Zusammenfassung
Wir nennen historisches Bewußtsein das Wissen von der Geschichte. Aber nicht als dieses Wissen von etwas, das geschah, wie jederzeit überall irgend etwas geschieht, sondern dieses Wissen erst, sofern es das Geschehene erfaßt als die objektiven Voraussetzungen unseres gegenwärtigen Daseins, und zugleich als ein Anderes, das, indem es selbst gewesen, für sich einmalig und einzigartig war. Dieses historische Bewußtsein ist erfüllt in den Geschichtswissenschaften. Es bewährt sich in dem umfassenden panoramischen Bilde einer Weltgeschichte und in der — immer nur begrenzten — Fähigkeit, gegenwärtig Bestehendes aus seinem Vergangenen zu interpretieren. Im historischen Bewußtsein stehen wir wissend und forschend dem Geschehenen doch immer nur gegenüber, es betrachtend und nach seinen Ursachen befragend. Auch das Gegenwärtige wird, indem es darin zum Objekt wird, betrachtet, als ob es schon geschehen wäre. Das historische Wissen ist ferner auf das Öffentliche gerichtet, auf das Soziologische, Politische, auf die Einrichtungen und Sitten, auf Werke und Wirkungen. Es ist für mich nicht als für diesen Einzelnen da, sondern für mich als den Fall eines gegenwärtigen Menschen, oder gar für den Fall eines Menschen überhaupt, der nur zufällig heute lebt, darum zwar begrenzt ist im Wissen auf die Inhalte des bisher Geschehenen, nicht aber begrenzt in der Art des Wissens. Ich als Einzelner bin in diesem Wissen nicht ich selbst, sondern Bewußtsein überhaupt, bin als Wissender getrennt von dem Objekt, das ich weiß.
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Jaspers, K. (1956). Geschichtlichkeit. In: Philosophie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-38467-1_4
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