Zusammenfassung
Im vorliegenden Beitrag wird Scheitern im Führungshandeln grundsätzlich als eine Option darstellt. Definiert wird Scheitern als das Erleben der Unmöglichkeit, ein identitätsstiftendes Motiv zu realisieren: Scheitern verweist damit auf die Verunmöglichung der Zielerreichung, Fehler, Irrtümer und das Misslingen hingegen auf die Verfehlung eines antizipierten Ziels. Wer identitätsstiftende Motive nicht kennt, kann – in der Logik dieser Begriffsverwendung – nicht scheitern. In der Folge wird zwischen graduellem und absolutem Scheitern unterschieden, es wird weiter zwischen den akkommodativen und assimilativen Bewältigungsformen unterschieden, um die konzeptionellen Ansätze dann an Interviewaussagen von Führungskräften zu exemplifizieren. Die von Thomann (2008) geführten Tiefeninterviews kreisten um die Aspekte „Scheiterverständnis“, „Erfahrungen von Scheitern“ und „Bewältigungsstrategien“. Drei Folgerungen für die Praxis werden gezogen: 1.) Das Scheitern enttabuisieren, 2.) Starre und tradierte Organisationsbilder de-stabilisieren, Instabilität gestalten und 3.) Möglichkeiten und Gefäße schaffen für Umdeutungs- und Reflexionsprozesse.
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Notes
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agitano.com/darum-scheitern-fuehrungskraefte-top-5/83682.
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Die Abgrenzung zu Irrtümern (Zielverfehlungen auf Grund fehlenden Wissens) oder Handlungsstörungen wird hier nicht vorgenommen und kann in Wehner (1992) verfolgt werden; sicher bieten hierfür aber auch andere Texte des Buches eine gute Gelegenheit zur Begriffsschärfung.
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Eine Persönlichkeitseigenschaft (engl. trait), auch „Persönlichkeitsmerkmal“ genannt, stellt eine relativ zeitstabile Variable dar, welche Aspekte des Verhaltens einer Person in einer bestimmten Situation beschreiben und vorhersagen soll. So dient etwa die Persönlichkeitseigenschaft Extraversion der Beschreibung und Vorhersage des Verhaltensaspekts „extravertiert-introvertiert“ in sozialen Situationen.
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Der französische ehemalige Automanager Goeudevert schrieb beispielsweise ein Buch mit dem Titel „Wie ein Vogel im Aquarium – aus dem Leben eines Managers“ (1996).
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Strohschneider (2003, S. 129) beschreibt Vergleiche von Südpolexpeditionen zum Beginn des 19. Jahrhunderts und formuliert Thesen, weshalb der Expeditionsleiter Shackelton trotz einigen Fehlplanungen (im Vergleich zum Beispiel zu seinem gescheiterten ebenso schlampig geplant habenden Konkurrenten Scott) und eigentlicher Erfolglosigkeit es geschafft haben könnte, eine lebensbedrohende Krise nach der anderen zu meistern – obwohl er den Südpol dennoch nicht entdeckte.
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S. etwa die Schilderungen Samuel Becketts Kreativität – „Künstler sein heißt scheitern“ – von König (2001, S. 211–241) oder der Bericht der Ehefrau von Picasso, Francoise Gilot, über das morgendliche Ritual, mittels welchem der Künstler von ihr versichert werden musste, ein guter Maler zu sein, bevor der als arrogant und überheblich bekannte Maler sich nachmittags wieder an die Arbeit getraute (s. Kraft 2001, S. 149–159).
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Thomann, G., Wehner, T., Clases, C. (2016). Scheitern in der Führung. In: Kunert, S. (eds) Failure Management. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-47357-3_6
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