Zusammenfassung
In diesem Beitrag geht es um Erinnerungen an und Berichte über Gewalt in der Familie, vor allem sexuelle Gewalt, durch Angehörige, Stiefeltern oder Bekannte aus dem nahen Umfeld der Familie. Dafür wird an die Studie zur Aufarbeitung sexueller Gewalt in Familien von 1945 bis in die Gegenwart angeschlossen (Andresen et al. 2021). Im ersten Abschnitt wird darüber informiert, warum der Zusammenhang von Familie und sexueller Gewalt ein Thema der gesellschaftlichen Aufarbeitung ist (1), daran anschließend werden die konzeptionelle und methodische Vorgehensweise der Studie vorgestellt (2). Im Zentrum stehen ausgewählte Ergebnisse über die Kommunikation in der Familie aus der Sicht der inzwischen erwachsenen Betroffenen (3). Im letzten Abschnitt werden familientheoretische Überlegungen aufgegriffen (4).
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Notes
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Im Strafrecht wird der Begriff „sexueller Kindesmissbrauch“ verwendet, in Forschung, Aufarbeitung und öffentlicher Thematisierung werden häufig die Begriffe „sexualisierte“ oder „sexuelle Gewalt“ verwendet. Diese sind mit theoretischen und normativen Überlegungen hinterlegt. Jeder Begriff hat Grenzen. Ich verwende hier neben „sexueller Gewalt“ auch den des sexuellen Kindesmissbrauchs. Letzteres deshalb, weil die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs diesen Begriff im Titel hat und ihn ebenfalls in vielen Publikationen und Stellungnahmen verwendet https://www.aufarbeitungskommission.de/ (Zugegriffen: 29. Juni 2022).
- 2.
Wie viele Kinder und Jugendliche weltweit von welchen Formen sexualisierter Gewalt betroffen sind, ist nach wie vor gering erforscht. Aktuell wird von einer durchschnittlichen Betroffenheit von 11,8 % der Kinder und Jugendlichen (Stoltenborgh et al., 2011) ausgegangen. Differenziert man diese Zahl, berichten Frauen signifikant häufiger von sexuellem Missbrauch in Kindheit und Jugend als Männer. Dies wird einerseits als Abbild der tatsächlich häufigeren Übergriffe gegen Mädchen gesehen. Gleichzeitig wird vermutet, dass es Jungen und Männern schwerer fällt, von widerfahrener sexualisierter Gewalt zu berichten (Jud et al., 2016, S. 42). Eine Metastudie auf Basis von 55 Arbeiten (Barth et al., 2013), in denen Kinder direkt befragt wurden, schätzt eine Prävalenz von 8 bis 31 % bei Mädchen und von 3 bis 17 % bei Jungen. Bei diesen Zahlen muss berücksichtigt werden, dass die Definition für sexuellen Missbrauch und der Zeitpunkt der Befragung Einfluss auf die Ergebnisse haben (Jud et al., 2016, S. 43). Neben Übergriffen im sozialen Nahraum, durch Bekannte, in Institutionen oder durch Fremde, sind sexualisierte Ausbeutung und Menschenhandel weitere Felder. Neuere Forschungen belegen, dass sexualisierte Übergriffe durch Peers beziehungsweise unter Kindern und Jugendlichen häufiger sind als angenommen (Maschke, 2017). Zudem ist sexualisierte Gewalt durch Neue Medien beziehungsweise ihre Rolle bei sexualisierter Gewalt ein zunehmend relevantes Thema (Dekker et al., 2016).
- 3.
Zur diversitätsgerechten Schreibweise: Die Verwendung des Doppelpunktes oder Sternchens ist in diesem Feld problematisch, weil sie verschleiert, dass, nach allem, was aus der Forschung bekannt ist, die größere Gruppe an Personen, die sexuelle Gewalttaten gegen Kinder und Jugendliche verüben, männlichen Geschlechts ist. Darum verwende ich in diesem Fall ‚Täter und Täterinnen‘. Dort, wo ansonsten Personengruppen genannt werden, verwende ich den Doppelpunkt. Den Begriff der Zeugenschaft definiere ich als einen Vorgang des Zeugnisablegens durch Zeug:innen.
Literatur
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Andresen, S. (2023). Familie und Gewalt. Zeugenschaft als Erkenntnisquelle für die Familienforschung. In: Schierbaum, A., Ecarius, J., Krinninger, D., Uhlendorff, U. (eds) Familie, wozu?. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-41352-1_4
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