Zusammenfassung
Befunde aus Forschungsprozessen zur Ankunft und Integration von Geflüchteten im Stadtstaat Hamburg und in der Gemeinde Lübeck, die im Zeitraum 2016 bis 2018 parallel durchgeführt wurden, verweisen auf politisch und administrativ bedingt unterschiedliche Handlungsstrategien, die auch Lebenslagen von Geflüchteten beeinflussen. Um Hintergründe dieser Differenzen aufzudecken, wurden Hamburger Befunde aus dem Forschungsprojekt „Transformationsprozesse am Fluchtort Stadt“ mit der Handhabung von Fluchtmigration in Schwäbisch Gmünd und Lübeck kontrastiert. Die Informationen zu Schwäbisch Gmünd wurden im Rahmen des DFG-Projekts „Transformationsprozesse am Fluchtort Stadt“ im Jahr 2020 erhoben, und die Befunde aus Lübeck resultieren aus dem vom BMBF geförderten Forschungsprojekt „Strategien zur Integration von besonders benachteiligten Bevölkerungsgruppen in den Wohnungsmarkt im Zuge eines nachhaltigen Transformationsprozesses“ (Breckner, I., & Sinning, H. (Hrsg.). Wohnen nach der Flucht. Wiesbaden: Springer VS. 2022). Beide Städte interessierten uns als Kommunen in Flächenstaaten mit fundierten Integrationskonzepten und Integrationserfolgen, die insbesondere in Schwäbisch Gmünd schon länger überregionale Aufmerksamkeit wecken und vielfach in bundesweiten Wettbewerben prämiert wurden. Diese vergleichende Analyseperspektive zielte darauf ab, diejenigen integrationspolitischen Strategien zu identifizieren, von denen Zugewanderte in besonderem Maße profitieren und die auch Transformationen am Fluchtort Hamburg anregen können.
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Notes
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Am 23.06.2020 fand online das Interview mit dem ehemaligen 1. Bürgermeister und Sozialdezernenten Dr. Joachim Bläse statt, der zusammen mit dem amtierenden Oberbürgermeister Richard Arnold über viele Jahre die Integrationspolitik der Stadt konzipiert und umgesetzt hat; er übernahm im Jahr 2020 das Amt des Landrates und beabsichtigt, Integrationspolitik auch in diesem weiteren räumlichen Umfeld zu verankern. Weitere Interviews erfolgten in Präsenz vor Ort vom 05. bis 07.10.2020 mit der Leiterin der „Stabsstelle Internationales, Integration und Europa“ Franka Zanek, mit dem Baubürgermeister Julius Mihm, mit den Stadtteilkoordinatorinnen Regina Schwarz und Christa Bareiß sowie mit Petra Walter und Karin Schwenk, die als Leiterinnen von zwei Projekten die Integrationsarbeit in Schwäbisch Gmünd wesentlich unterstützen. Ihnen sei allen für die tatkräftige Unterstützung unserer Forschung gedankt. Auf den Wegen zu den Interviews konnten ergänzend Beobachtungen in Stadtteilen durchgeführt werden, in denen sich das städtische Migrationsgeschehen konzentriert. Belege aus den Interviews zu den Integrationsstrategien sind im Text aus Gründen der Anonymisierung mit (ISG) gekennzeichnet.
- 2.
Von den Ende Dezember 2019 in Hamburg registrierten knapp 1,9 Mio. Einwohnern hatten 36,1 % einen sogenannten Migrationshintergrund und etwa die Hälfte dieser Gruppe noch eine ausländische Staatsbürgerschaft (Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig–Holstein 2020, S. 1). In Lübeck lebten Ende des Jahres 2020 knapp 220.000 Menschen, von denen 27 % durch einen Migrationshintergrund gekennzeichnet sind (Hansestadt Lübeck 2021).
- 3.
https://www.schwaebisch-gmuend.de/id-19-migranten-in-schwaebisch-gmuend.html. Zugegriffen: 19. Mai 2021.
- 4.
Dies sind „Sprache und Bildung“, „Wirtschaft und Arbeit“, „Wohnen und Stadtentwicklung“, „Soziales, Gesundheit und Sport“, „Aktives Zusammenleben“ und „Interkulturelle Öffnung der Institutionen“ (Stadt Schwäbisch Gmünd 2009, S. 16 ff.).
- 5.
https://www.schwaebisch-gmuend.de/zuwanderung-integration.html. Zugegriffen: 19. Mai 1921.
- 6.
Die christlich orientierte „Hoffnungsträger Stiftung“ hat seit dem Jahr 2016 in Baden-Württemberg mit Partnern an fünf Standorten vorwiegend geförderten Wohnraum als „gemeinsames Zuhause für Geflüchtete und Einheimische“ realisiert. In Schwäbisch Gmünd wurden im Jahr 2020 vier „Hoffnungshäuser“ mit 25 Wohneinheiten und zwei „Hoffnungsorte“ im „Hoffnungsblick“ mit 21 Wohneinheiten eröffnet (https://hoffnungstraeger.de/was-machen-wir/hoffnungshaeuser-und-hoffnungsorte/schwaebisch-gmuend/. Zugegriffen: 25.11.2021).
- 7.
https://www.foerdernundwohnen.de/unternehmen/unternehmensprofil/. Zugegriffen: 20. August 2021 (siehe hierzu auch den Beitrag von Umut Ibis in diesem Band).
Literatur
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Breckner, I. (2022). Transformationsimpulse für den Fluchtort Hamburg durch ‚Blicke über den Tellerrand‘: Integrationspolitische Handlungsansätze in Schwäbisch Gmünd und Lübeck. In: Transformationsprozesse am Fluchtort Stadt. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37421-1_11
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