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Verdächtiger Raum

Konstruktionen des Verdachts entlang polizeilicher Repräsentationen des Raums

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Stadt. Raum. Institution
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Zusammenfassung

Die Schleierfahndung stellt eine spezifische Form der proaktiven Polizeikontrolle dar. Im Grenzgebiet verschiedener Bundesländer ist die Polizei befugt, anlassunabhängig Personen aufzuhalten, deren Identität festzustellen und sie zu durchsuchen. Neben der Kontrolle der Migration soll damit die sog. grenzüberschreitende Kriminalität bekämpft werden. In diesem Beitrag wird gezeigt, dass die Bekämpfung sog. grenzüberschreitender Kriminalität eine spezifische Form des polizeilichen Verdachts voraussetzt und reproduziert, der sich an äußerlichen und verhaltensbasierten Merkmalen orientiert.

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Notes

  1. 1.

    Diese Ausnahme meint keinen Ausnahmezustand im Sinn Carl Schmitts, sondern einen zweiter Ordnung; Kretschmann und Legnaro, 2018.

  2. 2.

    Ich subsumiere im Folgenden beide unter deviantem Verhalten.

  3. 3.

    Feest und Blankenburg bestimmten allerdings auch den „spezialisierten Verdacht“ als ein relativ vages „Fingerspitzengefühl“ (ebd.: 40) und verorteten diesen ebenfalls im Bereich dessen, was ich unter einer proaktiven Kontrolle verstehe. Ich halte es daher für zielführend, den spezialisierten Verdacht enger zu fassen und auf solche Kontrollen zu beschränken, welche über einen Bezug zu einem spezifischen Delikt verfügen, weswegen ihm bspw. Täter:innenbeschreibungen zugrunde liegen können.

  4. 4.

    Für lurking und loitering als relevante Kategorien der polizeilichen Verdachtsgenese siehe für das britische Beispiel Bland, 2021.

  5. 5.

    So ergibt sich aus einem Gespräch mit einem Beamten: „In den Zügen treffe man regelmäßig auf junge Prostituierte aus Osteuropa. Diese würden wöchentlich zwischen den Bordellen ausgewechselt. […] Bei ihnen würden sie immer etwas ‚Gift‘ finden, aber eben nur kleinere Mengen (also für den Eigengebrauch)“ (FP_210915, Pos. 18).

  6. 6.

    Verstanden im Gegensatz zu virtuellen Räumen.

  7. 7.

    Sie versicherheitlicht darüber hinaus auch die Folgen der Heterogenität von Lebensstandards in den unterschiedlichen Nationalstaaten – und den sich daraus ergebenden Migrationsbewegungen.

  8. 8.

    Sofern diese ein kongruentes Bild eines Handarbeiters/-werkers ergeben, und die Arbeitsutensilien ihrerseits nicht den Verdacht erwecken, geklaut zu sein: Im Fall einer beigeführten Säge führte dies im Lauf der Beobachtung einmal zu einer kurzen, jedoch schnell beigelegten Diskussion zwischen den Beamt:innen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Säge erstens gar nicht so teuer sei, und zweitens die restliche Ladung des Autos auf einen handwerklichen Beruf des Betroffenen schließen lasse.

  9. 9.

    In einem Fall schlossen die Beamt:innen aus der Nichtidentität von Fahrer:in und Halter:in, dass ein junger Mann sich das Auto seiner Mutter für einen Roadtrip mit Freund:innen geliehen hätte – was für sie den Verdacht nach jugendspezifischen Delikten (insb. Marihuanakonsum) konstituierte.

  10. 10.

    Womit also nicht ausgeschlossen werden kann, dass für die Polizist:innen der Faktor der zugeschriebenen Ethnizität relevant gewesen ist.

  11. 11.

    Eine weitere mögliche Interpretation ist, dass Nicole die institutionell rassistische Form der Verdachtsgenese, die sie bei ihren Kolleg:innen beobachtet, ‚ungefiltert ausplaudert‘, während sie dabei jedoch die Spezifika der ‚grenzüberschreitenden Kriminalität‘ außen vor lässt – woraufhin sie schließlich zurechtgewiesen wird; danke an Stephanie Schmidt für den Hinweis.

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Thurn, R. (2023). Verdächtiger Raum. In: Hunold, D., Brauer, E., Dangelmaier, T. (eds) Stadt. Raum. Institution. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-41824-3_3

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