Zusammenfassung
Die Hansestadt Hamburg hat das Programm „Work and Integration for Refugees“ (W.I.R) in den Jahren 2015/2016 unter dem Eindruck des Fachkräftemangels und der Fluchtzuwanderung entwickelt. Ziel des Programms war es, Geflüchtete mit sogenannten guten Bleibeperspektiven schnellstmöglich dem Arbeits- oder Ausbildungsmarkt zuzuführen. Recht bald wurde das W.I.R intern umstrukturiert, bis es schließlich Ende des Jahres 2020 in das auf die Beratung und Orientierung von zuwandernden Fachkräften spezialisierte Hamburger „Welcome Center“ integriert wurde. Der Beitrag zeichnet diese Prozesse vor dem Hintergrund der arbeits- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen nach und zeigt, wie Geflüchtete für den Arbeitsmarkt optimiert werden sollen.
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Notes
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In diesem Projekt hat Manpower ein Schulungsprogramm sowie Informationsmaterial für die hauseigenen Vermittler*innen entwickelt. Sie sollten auf kulturelle Differenzen angemessen reagieren lernen (Manpower 2015b).
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Den erforderlichen Berufsschul- und Deutschunterricht erteilte eine Berufsschule, die zwar verschiedene gewerblich-technische Ausbildungsgänge für Jugendliche mit (Lern-) Beeinträchtigungen bietet, aber damals wenig Expertise mit Geflüchteten und auch nur mit einem der genannten Berufe hatte. Deshalb wurden Lehrkräfte aus anderen beruflichen Schulen stundenweise für den Fachunterricht einbezogen.
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Meines Wissens haben diese neun Auszubildenden ihre Abschlussprüfungen bestanden. Offizielle Angaben zum „Erfolg“ dieser Ausbildungsinitiative finden sich – anders als zum medienwirksam initiierten Auftakt im Jahr 2015 – bezeichnenderweise weder bei der Hamburger Handwerkskammer, noch bei der Stadt oder dem Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB).
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Die in der Grafik verwendeten Abkürzungen stehen für Mitarbeiterkapazität (MAK), Berufliches Trainingszentrum (BTZ) und Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE). Das BTZ ist auf Personen mit psychischen Erkrankungen oder psychischen Beeinträchtigungen spezialisiert.
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Zu fragen ist jedoch, welcher Rahmen für die Beurteilung beziehungsweise die Zertifizierung angesetzt wird. Mir sind persönlich mehrere Fälle bekannt, in denen Menschen mit langjähriger Berufspraxis in der Gastronomie lediglich das Niveau der helfenden Tätigkeiten (zum Beispiel Fachkraft im Gastgewerbe statt Koch) zertifiziert wurde, weil sie nicht entsprechend den Regeln der klassischen europäischen Küche kochten.
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Die Frage, ob Geflüchtete wie alle anderen Arbeitssuchenden zu behandeln seien oder aber aufgrund ihrer besonderen Situation einer gesonderten Berücksichtigung bedürften, begleitete die Entwicklung des W.I.R Dabei ging es auch darum, den Eindruck zu vermeiden, Geflüchtete bekämen besondere, gar bessere Leistungen und mündeten schneller in Arbeit ein als die bereits ansässigen Hamburger Arbeitssuchenden (I-03, Agentur für Arbeit Hamburg Geschäftsleitung, Abs. 37).
Literatur
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Gesetze und Richtlinien
Asylverfahrensgesetz (AsylverfG)
Zuwanderungsgesetz (ZuwG)
Aufenthaltsgesetz (AufenthG)
Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG)
Richtline 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011. https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:337:0009:0026:de:PDF. Zugegriffen: 20. September 2020.
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Meyer, F. (2022). Das Hamburger Programm „Work and Integration for Refugees (W.I.R)“: Eine Transformation des Integrationssystems in Arbeit?. In: Transformationsprozesse am Fluchtort Stadt. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37421-1_3
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Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
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