Zusammenfassung
Andreas Dresen erzählt in Wolke 9 die Tragödie des dreißig Jahre lang verheirateten Paares Inge und Werner. Für beide ist es ihre zweite Ehe, in der sie kinderlos geblieben sind. Inge ist Mitte sechzig, Werner Anfang Siebzig. Inge verliebt sich in den gut siebzig Jahre alten Karl; sie verlässt Werner, um mit Karl ihre Beziehung zu leben. Werner suizidiert sich im Prozess der Trennung. Andreas Dresens Wolke 9 ist ein enorm genauer Blick auf das Altern und evoziert die selbstreflexive, tief berührende und irritierende Bewegung der Kinogängerin und des Kinogängers – hinsichtlich der zentralen Lebensbedeutung einer gemeinsam befriedigend gehaltenen sexuellen Praxis sowohl für das Überleben des Paares als auch für die Vergewisserung der Identität und der Lebendigkeit der Partner im Kontext des Prozesses des Verfalls und des Verlusts der um den Körper zentrierten Idealbilder.
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Notes
- 1.
Andreas Dresen nennt in dem Interview keine literarischen Beispiele. Zwei (eigene) Beispiele sollen hier gegeben werden. Max Frischs »Notizen für Mitglieder« in seinem »Tagebuch 1966–1971« (1972) auf den Seiten 115–123, 132–138, 173–178, 184–189, 265–267, 315–319. Zum anderen: »Slow Man« (2005) ist der Titel der Arbeit von John Maxwell Coetzee; sein Protagonist heißt Paul Rayment, ist 60 Jahre alt und bei einem Fahrradunfall verunglückt mit der Folge eines amputierten Beins; geschieden, kinderlos, ein Fotograph im Ruhestand: »All in all, not a man of passion« (S. 45). Paul Rayments »passion« konturiert sich im Kontext seiner Versorgung und der sich entwickelnden Beziehung zu einer zunehmend als attraktiv wahrgenommenen Krankenschwester.
- 2.
»Wolke 9« ist die Übersetzung des englischen Idioms »cloud nine«, das unserer »Wolke sieben« entspricht. »Clound nine« gehört, so Andreas Dresen, zu dem John Lennon-Lied »Nobody Loves You« über die Einsamkeit des Deprimierten und des Verliebten, die nicht wahrgenommen werden im Gewusel des Alltags.
- 3.
»There is always a price tag« ist der Titel des Kriminalromans des englischen Autors James Hadley Chase (1906–1985) (11956, 1966).
Literatur
Chase J H (1966) Man muss für alles zahlen. Ullstein, Frankfurt/Main (engl. 1956)
Coetzee JM (2005) Slow man. Secker & Warburg, London GB, S 45
Frisch M (1972) Tagebuch 1966–1971. Suhrkamp, Frankfurt am Main
Kael P (1980) When the lights go down. Boyars, Boston MA
Köhler M (2008) Seelische Nacktheit. Andreas Dresen inszeniert »Wolke 9«. Film Dienst 61(18):46 f
Laufer M (1980) Zentrale Onaniephantasie, definitive Sexualorganisation und Adoleszenz. Psyche 34: 365–384
Schütt HD (2013) Andreas Dresen Glücks Spiel. be.bra verlag, Berlin-Brandenburg
Zwiebel R (2014) Über psychoanalytische Arbeitsmodelle. Eine kurze Einführung in die filmpsychoanalytische Diskussion von Melancholia. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, S 14
Weitere Quellen
Interview mit Andreas Dresen (2009) Bonusmaterial zur DVD
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Bliersbach, G. (2017). Texturen des Alterns. In: Laszig, P., Gramatikov, L. (eds) Lust und Laster. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-53715-2_16
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