort gebracht oder abgeholt werden mussten, um in der Neugeborenen-Intensivstation behandelt zu werden.

Die sich schnell entwickelnden hohen fachlichen Anforderungen in der Betreuung dieser Kinder führten zu der damals bahnbrechenden Erkenntnis, dass die zu transportierenden kranken Neugeborenen insbesondere beim Transport zum Zentrum des gesamten fachlichen Know-hows bedürfen, um unterwegs so wenig als möglich Schaden zu nehmen. Im Früh-, Neugeborenen- und Kinderintensivtransport entwickelte sich daraus das „Prinzip des Abholens “ durch hochspezialisierte und erfahrene Teams. Mit dieser Entwicklung engstens verbunden sind die Namen der Pioniere der Deutschen Neonatologie, wie z. B. Lutz Wille, Michael Obladen (Heidelberg) und Christoph Vogtmann (Leipzig).

Parallel dazu wurden auch die ersten Transportsysteme entwickelt: Das ging von der „beheizbaren Handtasche“ über die Transport-Couveuse bis hin zum heutigen Intensivtransportinkubator (◘ Abb. 9.1), welcher in alle gängigen RTWs oder ITWs verladen werden kann. Die Überlebenschancen steigen, wenn diese Patienten frühzeitig in einem Perinatalzentrum betreut werden.

Abb. 9.1
figure 1

Dräger-Transportinkubator der Uniklinik Heidelberg

Da nicht jede Geburtsklinik über ein Perinatalzentrum verfügt, müssen die Frühgeborenen und kranken Neugeborenen in die nächstgelegene Spezialklinik transportiert werden (Björn Steiger Stiftung; Adams et al. 2008). Einigkeit besteht in der Fachliteratur darüber, dass bei drohenden Komplikationen in der Schwangerschaft ein intrauteriner Transport der Mutter (vor der 34. SSW) in ein entsprechendes Zentrum dem Inkubatortransport prinzipiell vorzuziehen ist (Ellinger et al. 2010).

Aufgrund der speziellen Kenntnisse, die für diese Einsätze unabdingbar notwendig sind, werden die Transporte meist von einem Facharzt für Kinderheilkunde, Neonatologie oder pädiatrische Intensivmedizin und einer Fachkinderkrankenschwester für neonatologische und pädiatrische Intensivpflege begleitet.

Wenn auch selten, so kann es dennoch vorkommen, dass ein regulärer Notarzt oder Notfallsanitäter mit diesem Patientenklientel konfrontiert wird. Dem Notfallsanitäter sollte seine Rolle nicht nur als Transportbegleiter und/oder Fahrer, sondern auch als Teammitglied bei der Beherrschung von Komplikationen bewusst sein. Dies setzt spezielle Kenntnisse voraus, die in den folgenden Abschnitten dargestellt werden.

9.1.1 Häufige Indikationen für einen Transport

Primärtransport

Primärtransporte kommen infolge einer akut lebensbedrohlichen Situation, z. B. einer unerwarteten Frühgeburt in Geburtshäusern , Kreißsälen von kleineren Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung oder im Rahmen von Hausgeburten vor. Weiterhin ist bei Früh- und Neugeborenen mit perinataler Asphyxie , Mekoniumaspirationssyndrom , Atemstörungen und angeborenen Fehlbildungen (z. B. Zwerchfellhernie , Ösophagusatresie , Gastroschisis) häufig eine Verlegungsindikation gegeben.

Sekundärtransporte

Sekundärtransporte stellen bei schweren Erkrankungen, wie z. B. Hypoglykämien (häufig Kinder diabetischer Mütter), Neugeboreneninfektionen oder Rhesusinkompatibilitäten eine häufige Einsatzindikation dar. Verlegungen in höher spezialisierte Zentren mit angebundener Kinder- oder Neurochirurgie sind ebenso bei Hydrozephalus , Spina bifida , nekrotisierender Enterokolitis (NEC), Volvolus , Gastroschisis , Omphalocele etc. erforderlich. Hinzu kommen Verlegungen in Schwerpunktzentren für Herz- oder Lungenerkrankungen. Diese erfolgen bei pränatal nicht bekannten angeborenen Herzfehlern oder schweren Lungenerkrankungen.

9.1.2 Auswahl des Transportteams

In Abhängigkeit von den regionalen Klinik- und Rettungsdienststrukturen sowie von der vitalen Gefährdung eines Früh- oder Neugeborenen besteht die Möglichkeit, sich ein speziell qualifiziertes Abholteam (mit den Qualifikationen: Intensivpfleger/Intensivschwester, Facharzt, Neonatologe und/oder Pädiatrische Intensivmedizin) eines Neonatalzentrums kommen zu lassen, welches die weitere Erstversorgung vor Ort übernimmt und anschließend den sicheren Transport durchführt. Dadurch steigt die Qualität der Betreuung dieser Hochrisikotransporte erheblich.

Praxistipp

Bei großen Distanzen ist unbedingt frühzeitig an die Möglichkeit der Alarmierung eines RTH/ITH denken!

9.1.3 Auswahl der Transportart

Säuglinge bis zu 12 Wochen post partum oder bis zu einem Körpergewicht von ca. 5 kg können mit einem Transportinkubator transportiert werden. Von Vorteil gegenüber der Trage ist die Kompaktheit des Inkubators mit der kompletten Überwachungs- und Beatmungseinheit sowie ausreichend Platz, selbst bei einer hohen Anzahl mitgeführter Spritzenpumpen. Darüber hinaus bietet er die beste Regulationsmöglichkeit des Wärmehaushaltes der Kinder.

Früh- und Neugeborene sowie junge Säuglinge

sollten zum besseren Hypothermieschutz in einem Intensivtransportinkubator transportiert werden. Diese sind zur schnelleren Verladung in der Regel auf ein Tragensystem montiert, das aus dem Rettungsdienst bekannt ist und hierfür zugelassen sein muss. Die Beheizbarkeit des Inkubators, die Anreicherung der Luft mit O2, der Anschluss eines der Patientengröße entsprechenden Beatmungsbeutels sowie Sauberkeit und Hygiene müssen gewährleistet sein.

Häufig sind diese Inkubatorsysteme als komplette Einheit konstruiert, d. h. neben dem eigentlichen Inkubator finden auch noch das Beatmungsgerät (z. B. Babylog), ein Überwachungsmonitor sowie Sauerstoff und Druckluftflaschen auf dem Tragegestell Platz. Ergänzend hierzu können mehrere Spritzenpumpen mitgeführt werden. Damit stellt die Transporteinheit im Prinzip eine mobile Intensivstation dar. Ein spezifischer Kindernotfallkoffer , der von dem verlegenden Team mitgeführt wird, rundet das System ab.

Mit dieser Ausstattung ist es möglich, aus nahezu jedem Rettungswagen innerhalb kürzester Zeit einen Baby-Notarztwagen (Baby-NAW) zu etablieren. Der Kosteneffizienz, die durch die Ersparnis der Anschaffung und Unterhaltung eines eigenen Baby-NAW entstehen, stehen allerdings die Auswirkungen der Fahrzeugkonstruktion (Abschn. 3.2.2) und die Vorlaufzeiten für die RTW-Anforderungen gegenüber.

Cave

Zwingend zu beachten ist auch das die kleinen Patienten innerhalb des Transportinkubators gesichert werden, da sie im Falle eines Unfalles oder einer Vollbremsung darin zum „Geschoss“ werden.

Für größere Kinder

steht nur der Transport auf einer offenen Einheit (Trage des Rettungsdienstes oder spezielle Intensivtrage ) zur Verfügung. Hier muss u. a. zwingend auf ein geeignetes Rückhaltesystem , eine altersgemäße Beatmungstechnik, ein Kindermonitoring und ausreichenden Wärmeerhalt geachtet werden.

9.1.4 Besonderheiten im Arzt-Arzt-Gespräch

Von großer Bedeutung ist das Arzt-Arzt-Gespräch vor dem Transport. Eine genaue Anamnese ist wichtig, um das geeignete Transportteam und -mittel auszuwählen sowie den richtigen Transportzeitpunkt festlegen zu können. Der verlegende Arzt muss sich darüber im Klaren sein, ob dieser Patient in dem momentanen Gesundheitszustand sicher transportiert werden kann, oder ob ggf. noch stabilisierende Maßnahmen vor dem Transport zu treffen sind. Dafür sollten folgende Punkte abgeklärt werden:

  • Beatmungs- und Kreislaufsituation,

  • Zugänge (periphere Venenverweilkanülen, zentraler Venenkatheter, arterieller Zugang, Drainagen, Magensonde, Blasenkatheter),

  • Laborwerte und Blutgasanalyse (ggf. inkl. Laktat),

  • Verlauf in den letzten 12–24 h.

Weiter sollte vor dem Transport von dem begleitenden Arzt geklärt werden, was von der verlegenden Klinik erforderlich ist, um eine problemlose Weiterversorgung zu gewährleisten.

Gespräch mit den Eltern

Neben der ärztlichen und pflegerischen Übergabe/Übernahme des Patienten halten wir ein Gespräch mit den Eltern durch das Übernahmeteam für extrem wichtig um, folgende Dinge zu klären:

  • Erläuterung des Krankheitsbildes und Darstellung der im Zentrum zu erwartenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen,

  • Erfragen der Akut- und Familienanamnese,

  • Austausch von Telefonnummern und Adressen, um jederzeit kommuzieren zu können.

9.1.5 Besonderheiten des Transports in der Neonatologie/Pädiatrie

Jedes Transportteam sollte sich einen Algorithmus zur Überprüfung der Patientensicherheit zurechtlegen. Dieser ist „Streng nach Checkliste“ vor jedem Transportbeginn abzuarbeiten!

Mit der Übernahme des Kindes trägt das abholende Team die volle Verantwortung. Deshalb sind die hier aufgezeigten Maßnahmen extrem wichtig und schützen das Kind. Ein innerliches Voraussetzen, dass die Kollegen bis jetzt schon alles richtig gemacht haben und wir nur abholen, ist grundfalsch.

Cave

Alle Zugänge am Kind müssen beschriftet und eindeutig erkennbar sein. Eine Zuspritzmöglichkeit für Notfallmedikamente muss vorhanden und jederzeit gut zugänglich sein. Das Gesicht des Kindes bleibt ebenfalls zugänglich, damit bei Ausfall der Überwachung zumindest eine klinische Beurteilung möglich ist.

Alle Zugänge, besonders Tubus und Drainagen, müssen gut fixiert und vor einem Abknicken gesichert sein! Nicht selten muss ein Tubus unmittelbar vor dem Transport nochmals speziell befestigt werden (ggf. Tubus unterpolstern oder kürzen). Die genaue Tubusgröße und Lagetiefe muss erfragt und ein Ersatztubus mitgeführt werden.

Die Messwertaufnehmer für das EKG und die Sauerstoffsättigung müssen stabile Werte anzeigen, eine funktionierende Blutdrucküberwachung ist immer anzustreben. Wenn auch noch nicht überall im Routineeinsatz, so ist die endexspiratorische CO2-Messung für einen Transport unter Beatmung heute zwingend zu fordern.

Ein ausführlicher ärztlicher sowie pflegerischer Verlegungsbericht , der die letzten Laborwerte (besonders Glukose und Elektrolyte), die BGA, Röntgenbilder (Lage der Fremdkörper, ZVK, Tubus, Magensonde), Lungenbelüftung und weitere diagnostische Ergebnisse erfasst, sollte mitgenommen werden. Ebenfalls sollten die Ergebnisse der Bildgebung sowie die letzten Kurvenblätter als Kopie vorliegen.

Praxistipp

Es hat sich bewährt, dass das Transportteam vor Beginn des Transportes die aufnehmende Einrichtung nochmals telefonisch über den Gesamtzustand des Kindes und über zu erwartende Besonderheiten informiert.

Die exakte Dokumentation der o. g. Ausgangswerte – insbesondere der BGA und der Vitalparameter – auf dem Transportprotokoll , aber auch das Dokumentieren während des Transportes selbst ist nicht nur von juristischer Bedeutung, sondern für die einwandfreie fachliche Übergabe des Patienten in der Zielklinik erforderlich. Auch für spätere Rückfragen, die aus den unterschiedlichsten Notwendigkeiten heraus entstehen können, ist eine komplette Dokumentation über den gesamten Transportzeitraum notwendig.

Das gelbe Untersuchungsheft mit den Aufzeichnungen über kinderärztliche Vorsorgeuntersuchungen (U1–U9) gibt Aufschluss über bisherige Erkrankungen, sollte deshalb eingesehen werden und beim Kind verbleiben.

9.1.6 Besonderheiten des Monitorings in der Neonatologie/Pädiatrie

Für Transporte von untergewichtigen Frühgeborenen, reifen Neugeborenen, Säuglingen, Kleinkindern und Jugendlichen stehen Überwachungsgeräte auf einem hohen technischen Niveau zur Verfügung. Ungeachtet dessen sollte aber jedes Transportteam auch den klinischen Zustand der Kinder beobachten und interpretieren. Das Team ist der „bessere“ Monitor, wenngleich die gute und sichere Überwachungstechnik essenziell ist.

Für das Monitoring werden körpergewichts- und/oder körpergrößenabhängig unterschiedliche Messwertaufnehmer verwendet, die den jeweiligen Besonderheiten Rechnung tragen. Beim bioelektrischen Monitoring ist auf adäquate Größen für EKG-Elektroden, dem Sättigungssensor sowie die nichtinvasive Blutdrucküberwachung zu achten. Die Frequenz der (Be-)Atmung wird über die Impedanzplethysmographie der EKG-Elektroden erfasst. Die endtidale CO2-Messung muss bei den kleineren Patienten durch die Nebenstrommethode erfolgen, bei den größeren durchaus auch über die Hauptstrommethode mit einer Cuvette.

Auch die Möglichkeit zur Temperaturüberwachung ist zwingend zu nutzen, da über die Körpertemperatur direkt wichtige physiologische Größen wie die Blutgerinnung, der pH-Wert und die Wirksamkeit verschiedener Medikamente beeinflusst werden.

Das invasive Blutdruckmonitoring erfordert ebenso in Abhängigkeit von der Patientengröße unterschiedliche Messwertaufnehmer, deren Funktion vor dem Transport nochmals überprüft und deren Druckaufnehmer kalibriert werden muss.

9.1.7 Besonderheiten der Gefäßzugänge

Gefäßzugänge sollten vor Transportbeginn gelegt und sicher – ggf. auch mit einer Naht – fixiert werden. Neben den bereits erwähnten Verweilkanülen werden auch zentrale Venenkatheter bei Kindern aller Altersstufen eingesetzt. Diese sollten jedoch ausschließlich unter klinischen Bedingungen und, wenn möglich, unter sonographischer Kontrolle gelegt werden. Es sollten auch immer mehrere Zugänge vorhanden sein, z. B. ein ZVK und ein peripherer Zugang oder mindestens 2 periphere Venenzugänge. Sollte es dennoch zu einem Verlust des einzigen, oftmals „lebensrettenden“ Zugangs kommen, empfiehlt sich die sofortige Anlage eines intraossären Zugangs (◘ Abb. 9.2), da dieser in den meisten Fällen einfacher und schneller platziert werden kann als ein zentraler Venenkatheter oder ein peripherer Zugang.

Abb. 9.2
figure 2

Bradykarde Herzrhythmusstörung mit Reanimationspflichtigkeit beim Kleinkind: Das Bild zeigt die Anlage eines intraossären Zugangs im Bereich der proximalen Tibia mit dem EZ-IO-System. Im Verlauf wurde das Kind mit einem ZVK in der V. femoralis links versorgt

Praxistipp

Goldene Regel: Die Anlage eines ZVK auf fremden Territorium – auch durch ein geübtes Team – kostet u. U. kostbare Zeit, die durch das Anlegen einer intraossären Nadel gespart wird.

9.1.8 Notwendiges Equipment/Backup-Systeme

Das zur Verfügung stehende Monitorsystem muss die besonderen Belange der Kindermedizin erfüllen (EKG, Atemfrequenz, SpO2, etCO2, RR, Temperatur). Hier können aber auch neuere Überwachungsgeräte der Erwachsenenmedizin mit Kinderoption verwendet werden.

Die Beatmungstechnik muss alters- und gewichtsbezogen zur Verfügung stehen. Neonatologische Patienten werden mit einer anderen Technik versorgt werden als Säuglinge oder Kleinkinder. Zur Beatmung von Säuglingen und Kleinkindern stellt das Transportbeatmungsgerät Weinmann Medumat Transport eine gute Alternative zur bisher verwendeten Technik dar. Moderne Transportbeatmungsgeräte benötigen keine Druckluft mehr, um die inspiratorische Sauerstofffraktion (FiO2) zu regulieren.

Die mitgeführten Infusionsgeräte müssen an die Bedürfnisse der kleinen Patienten adaptiert und, wie alle anderen Geräte auch, am Transportsystem sicher arretierbar sein.

Die Temperaturregulation der kleinen Patienten erfolgt sowohl über Wärmezufuhr als auch durch Verminderung der Wärmeabstrahlung mit Hilfe elektrischer oder chemischer Methoden.

9.1.9 Medikamente in der Neonatologie/Pädiatrie

Die absolut luftfreie Injektion bedarf einer exakten und gewissenhaften Vorbereitung und Durchführung sowie der Kenntnis der eingesetzten Verdünnungen und Konzentrationen. Problem hierbei ist, dass die zu verabreichenden Medikamente zur Vermeidung einer Überdosierung nicht endlos verdünnt werden können, da dadurch gleichzeitig das Injektionsvolumen ansteigt. Daher sind ggf. kleinere Spritzentypen (1-ml-Spritzen) zu verwenden.

9.1.10 Stickstoffmonoxid beim Transport

Bei Patienten, die während des Transports einer inhalativen Stickstoffmonoxid-Therapie (iNO-Therapie) bedürfen, kann das NO mittels Flaschen und Flowmeter oder eines INOmax in den Inspirationsschlauch appliziert werden.

Für die Berechnung mit Flowmeter steht folgende Formel zur Verfügung:

$$ \mathrm{Flow}-\mathrm{NO}=\frac{\mathrm{gew}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{nschte}\, \mathrm{ppm}\times \mathrm{Flow}\ \left(\mathrm{Patient}\right)}{\mathrm{Gas}\, \mathrm{in}\ \mathrm{ppm}-\mathrm{gew}\ddot{\mathrm{u}}\mathrm{nschte}\, \mathrm{ppm}} $$

Mit einem INOmax kann die iNO-Dosis vollektronisch direkt am Gerät eingestellt werden. Für den Transport stehen 2-l-Flaschen zur Verfügung.

9.1.11 ECMO-Transport

Kinder-ECMO-Zentren haben auf der Grundlage eigener Parameter und Erfahrungswerte Eintrittskriterien für die ECMO -Therapie erarbeitet. Vor dem Aussprechen einer Transportempfehlung gilt es zu beachten, dass nur wenige Einrichtungen über die technischen Voraussetzungen für einen Transport unter ECMO verfügen. Diese bieten an, die Kinder abzuholen, sodass dann alle Eventualitäten eines derartigen Hochrisikotransportes von einem Team aufgefangen werden, das dazu auch die notwendige Kompetenz besitzt. Dies gilt auch für den Transport von Kindern, bei denen nur mit sehr invasiven Beatmungsparametern oder einer Hochfrequenzbeatmung (High Frequency Oscillation Ventilation, HFOV) eine ausreichende Oxygenierung/Decarboxylierung erreicht werden kann.

Unter solch kritischen Ausgangsbedingungen kann jeder konventionelle Transport zu einem kaum kalkulierbaren Risiko werden, bei dem bereits geringste Komplikationen desaströs enden können. Da die ECMO-Therapie derzeit nur in wenigen Zentren in Deutschland angeboten wird, ist die Frage eines rechtzeitigen Transports des Patienten zwingender Bestandteil einer umsichtigen Therapieplanung. Zur Physiologie der ECMO-Therapie (► Abschn. 9.2).

Praxistipp

Die frühzeitige Information des nächstgelegen ECMO-Zentrums und enge Kommunikation zwischen der Therapiegruppe vor Ort und der ECMO-Behandlungsgruppe sind unverzichtbare Grundlage für das Gelingen des Transportes.

Ablauf eines Notfalltransportes bei kritisch kranken Kindern am Beispiel des Abholsystems der Heidelberger Universitäts-Kinderklinik II

  • Technische Überprüfung der Ausstattung und des medizinischen Zubehörs durch Fachpersonal auf der Intensivstation bei jedem Dienstbeginn

  • Alarmierung des RTW über die Rettungsleitstelle durch den Stationskinderarzt

  • Angabe der Station (Übernahme des Teams), Abholort des Kindes (Geburtseinrichtung, peripheres Krankenhaus), Transportart sowie alle für den Transport relevanten Zusatzinformationen

  • Alarmierung des nächsten freien RTW zur Kinderklinik

  • Übernahme des Teams und der Gerätschaften (Transportinkubator, Kindernotfallkoffer) auf der Intensivstation

  • Anfahrt zum Abholort

  • Versorgungsphase des Kindes

  • Übernahme und Transportvorbereitung

  • Schonender Rücktransport in die Zielklinik

Verhalten während des Transports

  • Qualität ist wichtiger als Tempo!

  • Kompetentes und freundliches Auftreten des Rettungsfachpersonals.

  • Vermeidung von Stößen und Vibrationen am Gerät.

  • Große Vorsicht beim Be- und Entladen des RTW.

  • Langsamer und defensiver Fahrstil.

  • Bei Maßnahmen am Kind oder Gerät ggf. anhalten.

  • Überwachung und Maßnahmen am Kind werden vom Klinikpersonal durchgeführt.

Überwachungsmaßnahmenm

  • EKG Monitoring.

  • Atemfrequenzmonitoring.

  • Invasiver/nichtinvasiver RR.

  • SpO2-Monitoring.

  • Körpertemperatur.

  • Kapnometrie (Nebenstromverfahren).

Zusätzlich bei kardiologischen Transporten z. B. postoperativ

  • Externer Herzschrittmacher!

  • Katecholamintherapie sicherstellen.

  • Bei schwerkranken NO-abhängigen Patienten kann die Transporteinheit problemlos aufgerüstet werden.

  • Applikation über INOmax oder Rotationsflowmeter.

Neben dem Gerätemonitoring ist das klinische Bild des Kindes zu überwachen

  • Hautkolorit .

  • Lippenfarbe.

  • Rekapillarisierungszeit .

  • Körpertemperatur.

  • Thoraxexkursionen .

  • Schocksymptome.

Cave

Beim Umlagern aus oder in den Transportinkubator ist zu beachten, dass es durch die Niveauveränderungen der Perfusoren zu Einschwemmphänomenen mit erheblichen Kreislaufinstabilitäten kommen kann.

9.1.12 Die angeborenen Herzfehler im Überblick

  • Zyanotische Herzfehler (mit Rechts-links-Shunt )

    • Fallot-Tetralogie,

    • „double outlet right ventricle“ (DORV),

    • Transposition der großen Arterien (TGA),

    • univentrikuläres Herz,

    • Trikuspidalatresie,

    • Ebstein-Anomalie (eventuell Rechts-links-Shunt, bei weitem nicht immer),

    • Pulmonalatresie.

Bei Herzfehlern mit Rechts-links-Shunt werden künstliche Links-rechts-Shunts angelegt, wenn die Lungendurchblutung kritisch vermindert ist.

  • Azyanotische Herzfehler (mit Links-rechts-Shunt)

  • Ventrikelseptumdefekt (VSD),

    • Vorhofseptumdefekt (ASD),

    • Atrioventrikularseptumdefekt AV-Kanal (auch zusätzlicher Rechts-links-Shunt mit Zyanose möglich),

    • persistierender Ductus arteriosus (PDA),

    • Truncus arteriosus communis (je nach Typ),

    • Totale und partielle Lungenvenenfehlmündung.

Cave

Die Vitien unterscheiden sich in Schweregrad und Größe sowie Ausmaß des Shunts. Der Shunt kann seine Richtung je nach Druckgradient ändern. Nicht selten treten auch mehrere Defekte gleichzeitig auf.

Im Folgenden werden einige ausgesuchte angeborene Herzfehler exemplarisch dargestellt. Für weitergehende Detailinformationen wird auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen.

9.1.12.1 Fallot-Tetralogie

Die Fallot-Tetralogie ist ein zyanotischer kongenitaler Herzfehler und pathologisch-anatomisch in folgender Weise gekennzeichnet (◘ Abb. 9.3):

  • über dem Septumdefekt reitende Aorta,

  • Pulmonalstenose (subvalvulär und valvulär),

  • Ventrikelseptumdefekt,

  • rechtsventrikuläre Hypertrophie.

Abb. 9.3
figure 3

a, b Fallot-Tetralogie (a normales Herz, b Fallot-Tetralogie)

Die Lungendurchblutung ist aufgrund der Pulmonalstenose vermindert, es besteht ein Rechts-links-Shunt mit Hypoxämie und zentraler Zyanose. Infolge der verminderten Lungendurchblutung entwickeln sich bronchiale und aortopulmonale Kollateralgefäße. Im Neugeborenenalter steht das laute Systolikum im Vordergrund, während die Zyanose oft erst in den ersten Lebensmonaten sichtbar wird. Das Kleinkind nimmt bei Belastungshypoxämien eine typische Hockstellung ein.

Der chronische Sauerstoffmangel führt zu einer gesteigerten Blutneubildung (Polyglobulie) und einer erhöhten Hämoglobinkonzentration im Blut. Ebenso findet sich ein erhöhter Hämatokritwert im Labor. Infolger langanhaltenden Sauerstoffunterversorgung kommt es zu Trommelschlegelfinger n. Lebensbedrohliche hypoxämische Anfälle können durch eine akute Obstruktion des verengten rechtsventrikulären Ausflusstrakts entstehen.

9.1.12.2 Ventrikelseptumdefekt (VSD)

Der isolierte Ventrikelseptumdefekt ist der häufigste kongenitale Herzfehler. Größe und Richtung des Shunts sind abhängig von der Größe des Defektes und den Druckgradienten zwischen den beiden Ventrikeln (◘ Abb. 9.4).

Abb. 9.4
figure 4

a, b Ventrilseptumdefekt (VSD) (a normales Herz, b Fallot-Tetralogie)

Einteilung der Ventrikelseptumdefekte

Folgende Einteilung dient zum besseren Verständnis:

  • Bei kleinen Defekten besteht ein geringer Links-rechts-Shunt.

  • Bei mittelgroßen Defekten besteht ein mäßiger Links-rechts- Shunt mit leicht erhöhtem Pulmonalarteriendruck.

  • Bei großen Defekten ist die Lungendurchblutung erheblich gesteigert. In beiden Ventrikeln herrscht Systemdruck. Der Pulmonalarteriendruck ist erhöht.

Infolge eines stark erhöhten pulmonalen Gefäßwiderstands nimmt die Lungendurchblutung ab. Übersteigt der pulmonale Gefäßwiderstand den Widerstand des Systemkreislaufs, so tritt ein Rechts-links-Shunt mit Zyanose auf. Diese Shuntumkehr wird als Eisenmenger-Reaktion bezeichnet.

9.1.12.3 Persistierender Ductus arteriosus (PDA)

Der persistierende Ductus arteriosus Botalli stellt im fetalen Blutkreislauf eine Verbindung zwischen Aorta und A. pulmonalis her. Da die Lunge noch nicht belüftet ist und somit auch noch nicht relevant durchblutet wird, fließt das Blut über den Ductus arteriosus aus der Lungenschlagader direkt in die Aorta (◘ Abb. 9.5). Der Ductus arteriosus verschließt sich normalerweise in den ersten Lebenstagen oder -Wochen, ebenso wie das Formen ovale, welches im fetalen Kreislauf die Verbindung zwischen linkem und rechtem Vorhof darstellt, von selbst.

Abb. 9.5
figure 5

Persistierender Ductus arteriosus (PDA)

Der persistierende Ductus arteriosus Botalli ist ein Gefäßproblem, kein eigentlicher Herzfehler, welches sich aber auf die Herz-Kreislauf-Funktion auswirkt. Ein kleiner PDA macht keinerlei Symptome und fällt bei den Vorsorgeuntersuchungen nur durch ein mit dem Stethoskop auskultierbares Geräusch auf. Ein größerer PDA bedeutet einen Links-rechts-Shunt, bei dem Blut aus dem arteriellen Kreislauf direkt wieder in den Lungenkreislauf gelangt. Dadurch kann es zu Herzinsuffizienzzeichen und einer vermehrten lnfektanfälligkeit der Kinder kommen. Ein größerer PDA bedeutet auch eine Endokarditisgefahr.

Deshalb ist es das Ziel, einen persistierenden PDA aus hämodynamischen Gründen immer zu verschließen. Wird der PDA nicht operativ unterbunden, so kann eine irreversible pulmonale Hypertonie eintreten. Der Verschluss eines persistiereneden Ductus arteriosus Botalli erfolgt medikamentös, interventionell oder operativ.

Die Überlebenschancen steigen, wenn diese Patienten frühzeitig in einem Perinatalzentrum/Herzzentrum betreut werden.

9.1.12.4 Aortenisthmusstenose (ISTA)

Als Aortenisthmusstenose wird die angeborene Einengung der Aorta bezeichnet, die distal des Abgangs der linken A. subclavia am Übergang des Aortenbogens zur Aorta descendens lokalisiert ist (◘ Abb. 9.6). Sie macht etwa 5 % aller angeborenen Herzfehler aus. Je nach Lage zum Ductus Botalli wird die präduktale bzw. postduktale oder Erwachsenenform unterschieden. Als häufige Begleitanomalien finden sich Ventrikelseptumdefekte und Aortenklappenfehler, wobei in >30 % der Fälle eine bikuspide Aortenklappe besteht, die mit einer lnsuffizienz oder Stenose einhergehen kann.

Abb. 9.6
figure 6

Aortenisthmusstenose (ISTA)

Einteilung der Aortenisthmusstenose

Präduktale Aortenisthmusstenose

Bei dieser Form der Aortenisthmusstenose ist der Ductus Botalli zunächst weitlumig offen. Das Druckgefälle zwischen distaler Aorta und A. pulmonalis bedingt den Zufluss sauerstoffuntersättigten Blutes zur unteren Körperhälfte. Druckbelastung des linken, aber auch des rechten Ventrikels sowie die Volumenbelastung des kleinen Kreislaufs führen zusammen mit der mangelnden Kollateralisation meist in den ersten Lebenstagen und -wochen zur kardialen Dekompensation. Tritt ein spontaner Verschluss des Ductus Botalli auf, führt dies zur Minderperfusion der unteren Körperhälfte mit Nieren- oder Multiorganversagen.

Die Überlebenschancen steigen, wenn diese Patienten frühzeitig in einem Perinatalzentrum/Herzzentrum betreut werden.

Die Aortenisthmusstenose ist meist so stark ausgeprägt, dass von der Aorta ascendens und vom Aortenbogen kaum Blut in die Aorta descendens fließen kann. Die Aorta descendens wird daher als Folge der pulmonalen Hypertonie fast ausschließlich aus der A. pulmonalis durch den offenen Ductus arteriosus mit venösem Blut versorgt. Dies führt zu der charakteristischen Zyanose der unteren Körperhälfte. Ist der Ductus weit geöffnet, können die Femoralarterienpulse gut getastet werden, die Blutdruckwerte der oberen und unteren Extremität sind unauffällig. Verschließt sich der Ductus, kommt es zu einer Abschwächung der Femoralispulse und einem Absinken des Blutdrucks, was zu Nierenversagen und Anurie führen kann.

Postduktale Aortenisthmusstenose

Die eng umschriebene, an eine Sanduhr erinnernde Lumeneinengung der Aorta distal der Ductuseinmündung führt bei verschlossenem Ductus arteriosus zu einer Druckbelastung des linken Ventrikels und zu einer Hypertonie in der Aorta ascendens und ihrer Gefäßabgänge. Jenseits der Stenose ist der Blutdruck niedrig, wodurch es zu einer Minderdurchblutung der durch die Aorta abdominalis versorgten Organe kommt. Diese Form der Aortenisthmusstenose führt schon im Neugeborenenalter zu Herzinsuffizienz und folgenden Symptomen:

  • Trinkschwäche,

  • Gedeihstörung,

  • Hepatosplenomegalie.

Goldene Regel:

  • Jede Pulsdiffernz zwischen oberer und unterer Extremität ist verdächtig auf eine Aortenisthmusstenose.

  • Blutdruck und Pulsstatus immer am rechten Arm und einer unteren Extremität vornehmen.

Cave

Häufig sind eine Pulsdifferenz und ein Herzgeräusch bei der Auskultation die einzigen relevanten Symptome bei den postnatalen Vorsorgeuntersuchungen. Kleinkinder leiden oftmals unter Kopfschmerzen, Nasenbluten, kalten Füßen und Wadenschmerzen bei Belastung. Auf lange Sicht kann der Hypertonus zu einem Apoplex führen.

9.1.13 Komplikationsmanagement

Neben der Fahrertätigkeit, bei der oftmals ein Spagat zwischen Dringlichkeit und besonders schonender Fahrweise notwendig ist, kommt dem Rettungsassistenten/Notfallsanitäter besonders eine im wahrsten Sinne des Wortes „assistierende“ Aufgabe zu.

Jegliche Maßnahmen direkt am Patienten bleiben dem begleitenden Baby-/Kinder-NAW-Team vorbehalten.

Eine dieser assistierenden Aufgaben kann das Vorbereiten von Notfallmedikamenten sein. Diese werden zwar in der Regel auch injektionsfertig vom betreuenden Team mitgeführt. Jedoch sind hier die Vorräte manchmal erschöpft, oder das Tablett mit den Spritzen fällt schlicht zu Boden. Hier schleichen sich häufig Fehler ein, die nur mit großer Sorgfalt vermieden werden können. Häufig findet man noch Medikamentenaufkleber für Spritzen, die Bezeichnungen tragen wie z. B. Adrenalin 1:10, Arterenol 1:100. Ist jetzt, wie für die beschriebene Patientengruppe üblich, eine weitere Verdünnung notwendig, steht auf dem Aufkleber häufig die Verdünnung 1:1000. Ein Blick auf die entsprechenden Ampullen zeigt jedoch, dass bereits die Stammlösung des Medikamentes im Verhältnis 1:1000 verdünnt ist. Die korrekte Spritzenbezeichnung wären also 1:10.000, 1:100.000 und 1: 1.000.000!

Eine konsequente Umstellung auf die bereits erwähnten ISO-Aufkleber (z. B. Epinephrin 10 μg/ml anstatt Suprarenin 1:100) kann dies verhindern. Auch trägt eine einwandfreie Anordnung des Arztes dazu bei, dass Fehler vermieden werden.

Die Stammlösungen werden üblicherweise in 10-ml-Spritzen aufgezogen.

Ein Beispiel verdeutlicht dies:

Beispiel

Der Begleitarzt fordert eine Spritze Adrenalin 1:1000, da der Blutdruck des Neugeborenen abfällt. Würde der Rettungsassistent nun in der Hektik aus einer Stechampulle 10 ml Suprarenin aufziehen, wäre es die unverdünnte Lösung des Medikamentes – die Folgen wären fatal.

Richtig wäre es so:

Der begleitende Arzt lässt das Medikament bereits vor der Injektion der letzten Spritze in Ruhe vorbereiten. Die Anordnung würde lauten: Epinephrin in der Verdünnung 1: 1.000.000! Nun wird zunächst 9 ml NaCl 0,9 % aufgezogen, dann aus einer 1-ml-Ampulle das Epinephrin. Diese Spritze wird mit der Aufschrift 1:10.000 versehen. Eine weitere 10-ml-Spritze wird ebenfalls mit 9 ml 0,9%igem NaCl befüllt, danach wird aus der ersten Spritze ein Milliliter dieser Lösung abgezogen. Die korrekte Verdünnung beträgt nun 1:100.000. Das Ganze wird ein drittes Mal wiederholt, um die tatsächlich geforderte Konzentration von 1:1.000.000 zu erhalten. Um Überdosierungen auf jeden Fall zu vermeiden, ist es ferner hilfreich, aus dieser zuletzt gewonnenen Lösung einzelne 1-ml- oder 2-ml-Spritzen abzuziehen.

Ein ebenso weit verbreiteter Irrtum ist es zu glauben, in den 100-ml-Infusionsplastikflaschen, die von verschiedenen Herstellern angeboten werden, seien tatsächlich genau 100 ml enthalten. Dies würde die Arbeit deutlich erleichtern. Jedoch haben in der Vergangenheit mehrere Hersteller darauf hingewiesen, dass es bei den geringen Mengen „abfülltechnisch“ zu Differenzen ± 10 % kommen kann.

Praxistipp

In der Praxis sollte daher eine Kommunikationsregel beachtet werden: Die Anordnungen des Arztes werden laut und deutlich wiederholt. So hat der Arzt bereits vor dem Vorbereiten des Medikamentes die Sicherheit, dass er auch richtig verstanden wurde. Diese Maßnahmen erfordern hohe Konzentration und sollten deshalb regelmäßig in der einsatzfreien Zeit geübt werden.

Kontrollfragen zu ► Abschn. 9.1

  • Frage 9.1: Nennen Sie häufige Indikationen für den Intensivtransport Neu- und Frühgeborener!

  • Frage 9.2: Stellen Sie stichwortartig den Ablauf eines Neugeborenen-Notfalltransports dar!

  • Frage 9.3: Nennen Sie 4 angeborene Herzfehler!

9.2 Patienten mit kardialen Unterstützungssystemen

Venrikuläre Unterstützungssysteme (sog. VAD = „ventricular assist devices “) haben sind in den letzten Jahren zunehmend als Alternative oder Überbrückung bis zur Herztransplantation bei Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz etabliert. Umso häufiger begegnet man solchen Systemen im Rahmen von Intensivtransporten oder im primären Rettungsdienst, wenn Patienten nach Implantation eines solchen Systems in das häusliche Umfeld entlassen werden.

9.2.1 Indikationen

Die terminale Herzinsuffizienz in den Stadien NYHA III und IV stellt die Hauptindikation zum Einsatz dieser Systeme dar. Bei Kindern stellen im Besonderen angeborene (teilweise bereits korrigierte) Herzfehler sowie akute Entzündungen des Herzmuskels (Myokarditis) eine Indikation zur Implantation dar.

Therapieziele

Therapieziele können sein (Pier et al. 2005; Sack 2014):

  • Bridge-to-Transplant (BTT) = Überbrückungstherapie, bis ein geeignetes Spenderorgan verfügbar ist.

  • Destination-Therapie (DT) = Dauertherapie, wenn eine Transplantation nicht möglich ist oder nicht gewünscht wird.

  • Bridge-to-Desicion = Bei unklarer Prognose oder fraglichen neurologischen Ausfällen nach Reanimationen, um Zeit für eine klinische Beurteilung beispielsweise Entscheidungsfindung zu finden.

  • Bridge-to-Recovery (BTR) = Überbrückungstherapie, wenn ein ausreichendes Erholungspotenzial des Herzens vermutet wird (selten, Bsp: akute Myokarditis).

Kontraindikationen

Als Kontraindikation werden in der Literatur genannt:

  • die Sepsis,

  • ein Multiorganversagen,

  • letale Begleiterkrankungen (z. B.: Krebserkrankung im Endstadium),

  • schwere Gerinnungsstörungen oder

  • ein Lungenversagen.

9.2.2 Bei der Implantation zu berücksichtigende Aspekte

Gerinnungshemmung

Um ein VAD-System implantieren zu können, ist es notwendig, eine Gerinnungshemmung durchzuführen. Hierzu wird der INR-Wert um das 2,5- bis 3,5-Fache mit Hilfe von Antikoagulanzien angehoben. Dies ist notwendig, da anderenfalls Thrombosen begünstigt werden, die entweder embolische Erkrankungen verursachen oder im schlimmsten Fall als Pumpenthrombose zum Aggregatausfall und folglich zum Kreislaufversagen führen! Andererseits begünstigt die veränderte Gerinnungssituation das Blutungsrisiko. Dies muss bei akuten Blutungen bedacht werden. Deren Therapie erfolgt zunächst durch Volumenausgleich.

Cave

Die Gabe gerinnungsaktivierender Medikamente sollte nur von einem erfahrenen Team und unter einem Gerinnungsmonitoring (Rotem) erfolgen.

Infektionsrisiko

Auch die Gefahr einer Infektion im Bereich der zuführenden Stromversorgung (Driveline) oder Kanülenein- und -austrittsstellen mit der Folge einer schweren systemischen Infektion darf nicht unterschätzt werden, weshalb hier ein besonders strenges aseptisches Arbeiten erforderlich ist!

9.2.3 Unterschiede in den Pumpensystemen

Zunächst einmal sind intrakorporale von extra- oder parakorporalen Systemen zu unterscheiden. Alle Systeme bestehen aus

  • Pumpeinheit (intrakorporal vs. extra (para-) corporal; non-pulsatil vs. pulsatil,

  • Kontrolleinheit („Controller“),

  • Stromversorgung (i. d. R. Lithium-Ionen-Akkus),

    • Verbindungsleitung (Steuerkabel und Stromkabel); falls non-pulsatil nach außen („Driveline“),

    • nur bei parakorporalen VAD-Systemen finden sich transkutane Kanülen

Ebenso bietet sich eine Einteilung gemäß der technischen Funktion sowie der Form der Unterstützung an.

  • Einteilung gemäß der technischen Funktion:

    • (pneumatische) Verdrängerpumpen (z. B. BerlinHeart Excor – Fa. BerlinHeart),

    • Axial-, oder Zentrifugalpumpe (z. B. HeartMate II – Fa. ThoraTec, Heartware HVAD, Fa. Heartware).

  • Einteilung gemäß der Form der Unterstützung:

    • „left ventricular assist device“ (LVAD),

    • „right ventricular assist device“ (RVAD),

    • „biventricular assist device“ (BIVAD).

Ausschlaggebend für die Entscheidung, welches System zum Einsatz kommt, ist die Art der Herzinsuffizenz des Patienten. Hier können sowohl nur der linke Ventrikel als auch beide Ventrikel betroffen sein. Eine isolierte Insuffizienz des rechten Ventrikels ist zwar möglich, aber vergleichsweise selten. Daher ist es häufig ausreichend, mit Hilfe eines LVADs nur die Funktion des linken Ventrikels zu unterstützen, um das Blutvolumen aus dem linken Ventrikel in die Aorta ascendens zu transportieren und die weitere Organdurchblutung und Körperfunktionen sicherzustellen.

Aufgebaut sind solche LVADs meist als Axial- oder Zentrifugalpumpen. Die Implantation erfolgt meist vollständig intraperikardial. Die Einlasskanüle wird regelhaft an der Spitze (Apex) des linken Ventrikels implantiert, die Auslasskanüle folglich in die Aorta ascendens platziert. Das Verbindungskabel (engl. „driveline“) zur Steuereinheit tritt häufig am rechten Oberbauch in Höhe des Bauchnabels aus.

An der Steuereinheit sind je nach Hersteller aktuelle Messwerte wie Drehzahl, Stromverbrauch und (errechneter) Blutfluss abrufbar. Außerdem sind im Display Warnhinweise in Klartext oder Fehlercodes abrufbar. Um diese zuordnen zu können, sollte jedes System mit einem Aufkleber versehen sein, der eine detaillierte Beschreibung der Fehlercodes beinhaltet.

Cave

Bei den angezeigten Herzzeitvolumen handelt es sich um vom System errechnete Werte aus Drehzahl, Stromverbrauch und zuvor programmiertem Hämatokritwert und nicht um gemessene Werte. Daher entspricht das dort angegebene HZV unter Umständen nicht dem tatsächlichen Herzzeitvolumen des Patienten!

Patienten mit einem LVAD-System sind immer von einer ausreichenden Pumpfunktion des rechten Herzens abhängig. Folglich können ventrikuläre Rhythmusstörungen wie Kammerflimmern oder ventrikuläre Tachykardie weiterhin auftreten, die entsprechend der aktuellen Leitlinien therapiert werden müssen!

Da der Antrieb dieser Systeme über eine Axial- oder Zentrifugalpumpe erfolgt, führen sie zu einer Umstellung des Kreislaufsystems von pulsatil zu non-pulsatil (kontinuierlicher Blutfluss , engl. „continuous flow“).

Cave

Dies bedeutet, dass trotz suffizienter Perfusion i. d. R. kein Puls gemessen werden kann. Diese Information ist für alle Beteiligten im Behandlungsteam von unschätzbarem Wert, da klassische Kontrolltechniken der Vitalfunktion (Pulsmessen, Riva-Rocci-, oder die NIBP-Blutdruckmessung) in diesen Fällen nicht zielführend sind.

Die klinische Beurteilung des Patienten ist daher von besonderem Stellenwert. So wird ein Patient, der problemlos kommuniziert und womöglich noch umhergeht, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Herzstillstand haben, obwohl weder Puls noch Blutdruck messbar erscheinen (Hecker et al. 2015).

Die Anwendung der elektronischen Monitorsysteme im Rettungsdienst und Intensivtransport liefern hier einen erheblichen Mehrwert. So können EKG und Pulsoxymetrie wesentliche Informationen über den Zustand des Patienten geben.

Müssen im Rahmen einer globalen Herzinsuffizienz beide Ventrikel in ihrer mechanischen Funktion unterstützt werden, ist die Implantation eines BIVAD („biventricular assist device“) indiziert. Standartdmäßig kommen hier parakorporale, pneumatische Systeme zum Einsatz.

Die implantierten Pumpen werden jeweils durch eine flexible Membran in den Antriebs- und Kreislaufteil getrennt. Ebenso erfolgt die jeweils getrennte Implantation für den jeweiligen Ventrikel. Das System basiert auf einem pneumatischen Antrieb, indem ein Über- oder Unterdruck aufgebaut wird, welchem der Blutfluss folgt. Zur Weisung der Flussrichtung sind an den Ein- und Auslasskanülen Ventile eingebaut.

Die Implantation dieser Ein- und Auslasskanülen erfolgt (i. d. R.) in den rechten Vorhof mit Ausfluss in die A. pulmonalis und in die Ventrikelspitze des linken Ventrikels mit Ausfluss in die Aorta ascendens.

Die durchsichtigen Pumpenkammern ermöglichen „Einsicht“: dadurch sind sowohl der Blutfluss und damit direkt der Kreislauf des Patienten als auch der Füllungs- und Austreibungszustand der Systeme zu sehen. Auf diese Weise kann jederzeit eine korrekte Funktion des Systems beurteilt werden.

Unabhängig vom Systemalarm ist die Funktion der Pumpen entscheidend.

Anders als bei den oben genannten Rotationspumpen ist für den Antrieb der pneumatischen Pumpen eine größere Steuer- bzw. Antriebseinheit notwendig. Sie entspricht etwa der Größe eines Koffertrolleys. In dieser sind neben der pneumatischen Einheit auch die vergleichsweise simple Steuereinheit sowie die Akkus untergebracht. Analog zu den Rotationspumpen ist an der Steuereinheit neben der eingestellten Frequenz und der Kapazität der Akkus im Falle einer Dysfunktion die Anzeige von Fehlercodes möglich, die auf einem Aufkleber erklärt sein sollten.

Im Falle einer Fehlfunktion sollte die Aufmerksamkeit primär auf die Funktion der Pumpen gerichtet sein. Ist diese weiterhin intakt, so kann die Abklärung diverser technischer oder patientenbezogener Probleme erfolgen. Wird jedoch festgestellt dass ein Stillstand der Pumpen und damit des Kreislaufs vorliegt, sind diese sofort von der Steuereinheit zu diskonnektieren und mit der Handpumpe zu verbinden, die dem System immer beiliegen muss.

Prinzip

  • Alle Systeme stellen lediglich eine mechanische Unterstützung der ventrikulären Pumpfunktion des eigenen (noch vorhandenen) Herzens dar.

  • Bei einem Ausfall des Systems kann unter Umständen die verbleibende Pumpleistung des Herzens noch ausreichend sein, um einen minimalen Kreislauf aufrecht zu erhalten und das Überleben des Patienten bis zur weiterführenden Therapie in einem geeigneten Zentrum zu gewährleisten.

  • Bei Ausfall des extrakorporalen Pumpensystems muss dieses sofort diskonnektiert und mit der Handpumpe verbunden werden, mit derer die Funktion in der gewünschten Frequenz übernommen wird.

Kontrollfragen zu ► Abschn. 9.2

  • Frage 9.4: Wie können Kunstherzsysteme eingeteilt werden?

  • Frage 9.5: Welche Indikationen zur Implantation eines Kunstherzsystems gibt es?

9.3 Der Patient im Weaning

Der Begriff „Weaning “ bezeichnet die schrittweise Entwöhnung vom Beatmungsgerät, also den Übergang von der Beatmung zur Spontanatmung und Extubation bzw. nach Tracheotomie (während eines Langzeitverlaufs) zur Dekanülierung . Hierzu müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein (Larsen und Ziegenfuß 2013). Unabhängig von der Ursache haben all diese Patienten eine Langzeitbeatmung von oft mehreren Wochen/Monaten hinter sich. Die Komplexität dieses Themas spiegelt sich auch darin wider, dass in den letzten Jahren spezielle Weaning-Kliniken bzw. Kliniken mit Weaning-Abteilungen entstanden sind.

Dennoch ist hier zu bemerken, dass das „allgemeingültige Weaning-Konzept“ noch nicht existiert. Es gibt Konzepte der Kontinuität und Parameter, die auch beim Transport solcher Patienten einzuhalten sind und die deshalb hier vorgestellt werden.

9.3.1 Ursachen und Therapieoptionen

Die Ursachen einer Langzeitbeatmung sind in der Grunderkrankung des Patienten zu suchen. Besonders häufig sind Patienten mit Polytraumen , Verbrennungen , Hirnblutungen und postoperativ komplikationsbehafteten Krankheitsverläufen anzutreffen. Ebenso nehmen internistische Erkrankungen (nach Reanimationen , Lungenembolien ) einen hohen Stellenwert ein. Daher richtet sich die Therapie nach der jeweils zugrundeliegenden Erkrankung.

Allen Patienten gemeinsam ist das Ziel: die Entwöhnung vom Respirator!

Auch wenn noch Störungen der Oxygenierung vorliegen können, kann mit der Entwöhnung von der Beatmung begonnen werden. Basis hierfür ist ein paO2 >60 mm Hg bei geringem PEEP von 5–8 mbar, ein Atemzeitverhältnis <1:1 (physiologisches I:E = 1:2) und ein FiO2 ≤0,4. Während ein paO2 von >60 mm Hg als ausreichend angesehen wird, lässt sich ein eindeutiges Kriterium für die Ventilation des spontan atmenden Patienten nicht in gleicher Weise definieren. Die Fähigkeit zur Eigenatmung hängt von den in ◘ Tab. 9.1 aufgelisteten Faktoren ab, welche grundsätzlich berücksichtigt werden müssen, da sie einen ungünstigen Einfluss auf die Möglichkeit der Eigenatmung haben.

Tab. 9.1 Faktoren, die bei der Entscheidung zum Weaning zu berücksichtigen sind

Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwöhnung ist ein weitgehend intakter Atemantrieb . Atemdepressiv wirkende Medikamente müssen daher vermieden oder reduziert werden.

Ein hoher Atemwegswiderstand , eine niedrige Compliance (Elastizität der Lunge) und ein hoher intrinsischer PEEP steigern die Atemarbeit und müssen daher vermieden werden. Ein extrinsischer PEEP  – wenige mbar unterhalb des intrinsischen PEEP – kann die Atemarbeit dagegen senken.

Besteht eine Ermüdung der Atemmuskulatur, müssen vor Beginn der Entwöhnung die Ursachen (◘ Tab. 9.1) geklärt und so weit wie möglich beseitigt werden. Eine ausreichende Durchblutung der Atemmuskulatur muss ebenfalls gewährleistet sein; entsprechend darf im Schockzustand keine Entwöhnung von der Beatmung erfolgen. Weiterhin darf kein Überhang von Muskelrelaxanzien mehr bestehen.

Für eine erfolgreiche Entwöhnung sollten der paCO2 unter 55 mm Hg und der pH-Wert über 7,3 liegen. Bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD ) werden höhere paCO2-Werte toleriert.

9.3.2 Weaning-Methoden

Grundsätzlich werden sowohl das diskontinuierliche als auch das kontinuierliche Weaning als Konzepte zur Entwöhnung vom Respirator angewandt.

9.3.2.1 Diskontinuierliches Weaning

Die diskontinuierliche Entwöhnung besteht aus Phasen der vollständigen maschinellen Beatmung und Phasen der Spontanatmung ohne jede maschinelle Unterstützung.

Sind die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Entwöhnungsversuch erfüllt, so wird die Beatmung intermittierend unterbrochen, und der Patient atmet für einige Minuten bis mehrere Stunden über eine feuchte Nase oder ein T-Stück, über das eine Sauerstoffinsufflation erfolgt. Die Dauer der Spontanatmungsphasen richtet sich nach der Leistungsfähigkeit des Patienten und wird nach klinischen Kriterien, Blutgaswerten und stationsinternen Vorgehensweisen festgelegt (Beispiel: 6 × 5 min/Tag, 6 × 10 min/Tag, 6 × 15 min/Tag usw.). Sobald eine Erschöpfung droht, wird der Patient wieder maschinell beatmet. Kann der Patient hingegen über einen längeren Zeitraum am T-Stück oder mit Hilfe der CPAP-Beatmung ausreichend spontan atmen, sollte die Extubation bzw. die Dekanülierung erfolgen. Dies ist jedoch keine Maßnahme, die für die Umstände des Intensivtransports indiziert ist und sollte ausschließlich der Klinik vorbehalten bleiben.

9.3.2.2 Kontinuierliches Weaning

Mit den partiellen Beatmungsverfahren „synchronized intermittent mandatory ventilaton“ (SIMV; volumenkontrolliert), „biphasic positive airway pressure“ (BiPAP ; druckkontrolliert), „pressure support ventilation“ (PSV) und „proportional pressure support“ (PPS) kann der maschinelle Atemanteil schrittweise vermindert und der Anteil der Spontanatmung entsprechend erhöht werden. Eine vollständige Reduktion der maschinellen Ventilation oder des PEEP vor der Extubation ist nicht erforderlich.

Bei Patienten mit obstruktiven Lungenerkrankungen kann durch einen niedrigen PEEP die Atemarbeit möglicherweise vermindert werden. Um die tubusbedingte Mehrarbeit zu kompensieren, ist bei diesen Patienten gewöhnlich eine inspiratorische Druckunterstützung von 10–12 mbar erforderlich. Ähnliche Werte gelten auch für die Entwöhnung nach schwerem akutem Lungenversagen (Acute Respiratory Distress Syndrome, ARDS ) .

Automatische Tubuskompensation

Jeder Tubus erhöht die Atemarbeit des spontanatmenden Patienten (Tipp: Selbstversuch mit Atmung durch einen Trinkhalm). Diese zusätzliche Atemarbeit ist variabel und hängt vom Tubuswiderstand ab. Der Tubuswiderstand wird wiederum vom Gasfluss bestimmt: Mit zunehmendem Flow nimmt der Tubuswiderstand exponentiell zu und umgekehrt.

Mit der automatischen Tubuskompensation kann der Patient so spontan atmen, als sei er bereits extubiert.

9.3.2.3 Klinische Bewertung der Entwöhnungsverfahren

Derzeit werden beide Verfahren, das kontinuierliche wie das diskontinuierliche Weaning, klinisch praktiziert. Eine Überlegenheit eines der beiden Verfahren ist derzeit nicht erwiesen. Vermutlich sind die klinischen Erfahrungen des ärztlichen und pflegerischen Personals und die Schwere der zugrundeliegenden Erkrankung für die Schnelligkeit und den Erfolg der Entwöhnung von größerer Bedeutung als bestimmte Techniken.

9.3.3 Zeitpunkt der Entwöhnung

Bei der kontrollierten Beatmung (VC-/PC-CMV) kann der Beginn der Entwöhnung von der Langzeitbeatmung eindeutig festgelegt werden: Die Entwöhnung beginnt, wenn die kontrollierte Beatmung durch eine partielle Beatmung ersetzt oder der Patient versuchsweise vom Respirator diskonnektiert wird. Allerdings wird heutzutage auch bei der Langzeitbeatmung häufig nicht mehr kontrolliert beatmet, sondern von Anfang an ein partieller Beatmungsmodus angewandt, bei dem die Spontanatmung lediglich unterstützt wird. Die Entwöhnung beginnt somit gewissermaßen bereits mit Beginn der Beatmungstherapie.

Entwöhnung nach Kurzzeit- und Langzeitbeatmung

Eine spezielle Entwöhnung ist zumeist nur nach einer Langzeitbeatmung (>48 h Dauer) erforderlich. Bei einer Kurzzeitbeatmung hingegen kann die maschinelle Beatmung zumeist mit Wiedereinsetzen einer ausreichenden Spontanatmung beendet und der Patient extubiert werden.

9.3.4 Schwierigkeiten bei der Entwöhnung

Während die meisten Patienten ohne wesentliche Komplikationen von der Beatmung entwöhnt werden können, gestaltet sich bei einem kleinen Prozentsatz (<5 %) die Entwöhnung als außerordentlich langwierig.

Zu den wichtigsten Ursachen der schwierigen Entwöhnung gehören:

  • anhaltendes Versagen der Atempumpe,

  • persistierende schwere Oxygenierungsstörungen,

  • anhaltende schwere Herzinsuffizienz und

  • nicht zu unterschätzen: psychische Abhängigkeit vom Beatmungsgerät.

Weiterhin muss bei folgenden Erkrankungen mit einer erschwerten Entwöhnung gerechnet werden:

  • COPD ,

  • Lungenfibrose ,

  • hohe Querschnittlähmung ,

  • andere irreversible neurologische Erkrankungen des thorakalen/zervikalen Rückenmarks, des Hirnstamms und/oder der Atemmuskulatur.

Vermehrte Atemarbeit und eine Beeinträchtigung des Atemantriebs müssen vermieden werden. Nachts sollte die ventilatorische Unterstützung erhöht werden, damit sich die Atemmuskulatur wieder erholen kann.

Ein kooperativer Patient ist leichter zu entwöhnen; daher sollte der Patient über alle geplanten Schritte des Entwöhnungsvorgangs ausreichend und nachvollziehbar informiert werden.

Angst (zu ersticken), Schmerzen und delirante Zustände erschweren die Entwöhnung erheblich. Darum ist eine ausreichende Anxiolyse, Analgesie und antidelirante Therapie durchzuführen, allerdings unter Beachtung der atemdepressorischen Wirkungen!

9.3.5 Scheitern der Entwöhnung

Ein Scheitern der Entwöhnung manifestiert sich als progrediente Ateminsuffizienz.

Die klinischen Zeichen sind:

  • Tachypnoe,

  • Dyspnoe,

  • paradoxe thorakoabdominale Atmung,

  • Zyanose,

  • „Nasenflügeln“,

  • erhöhte Aktivität der Atemhilfsmuskulatur (v. a. des M. sternocleidomastoideus),

  • interkostale Einziehungen,

  • Tachykardie,

  • Kaltschweißigkeit,

  • zunehmende Agitiertheit oder Panik des Patienten.

Eine intensive Krankenbeobachtung ist daher beim Transport jederzeit zu gewährleisten. Durch die frühzeitige Kontrolle der Blutgaswerte kann die zunehmende respiratorische Insuffizienz oft bereits zu Beginn erkannt werden:

  • zunehmende Hypoxie,

  • zunehmende Azidose,

  • deutlicher Anstieg des paCO2.

Bei zunehmender respiratorischer Insuffizienz sollte der Entwöhnungsversuch rechtzeitig abgebrochen werden, bevor eine Dekompensation eintritt. Die Atmung muss wieder stärker unterstützt werden, z. B. durch Erhöhung der Druckunterstützung („pressure support“), der SIMV-Frequenz und/oder des PEEP. Ist bereits eine Extubation erfolgt, muss reintubiert werden, wenn nichtinvasive Maßnahmen (NIV-CPAP) der respiratorischen Unterstützung nicht ausreichen. Die Reintubationsrate bei Entwöhnungsversuchen nach Langzeitbeatmung beträgt ca. 5 %.

9.3.6 Besonderheiten beim Transport

Häufig begegnet man Patienten, die postoperativ bereits in einer partiellen Beatmungsform verlegt werden. Sofern möglich, sollte diese Beatmungsform auch beim Transport angewendet werden.

Nicht der Patient wird der Beatmung angepasst, sondern die Beatmung dem Patienten. Wird der Patient beim Transport wacher, kann eine Reduzierung der Atemunterstützung erwogen werden.

Für Patienten, die sich im diskontinuierlichen Weaning befinden, gilt die Fortführung der Therapie in gleicher Weise. Allerdings kommen hier weitere Faktoren dazu, die die Verfahrensweise beeinflussen. Wird der Patient tagsüber verlegt, ist er wach und kooperativ, spricht in der Regel nichts dagegen, das Entwöhnungsschema fortzusetzen. Je nachdem, wie weit der Patient im Weaning fortgeschritten ist, kann es auch sinnvoll sein, ihm einen Sprechaufsatz auf die Trachealkanüle zu konnektieren oder für den Transport eine Silberkanüle einzulegen.

Cave

Beim Konnektieren eines Sprechaufsatzes auf eine geblockte Trachealkanüle ist unbedingt darauf zu achten, dass diese zuvor unter endotrachealer Absaugung entblockt wurde, da ansonsten zwar eine Inspiration möglich ist, der Patient jedoch durch den geschlossenen Sprechaufsatz und den geblockten Cuff nicht mehr ausatmen kann.

Praxistipp

Einige Hersteller bieten für Situationen, in denen eine Trachealkanüle z. B. für solche Zwecke häufig entblockt werden muss, Varianten mit seperatem Absaugkanal an, über den das subglottische Sekret mobilisiert werden kann

Beide Verfahren bieten dem Patient die Möglichkeit zu sprechen und erleichtern daher die Kommunikation ungemein. Ebenso kann es umgekehrt der Fall sein, das ein besonders ängstlicher Patient, den die Einflüsse des Transports weiter beunruhigen (Martinshorn, Aufschaukeln des Fahrzeugs, Rückwärtsfahren im Fahrzeug), es bevorzugt, für das Gefühl seiner subjektiven Sicherheit am Respirator zu bleiben. Hier sollte – unter enger klinischer Überwachung – versucht werden, motivierend auf den Patienten einzuwirken. Für beide Patientengruppen empfiehlt es sich, das Weaning-Protokoll der Station mitzunehmen und dem Schema entsprechend fortzuführen.

Findet ein Patiententransport in den späten Abendstunden oder gar nachts statt und hat der Patient tagsüber seine Atemmuskulatur in ausreichendem Maße trainiert, kann er zur Erholung derselben am Respirator verbleiben. Aber auch hier gilt der Grundsatz zur Atemunterstützung: so viel wie nötig, so wenig wie möglich.

9.3.7 Komplikationsmanagement

In der Regel gestaltet sich der Transport von Patienten im Weaning komplikationslos. Mit Ausnahme frisch extubierter Patienten haben alle einen gesicherten Atemweg (meist Tracheotomie). Diese Tatsache ermöglicht bei zunehmender Erschöpfung jederzeit eine invasive Beatmungsform, bei der der Patient adäquate Unterstützung erhalten kann. Im Extremfall wäre der Patient zu sedieren und vollkontrolliert zu beatmen.

Eine leicht höhere Komplikationsrate weisen Träger von Silberkanülen auf, die stressbedingt für den Transport mit einer blockbaren Trachealkanüle versorgt werden müssen. Daher ist es wichtig, das entsprechende Equipment, inkl. Spreizer, zum Wiedereröffnen der Tracheotomie mitzuführen.

Kontrollfragen zu ► Abschn. 9.3

  • Frage 9.6: Definieren Sie den Begriff Weaning!

  • Frage 9.7: Nennen Sie 3 häufige Indikationen für eine Langzeitbeatmung!

  • Frage 9.8: Welche Weaning-Verfahren gibt es?

  • Frage 9.9: Bezeichnen Sie den richtigen Zeitpunkt für den Beginn des Weanings!

  • Frage 9.10: Nennen Sie 4 wichtige Ursachen einer schwierigen Entwöhnung!

9.4 Organspender – hirntote und verstorbene Patienten

Der Nachweis des Hirntodes als sicheres Todeszeichen ist nicht nur für die Transplantationsmedizin von erheblicher Tragweite, zumal die Hirntätigkeit bekanntlich als eigentlicher Ausdruck des menschlichen Lebens gilt. Mit dem Hirntod und dem Tod ergeben sich keineswegs nur Fragen der diagnostischen Sicherheit (Schwab et al. 1999).

9.4.1 Transport von Organspendern

Die Bedeutung von Organspendertransporten liegt für das Rettungsdienstpersonal weniger in der Häufigkeit des Transportaufkommens als vielmehr in der hohen psychischen und emotionalen Belastung, die ein solcher Transport mit sich bringen kann. Das Patientenklientel umfasst dabei alle Altersstufen.

Ist die Transportindikation bereits gestellt, muss allen Beteiligten klar sein, dass es für diesen Menschen keine Hilfe mehr gibt. Das Rettungsdienstpersonal wird hier nicht zum „Retter“. Umso mehr gilt es, dem Organspender wie auch seinen Angehörigen – im Falle von Kindern insbesondere ihren Eltern – mit Respekt und Würde zu begegnen. Für die Angehörigen eines Organspenders ist es angesichts des unwiderruflichen Versterbens ihres Nächsten wichtig zu wissen, dass nun anderen Menschen geholfen und ihnen eine Chance auf ein besseres Leben gegeben wird.

Diese Sichtweise kann auch für die im Intensivtransport tätigen Mitarbeiter hilfreich sein, denn oftmals erhalten gleich mehrere Menschen ein Organ desselben Spenders. Für die einen ist es daher das Ende des Lebens; Menschen verlieren einen Freund, die Ehefrau, ihren Vater oder ein Kind. Für die anderen ist es die Chance auf einen Neuanfang – für ein Kind, das ein neues Herz erhält, eine Mutter, die nun nicht mehr zur Dialyse muss, einen Vater, der eine neue Leber erhält, die Schwester, die mit einer neuen Lunge wieder frei atmen kann.

Der Zwiespalt zwischen Freude und Trauer, Gefühlen des Glücks und der Hilflosigkeit, der Angst und der Hoffnung und der immer damit verbundenen emotionalen Belastung können an dieser Stelle jedoch nicht abschließend behandelt werden. Dies ist die Aufgabe von Arbeitgebern, von Psychologen und Supervisionen, aber auch jedes einzelnen Kollegen: dass man nach einem solchen Erlebnis füreinander da ist, das Gespräch zulässt und auch das gemeinsame Weinen.

Auch Vertreter der Glaubensgemeinschaften können hier geeignete Ansprechpartner sein.

9.4.1.1 Besonderheiten beim Transport

Auch wenn dieser letzte Transport eines Organspenders keine Möglichkeit gibt, dessen Leben zu retten, so sind in der ganzheitlichen ethisch-medizinischen Versorgung einige Punkte zu beachten. Hierzu zählt, dass die Angehörigen über die für den Transport notwendigen Maßnahmen informiert werden, dass er überwacht wird und das seine Vitalwerte dokumentiert werden wie bei jedem anderen Patienten auch. Gleichfalls ist dafür Sorge zu tragen, dass seine Intimsphäre stets gewahrt bleibt. Die eingeleiteten Therapien (meist handelt es sich nur um Beatmung und geringfügige Katecholamingabe) sind fortzusetzen, da sie der ausreichenden Organversorgung dienen.

9.4.1.2 Komplikationsmanagement

Im Falle einer Verschlechterung seines Kreislaufzustandes ist eine Therapieerweiterung für den Organerhalt sinnvoll, aber nicht exzessiv durchzuführen, da organschädigende Nebenwirkungen dann überwiegen. Verbindliche Richtlinien gibt es hierfür aber nicht. Auf weiten Transportstrecken ist daher ein Arzt-zu-Arzt-Telefonat zwischen dem transportbegleitenden Arzt und dem Arzt der explantierenden/transplantierenden Klinik ratsam.

Kommt es beim Transport zu einem Kreislaufstillstand , kann auch hier gemäß den aktuellen ERC-Richtlinien gearbeitet werden, jedoch ist darauf hinzuweisen, dass solche Maßnahmen nur kurz dauern sollten, da eine Langzeitreanimation sich mit großer Sicherheit negativ auf den Zustand der zu transplantierenden Organe auswirkt. Gegebenenfalls sollte der Transport auch unter Reanimation in den OP der Zielklinik erfolgen, um dort die Qualität der einzelnen Organe und damit die Transplantierbarkeit neu zu beurteilen.

Bei erfolglosen Reanimationsversuchen während des Transports ist dieser abzubrechen und der einsetzende (biologische) Tod des Patienten zu akzeptieren. Die Angehörigen sind dann über die nichterfolgte Explantation zu informieren. Die Ausstellung der Todesbescheinigung erfolgt, ebenso wie die Versorgung des Leichnams, nach den jeweiligen Länderregelungen.

9.4.2 Transport von Organempfängern

In Abhängigkeit der Schwere der vorliegenden Grunderkrankung kann es durchaus vorkommen, dass Organempfänger ihre „Wartezeit“ entweder zu Hause oder in Häusern der Grund- und Regelversorgung verbringen. Die häufig anzufindende baulich dezentrale Struktur vieler Kliniken sorgt zudem auch dafür, dass Patienten nicht immer vor Ort im Transplantationszentrum auf ein Empfängerorgan warten können.

Daher wird man auch im Intensivtransport mit Organempfängern unterschiedlichen Erkrankungsgrades konfrontiert. Warten diese z. B. zu Hause, so werden sie nach Information durch das Transplantationszentrum in der Regel durch den Rettungsdienst in die Klinik transportiert. Ziel ist meist eine Transplantationsstation mit IMC/IMCU (Intermediate Care/Intermediate Care Unit) oder Intensivstatus, auf der die letzten präoperativen Vorbereitungen durchgeführt werden. In der Regel geht es den zu Hause wartenden Patienten so gut, dass eine routinemäßige Vitalwertüberwachung nicht notwendig ist. Dennoch sollten alle Parameter einmal erfasst werden.

Cave

Organempfänger, die zur Transplantation einbestellt werden, sind in einem unmittelbaren präoperativen Zustand und haben ab dem Zeitpunkt der Information hierüber nüchtern zu bleiben (Nahrungskarenz ).

9.4.2.1 Besonderheiten beim Transport

Bei Organempfängern, die auf anderen IMC- oder Intensivstationen warten, ist von einer fortgeschrittenen Grunderkrankung auszugehen, die eine vitale Gefährdung darstellt. Die Auswahl des notwendigen Equipments obliegt dem anfordernden Intensivmediziner. Die Verwendung der Backup-Systeme unterliegt den gleichen Anforderungen wie bei allen anderen Intensivtransporten!

Organempfänger stehen beim Transport allerdings nicht nur unmittelbar vor einer Operation, sondern auch vor einer Immunsuppression , deren Ziel es ist, die Abstoßungsreaktion auf das neue Organ zu verhindern. Damit sind sie allerdings auch besonderen Gefahren der Infektion ausgesetzt. Die Einhaltung strengster Hygienemaßnahmen ist daher obligat (Händedesinfektion, Mundschutz)!

Kontrollfragen zu ► Abschn. 9.4

  • Frage 9.11: Welche Bedeutung hat der Hirntod für die Transplantationsmedizin?

  • Frage 9.12: Welche Bedeutung hat der Transport hirntoter Patienten für das Rettungsdienstpersonal?

  • Frage 9.13: Wer kann bei psychischen/emotionalen Belastungen Hilfe leisten?

9.5 Hypothermie

9.5.1 Ursachen und Therapieoptionen

Die Wärmeregulation unseres Organismus hat die Aufgabe und Fähigkeit, unsere Körpertemperatur auch bei Schwankungen der Umgebungstemperatur konstant bei rund 37 °C zu halten. Dies bezeichnet was man als Thermoregulation. Der Normalwert unterliegt je nach Tätigkeit und Tageszeit geringen Schwankungen. Hierzu zählen die verstärkte Wärmeabgabe bei körperlicher Anstrengung und die Wärmeproduktion. Diese erfolgt durch Muskelzittern.

Die Hypothermie ist ein Zustand nach Kälteeinwirkung auf einen Organismus. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Art und Dauer der Kälteeinwirkung systemisch oder lokal erfolgt. Ist die Wärmeabgabe über einen längeren Zeitraum größer als die Wärmeproduktion, so ist die Thermoregulation gestört, und dem Patienten drohen unweigerlich schwere gesundheitliche Schäden bis hin zum Tod. Bei lokal einwirkender Kälte kommt es zu Erfrierungen.

Die Hypothermie ist zu unterscheiden in:

Milde Hypothermie

Bei einer Körpertemperatur von 32–35 °C versucht der Körper, die Körperkerntemperatur durch Wärmeproduktion (Muskelzittern) konstant zu halten. Zusätzlich erfolgt eine Vasokonstriktion in der Peripherie (Zentralisation ), wodurch die Wärmeabgabe an den großen Oberflächen (Extremitäten, Haut) reduziert wird.

Mittelgradige Hypothermie

Bei einer Körpertemperatur im Bereich zwischen 28 und 32 °C kommt es zunehmend zur Bewusstseinstrübung. Die Schutzreflexe werden reduziert, die Wärmeproduktion wird eingestellt.

Schwere Hypothermie

Sinkt die Temperatur auf weniger als 28 °C ab, entsteht ein kompletter Bewusstseinsverlust. Die Herzfrequenz wird reduziert, der Blutdruck fällt, später kommt es zur Asystolie infolge von Rhythmusstörungen. Lichtstarre Pupillen und Lähmung der Muskulatur kommen hinzu.

Cave

Bei Körpertemperaturen unter 28 °C ist es nahezu unmöglich, eindeutig zu bestimmen, ob die Person noch lebt oder bereits tot ist. Es gilt der Grundsatz: „Niemand ist tot, solange er nicht warm und tot ist!“

Darüber hinaus finden alle Stadien der Hypothermie in Abhängigkeit von der Indikation auch therapeutische Anwendung (◘ Tab. 9.2).

Tab. 9.2 Stadien der Hypothermie und deren klinische Anwendung

Hypotherme Notfälle können in jeder Jahreszeit auftreten. Hinzu kommen Faktoren wie Alkoholeinfluss oder Nässe, die die Hypothermie begünstigen. Zu den häufigsten Notfällen zählen sommerliche Ertrinkungsunfälle (insbesondere mit Kindern und Jugendlichen), nächtliche Verkehrsunfälle in Bach- oder Flussgegenden, Gruben - und Silounglücke und alpine Lawinenunglücke (Bergrettung). Für den Intensivtransport spielt insbesondere der Verlegungstransport eines Patienten in der Postreanimationsphase eine Rolle. Auch bei neurologischen Erkrankungen gewinnt die Hypothermie zunehmend an Bedeutung.

Für alle hypothermen Patienten stellen Kliniken der Maximalversorgung die anzustrebende Zielklinik dar. Kardiochirurgische Zentren sind hier – aufgrund ihrer besonderen Erfahrungen in der Hypothermietherapie – besonders geeignet.

9.5.2 Therapeutische Hypothermie

Bei welchen Patientengruppen wird therapeutisch gekühlt?

  • Neonatologie bei schwerer postnataler Asphyxie/und/oder postnataler Reanimation.

  • Neugeborene jenseits der Neonatalperiode werden nicht aktiv gekühlt, Temperaturerhöhung über 36 °C wird vermieden.

  • Jugendliche und Erwachsene werden nach Reanimation und adäquaten Zuständen aktiv gekühlt.

9.5.3 Besonderheiten beim Transport und Komplikationsmanagement

Für den Transport hypothermer Patienten gelten besondere Anforderungen. So ist z. B. neben dem üblichen Monitoring der Temperaturmessung besonderes Augenmerk zu schenken. Dabei ist vor allem die Art der Temperaturmessung zu berücksichtigen. Für die Messung stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung:

Axillare Temperaturmessung

Das feste Anpressen des Oberarmes an den Rumpf lässt eine korrekte Temperaturmessung in der Achselhöhle zu. Da dies jedoch bei schwerstkranken oder analgosedierten/narkotisierten Patienten, insbesondere unter Transportbedingungen, fast nie realisierbar ist, bleibt diese Messart dem Heim- und ambulanten Bereich vorbehalten.

Sublinguale Temperaturmessung

Diese Art der Messung wird häufig auch als orale Temperaturmessung bezeichnet, wobei dieser Begriff nicht korrekt ist, da nicht die Temperatur im Mundraum gemessen wird, sondern im reich durchbluteten Kapillarnetz unter der Zunge (sublingual). Auch diese Messmethode ist nur im häuslichen/ambulanten Bereich anzuwenden.

Rektale Temperaturmessung

Die erhobenen Messwerte spiegeln weitgehend die Körperkerntemperatur wider. Hierzu eignen sich zur kontinuierlichen Messung rektale Temperaturmesssonden. Dafür wird die Sonde mit einer dünnen Plastikhülle überzogen und ca. 8–10 cm tief ins Rektum geschoben. Eine Fixierung mit einem gut klebenden Pflaster empfiehlt sich, um eine Herausrutschen zu verhindern.

Vesikale Temperaturmessung

In der Klinik etablieren sich derzeit zur kontinuierlichen Messung Blasendauerkatheter, in denen eine vesikale Temperaturmesssonde integriert ist. Bei korrekter Lage und sicherer Blockung des Katheters ermöglichen sie eine zuverlässige, kontinuierliche Temperaturkontrolle. Nachteilig sind jedoch die erhöhten Kosten.

Infrarot-Ohrthermometer

Dieses recht neue Verfahren hat sich aufgrund seiner einfachen und zuverlässigen Bedienung recht schnell etabliert und findet heute in nahezu allen Bereichen Anwendung. Um eine schnelle und zuverlässige Aussage über die Körpertemperatur zu erhalten, ist sie daher als Mittel der Wahl anzusehen. Eine kontinuierliche Messung ist mit diesem Verfahren jedoch nicht möglich.

Ösophageale Temperaturmessung

Die ösophageale Messung mittels dafür geeigneter Temperaturmesssonden stellt in vielen klinischen Bereichen, in denen eine kontinuierliche Überwachung der Temperatur erforderlich ist, den Standard dar. Die Temperatur wird in der Speiseröhre und damit in unmittelbarer Nähe zu Herz und thorakalen Gefäßen gemessen, was die höchste Genauigkeit bei der Messung der Körperkerntemperatur gewährleistet.

Zwar sind die dafür verwendeten Sonden aus sehr weichem und flexiblem Material gefertigt, jedoch sollte z. B. bei Ösophagusvarizen die erhöhte Gefahr von Blutungen berücksichtigt werden. Außerdem kann eine längere Liegedauer der Temperatursonde Läsionen an der Ösophagusschleimhaut in Form von Druckulzera verursachen.

Praxistipp

Alle Temperaturmessmethoden mittels Sonden und Kathetern bergen ein hohes Risiko von Druckschäden und Verletzungen. Druckschäden lassen sich meist unproblematisch durch Lagewechsel, Polsterung mit einer Kompresse oder eine andere Art der Messung verhindern. Wichtig ist es, Gefahren für den Patienten zu erkennen und zu minimieren.

Kontrollfragen zu ► Abschn. 9.5

  • Frage 9.14: Welche Folgen hat eine längere Zeit einwirkende Hypothermie auf den Patienten?

  • Frage 9.15: Bezeichnen Sie die 3 Grade der Hypothermie und nennen Sie jeweils ein Beispiel der klinischen Anwendung!

  • Frage 9.16: Welche Temperaturmessverfahren kennen Sie?

9.6 Patienten mit Infektionskrankheiten und therapieresistenten Erregern

Patienten mit Infektionskrankheiten bedürfen im Intensivtransport – mit Ausnahme der Fortsetzung einer geeigneten antibiotischen oder antiviralen Therapie – keinerlei besonderer medizinischer Maßnahmen. Für den Transport gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei allen anderen Intensivpatienten auch. Erschwerend kommen jedoch Maßnahmen hinzu, die der Verhütung der Übertragung und der Ansteckung dienen.

Cave

Die Maßnahmen des Eigenschutzes dienen nicht nur der Hygiene im eigentlichen Sinne, sondern sind Bestandteil der Arbeitssicherheit , da Infektionskrankheiten und resistente Erreger eine Gefährdung des Personals darstellen!

Diese Vorkehrungen lassen sich einerseits in patienten- und transportrelevante und andererseits in organisatorische Maßnahmen einteilen, die vor bzw. nach einem Transport durchzuführen sind. An dieser Stelle soll nur ersteres besprochen werden. Die Vor- und Nachbereitung des Einsatzfahrzeuges sowie allgemeine Hinweise zur Hygiene sind in ► Kap. 10 dargestellt.

9.6.1 Nosokomiale Infektion im Intensivtransport

Nosokomiale Infektionen sind definiert als eine im Zusammenhang mit einer ambulanten oder stationären Versorgung aufgetretene Infektion, die zu Beginn der eigentlichen Grunderkrankung nicht präsent war. Sie sind auf deutschen Intensivstationen mittlerweile häufiger anzutreffen als nichtnosokomiale Infektionen. Intensivpatienten besitzen aufgrund der Schwere ihrer Grunderkrankung, ihres häufig hohen Lebensalters sowie einer oftmals vorhandenen Immunschwäche zahlreiche Risikofaktoren, die das Auftreten einer nosokomialen Infektion begünstigen. Das Spektrum der verursachenden Erreger variiert mit der Art der Infektion, der Region und dem Krankenhaus.

Pro Jahr infizieren sich in Deutschland 500.000 Menschen mit multiresistenten Bakterien . Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene schätzt, dass rund 20.000 Menschen jedes Jahr in Deutschland an den Folgen einer Infektion mit Krankenhausbakterien sterben!

Die Gesamtzahl der nosokomialen Infektionen wird auf 400.000–600.000 pro Jahr geschätzt (Gastmeier und Geffers 2008). Am häufigsten werden – mit 225.000 Infektionen pro Jahr – Wundinfektionen nach Operationen angegeben. Es folgen Infektionen der Harnwege mit 155.000 Fällen pro Jahr und 80.000 tiefe Atemwegsinfektionen , darunter 60.000 Pneumonien. Bei 20.000 Patienten treten die Erreger ins Blut und führen somit zu einer Bakteriämie mit potenzieller Sepsis . Man geht davon aus, dass ca. 30 bis 50 % (!) aller nosokomialen Infektionen durch Einhaltung konsequenter Hygienemaßnahmen verhindert werden könnten.

Cave

Im Intensivtransport gilt es daher, durch die Einhaltung der Hygienemaßnahmen die Verbreitung dieser Erreger zu unterbinden, den Transport nicht zur möglichen Quelle nosokomialer Infektionen werden zu lassen sowie eine Ansteckung des Personals zu verhindern.

Zunächst können Infektionen, die keine weiteren Schutz- und Desinfektionsmaßnahmen benötigen, unterschieden werden von solchen, die zusätzliche Schutz- und Desinfektionsmaßnahmen erfordern. Infektionsarten und Schutzmaßnahmen werden in 3 Kategorien unterteilt (◘ Tab. 9.3).

Tab. 9.3 Infektionsarten und empfohlene Schutzmaßnahmen

Zu den Infektionen, die außer den Routinemaßnahmen (Händedesinfektion, Einmalhandschuhe) keine besonderen Eigenschutz maßnahmen während des Transports erfordern, zählen:

  • Aspergillose,

  • Candidose ,

  • Creutzfeld-Jakob-Erkrankung,

  • Gasbrand ,

  • Gelbfieber ,

  • Legionellose ,

  • Lepra ,

  • Malaria .

Infektionen, die zusätzliche Schutzmaßnahmen erfordern, sind:

  • Cholera ,

  • Diphtherie ,

  • Hämorrhagisches Fieber,

  • Meningoenzephalomyelitis (bei unklarer Ätiologie bzw. durch Enteroviren bedingt),

  • Query-Fieber (syn. auch Q-Fieber , Queensland-Fieber, Balkan-Grippe u. a. Bezeichnungen. 2009 erkrankten in den Niederlanden 2300 Menschen an Q-Fieber, wovon 6 starben. Zur Bekämpfung der Ausbreitung war eine Tötung von ca. 40.000 trächtigen Ziegen bis Anfang 2010 vorgesehen!),

  • Tollwut ,

  • Tbc , auch Morbus Koch (soweit ansteckungsfähig),

  • Typhus ,

  • Windpocken ,

  • generalisierter Herpes zoster.

Die Infektionen sind auch im Abschnitt „Anforderungen der Hygiene an den Krankentransport einschließlich Rettungstransport in Krankenkraftwagen“ (1989) in der Richtlinie für die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankenhausinfektionen zusammengefasst.

Bei folgenden Infektionen ist ein erhöhtes Risiko der Übertragung durch den Kontakt mit Körpersekreten, Blut oder infizierten Wunden gegeben, wobei letztere im Intensivtransport durch einen zuvor angelegten Verband keine Gefahr darstellen sollten. Sie erfordern jedoch besondere Schutzmaßnahmen:

  • Cholera , in Deutschland und Österreich namentlich meldepflichtig (hierzu zählen der Krankheitsverdacht, die Erkrankung, der Tod, in Deutschland auch der Nachweis des Erregers. In der Schweiz sind erkrankte, infizierte und exponierte Personen identifizierbar zu melden),

  • Enteritis , pathogene Escherichia coli , Campylobacter , Shigellen , Salmonellen ,

  • Enterovirus-Infektionen , z. B. ECHO-Virus, Coxsackie-Virus,

  • Hepatitis A, B, C, D, E bzw. ungeklärt,

  • Herpes simplex (nur bei ausgedehntem Befall) bzw. Herpes zoster ,

  • HIV -Infektion bzw. AIDS -Erkrankung,

  • Keratoconjunctivitis epidemica , auch „Augengrippe“ genannt (Meldepflicht besteht allerdings nur beim direkten Nachweis von Adenoviren im Auge oder gehäuftem Auftreten),

  • Kryptosporidose ,

  • Mononukleose ,

  • Typhus /Paratyphus ,

  • Poliomyelitis (Kinderlähmung; im Kongo im Oktober 2010 ausgebrochen),

  • Staphylokokken -/Streptokokken-Infektionen (nur bei großflächigen Hautinfektionen),

  • Tollwut,

  • Yersinien-Infektion .

Aufgrund des höheren Kontaminationsrisikos müssen bei diesen Patienten dichte Handschuhe sowie Haube und Überkittel getragen werden. Wegen der engen räumlichen Verhältnisse im ITW oder ITH ist das Tragen eines Mundschutzes als Schutz vor Tröpfcheninfektionen dringend zu empfehlen. Darüber hinaus ist bei all den Erregern, die auch über die Schleimhäute übertragen werden können, das Tragen einer Schutzbrille bzw. eines Mundschutzes mit Visier erforderlich.

9.6.2 Methicillin- bzw. Oxacillin-resistente Staphylokokken (MRSA/ORSA)

In den letzten zwei Jahrzehnten hat der vermehrte Gebrauch von Antibiotika bei der Behandlung von bakteriellen Infektionen zu einer besorgniserregenden Zunahme von multiresistenten Erregern geführt. Dabei steht der Einsatz von Breitspektrumantibiotika in direkter Wechselbeziehung mit der Zunahme von multiresistenten Erregern. Bei Patienten, die z. B. aus Pflegeheimen kommen, lassen sich bei bis zu 25 % Methicillin- bzw. Oxacillin-resistente Staphylokokken nachweisen. Der Anteil nosokomialer Infektionen an der Gesamtheit der in Deutschland beobachteten Fälle von MRSA - und ESBL-Infektionen (Extended Spectrum Beta-Lactamase) liegt mittlerweile bei ca. 20–30 %, für VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken) beträgt er über 70 %. Dies lässt die Zahl der kombinierten Infektions-/Intensivtransporte stark ansteigen!

Angesichts der Verunsicherung, die solche Transporte noch immer verursachen, sei darauf hingewiesen, dass diese Keime gegenüber Desinfektionsmitteln nicht widerstandsfähiger sind als sensible Keime.

Die Multiresistenz bezieht sich lediglich auf die Resistenz gegenüber verschiedenen Antibiotika und beruht auf einer Veränderung der Erbinformation des Keims. Die Wirkung der Desinfektion bleibt also bestehen (Wolf 2006).

Die Präventionsmaßnahmen beginnen vor Betreten des Patientenzimmers. Hierzu gehören das Anlegen der persönlichen Schutzausrüstung – bestehend aus Haube, Mundschutz (OP-Mundschutz FFP2), Überkittel und Handschuhen. Das Tragen von Ganzkörperschutzanzügen/Overalls ist nicht erforderlich. Grundsätzlich gilt, dass diese Schutzausrüstung von allen Mitarbeitern mit Patientenkontakt zu tragen ist. Die Zahl der Mitarbeiter ist jedoch auf das erforderliche Minimum zu beschränken, ohne dass hierdurch aber die Patientenversorgung gefährdet wird.

Auch der Patient selbst bedarf einer Vorbereitung, die zuvor von der abgebenden Station getroffen werden sollte. Das MRSA-Netzwerk Marzahn-Hellersdorf (Berlin) hat hierzu eigens eine Richtlinie für den Krankentransport publiziert, die in der vorliegenden modifizierten Form (Punkte a, e, f) auch im Intensivtransport angewendet werden kann:

  • a. Zur Vorbereitung, sollte, sofern es die Versorgungspriorität zulässt, eine antiseptische Ganzwaschung , inkl. einer Haarwäsche erfolgen (Thierbach 2005).

  • b. Der Patient trägt frisch gewaschene Körperwäsche.

  • c. Es werden frisch gewaschene Bettwäsche bzw. Laken verwendet.

  • d. Wunden wurden frisch verbunden.

  • e. Spontan atmende Patienten, bei denen die Atemwege besiedelt sind und die O2-Zufuhr es zulässt, tragen einen Mund-Nasen-Schutz.

  • f. Zu bedenken ist, dass beatmete Patienten, bei denen die Atemwege besiedelt sind, die Umluft durch ihre Exspirationsluft kontaminieren, da bei den derzeitigen Notfall- und Transportrespiratoren kein Exspirationsschenkel im Beatmungssystem existiert. Zumindest theoretisch besteht die Gefahr der Gerätekontamination, da zusätzlich Raumluft angesaugt wird, wenn die Beatmung nicht mit 100 % FiO2 betrieben wird (Herstellerangaben beachten!).

  • g. Der Patient hat eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt.

  • h. Der Übergabebogen des MRSA-Netzwerkes ist ausgefüllt und übergeben.

  • i. Die Zieleinrichtung ist über den MRSA-Status des Patienten informiert.

9.6.3 Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE)

Besorgniserregend ist auch das zunehmende Auftreten von Vancomycin-resistenten Enterokokken, von denen erstmals 1988 berichtet wurde. Die Resistenz tritt am häufigsten beim Enterococcus faecium auf. Die Infektion hiermit kann einen schweren Verlauf nehmen, da sie nur mit wenigen Reserveantibiotika behandelt werden kann. Durch Screening-Untersuchungen und Isolierungsmaßnahmen soll eine Weiterverbreitung verhindert werden. Eine Besiedlung mit VRE dauert aufgrund fehlender Sanierungsmöglichkeiten Monate bis Jahre an (Univeristätsklinikum Heidelberg).

Bei Patienten mit Besiedlung oder Infektion mit VRE werden beim Kranken- oder Intensivtransport die gleichen Hygienemaßnahmen angewendet wie bei MRSA (EUREGIO MRSA-net).

9.6.4 Extended Spectrum β-Lactamasen (ESBL)

ESBL sind Enzyme, die von zahlreichen Bakterien gebildet werden. Sie spalten den β-Lactam-Ring, ein gemeinsamer struktureller Bestandteil der β-Lactam-Antibiotika . Somit verhindern sie die Wirksamkeit dieser Antibiotika und spielen deshalb eine wichtige Rolle bei der Resistenzbildung der Bakterien.

9.6.5 Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC)

EHEC -Keime sind eine besonders gefährliche Form des Darmbakteriums Escherichia coli. Das natürliche Reservoir der Bakterien ist der Darm von Wiederkäuern. Die Keime können durch rohes Fleisch und rohe Milch, aber auch von Mensch zu Mensch übertragen werden. Sie wurden in Kindertagesstätten, Altenheimen und Krankenhäusern nachgewiesen. Bereits etwa 100 Bakterien können für eine Ansteckung genügen.

Eine EHEC-Infektion führt zu Durchfällen, die auch blutig sein können. Weitere Symptome sind Übelkeit, Erbrechen und zunehmende Bauchschmerzen. Das Robert Koch-Institut hat seit Einführung der Meldepflicht 2001 in Deutschland jährlich zwischen 800 und 1200 EHEC-Erkrankungen registriert. Eine gezielte Antibiotikatherapie ist nicht erfolgversprechend, da auch hier bereits Resistenzen bekannt sind. Daher erfolgt die Behandlung symptomorientiert. Die Komplikationen wie das hämolytische-urämische Syndrom (HUS ) und die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP ) müssen unter intensivmedizinischen Gegebenheiten, u. a. durch Hämofiltration, behandelt werden.

Da derzeit keine eigenen Vorgaben zum Umgang mit EHEC-Patienten für den Kranken-/Intensivtransport existieren, müssen die Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung in Krankenhäusern angewendet werden. Diese beruhen auf 3 Säulen:

  • strikte Einhaltung der Händehygiene,

  • Isolierung der Patienten und

  • gezielte Desinfektion aller Handkontaktflächen (Robert Koch-Institut).

Praxistipp

Für Maßnahmen zum Eigenschutz muss nach derzeitigem Kenntnisstand der Übertragungswege (Schmierinfektion) auf die Verfahrensweisen wie bei MRSA und VRE hingewiesen werden!

9.6.6 Noroviren

Die Prognose der durch Noroviren ausgelösten Durchfallerkrankungen ist als gut einzustufen. Trotzdem können sie aber gerade bei Kindern und älteren Patienten durch Dehydratation zu ernsthaften Krankheitszuständen führen. Aufgrund ihrer hohen Kontagiosität und ihrer extremen Resistenz gegenüber Umwelteinflüssen und Desinfektionsmitteln ist eine Ausbreitung der Infektion gerade durch den Krankentransport wahrscheinlich.

Aus diesem Grund sind die notwendigen Hygienemaßnahmen konsequent einzuhalten. Hierzu zählen das Tragen von Kittel, Haube, Mund-Nasen-Schutz (FFP2 ) und Handschuhen sowie eine konsequente Hände- und Fahrzeugdesinfektion. Der spontan atmende Patient sollte ebenfalls einen Mund-Nasen-Schutz (FFP2) tragen. Gemäß dem Infektionsschutzgesetz dürfen Personen, die im Lebensmittelbereich oder in Gemeinschaftseinrichtungen tätig sind, sowie Kinder unter 6 Jahren, die an einer Durchfallerkrankung durch Noroviren erkrankt oder dessen verdächtig sind, ihrer Tätigkeit nicht nachgehen bzw. eine Gemeinschaftseinrichtung nicht besuchen. Bereits der Krankheitsverdacht muss, wie auch die diagnostizierte Erkrankung, dem Arbeitgeber bzw. der Leitung der Einrichtung gemeldet werden. Nach dem Infektionsschutzgesetz § 6 und § 7 ist der Nachweis der akuten Infektion namentlich meldepflichtig.

9.6.7 Infektionen mit hochkontagiösen lebensbedrohlichen Keimen

Das Auftreten tropischer Infektionskrankheiten kann in Deutschland zu Recht als selten bezeichnet werden. Immer wieder sind aber Einzelfälle von Infektionen mit hochkontagiösen, lebensbedrohlichen Erkrankungen bekannt, die in den Medien und z. T. auch in der Fachpresse kursieren. Ursache ist hier vor allem der steigende Flugverkehr im Zeitalter des Massentourismus in der globalisierten Welt.

Zu diesen Infektionen zählen:

  • virusbedingtes hämorrhagisches Fieber (Lassa -, Ebola -, Marburg-Virus-Erkrankungen ),

  • Milzbrand , insbesondere Lungenmilzbrand,

  • Pest , insbesondere Lungenpest (noch heute in den USA 10–20 Fälle/Jahr),

  • Pockenerkrankungen , insbesondere die sogenannten „Säugerpocken“ wie Kuhpocken, Affen-, Katzen- und Kamelpocken,

  • SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome, schweres akutes respiratorisches Syndrom).

Die Therapie dieser Erkrankungen muss in speziellen Behandlungszentren mit sog. Sonderisolier- oder Hochisolierstationen unter strengen Kautelen des Arbeitsschutzes und der Hygiene erfolgen. In Deutschland stehen momentan 8 Zentren zur Verfügung. Die Sonderisolierstation der Infektiologischen Klinik der Berliner Charité ist mit 22 Betten (Charité Universitätsmidzin Berlin) die größte Isolierstation. Im Belegungsfall werden die Stationen abgesperrt, die Versorgung erfolgt über spezielle zentrale Schleusenbereiche. In den Zimmern, ebenfalls mit Schleusen ausgestattet, herrscht ein leichter Unterdruck. Abfall und Abwässer werden getrennt entsorgt, beispielsweise autoklaviert.

Bei Verdacht des Auftretens einer solchen Erkrankung empfiehlt sich die unmittelbare Kontaktaufnahme mit einem Kompetenzzentrum zur weiteren Planung des Vorgehens. Die Verlegung eines solchen Patienten stellt hohe Anforderungen an alle Beteiligten und kann in der Regel von einem herkömmlichen Intensivtransportstandort nicht durchgeführt werden. Die Behandlungszentren sind üblicherweise in der Lage, ein Transportfahrzeug samt einem erfahrenen Team und notwendiger Ausrüstung zu stellen.

Cave

Der Transport dieser Patienten erfolgt immer bodengebunden, da die anschließend notwendige Formaldehydbegasung des ITH aus Gründen der Flugsicherheit nicht möglich ist!

Kontrollfragen zu ► Abschn. 9.6

  • Frage 9.17: Welche Ziele verfolgt der Eigenschutz?

  • Frage 9.18: Welche Ziele haben die Hygienemaßnahmen im Intensivtransport nosokomial infizierter Patienten?

  • Frage 9.19: Worauf bezieht sich die Multiresistenz verschiedener Erreger?

  • Frage 9.20: Wieviele EHEC-Erkrankungen gibt es in Deutschland seit der Einführung der Meldepflicht 2001?