Emotion, Habitus und Staat im Spiegel semifiktionaler Literatur: Zur soziologischen Interpretation von Pjotr N. Krasnóws Roman „Vom Zarenadler zur roten Fahne“ (1922)

Zusammenfassung

Aus der großen Menge literarischer Bewältigungsversuche des dramatischen oder auch tragischen Übergangs Russlands vom dynastischen Vielvölkerstaat hin zum revolutionär umgewälzten, sich als übernational definierenden Arbeiter- und Bauernstaat sticht ein ganz besonderer Text heraus: der 1922 erstmals erschienene Roman des Kosakengenerals Pjotr N. Krasnów Vom Zarenadler zur roten Fahne. Er fußt ganz stark auf Selbsterlebtem und kann als semifiktionales autobiographisches Dokument gelesen werden. Darin geht es um den beschreibenden und erklärenden Stellenwert von starken, sich an die Überlebenseinheit „Staat“ heftenden „Wir-Gefühlen“ (Elias), unter ihnen des „Nationalismus“. Wie kam es zum Verlust der Autorität von Zar und Regime, zur Erosion oder Zerstörung ihres „Erb-“ oder „Gentil“-Charismas (Max Weber)? Welche Bedeutung kommt dabei der Zelebrierung des Blutopfers zu, das zu einem möglichen Bestandteil eines russischen Kriegerhabitus gerechnet werden könnte? Literarisch gewonnene Einsichten bereichern, so die Schlussfolgerung aus diesem Aufsatz, auch die soziologische Forschung von Nationalismus und Habitus theoretisch wie empirisch, falls sie in einer wissenssoziologischen Interpretation als gültig angesehen werden können.