Zusammenfassung
Wie andere (imaginierte) Kollektive, so sind auch Religionen dadurch gekennzeichnet, dass in ihnen Zugehörigkeiten geregelt werden und damit Unterscheidungen von Eigengruppe und Fremdgruppen einhergehen. Aufgabe einer rassismuskritischen Religionsdidaktik ist es, Zuschreibungspraktiken, Othering-Prozesse und Essentialisierungen zu kritisieren sowie religiöse Traditionen dahingehend zu befragen, welche Potenziale sie zum Unterlaufen von Grenzziehungen zwischen ‚uns‘ und ‚den Anderen‘ bieten.
Dieser Beitrag ist entstanden im Kontext des Forschungsprojekts REVIER (Religiöse Vielfalt erleben – deuten – bewerten. Religionspädagogische Untersuchungen zum Umgang Jugendlicher mit religiös pluralen Situationen) gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft GZ: WI 2715/1–1 und WI 2715/2–1
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Notes
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Zu diskutieren wäre, inwiefern es mit Blick auf die Geschichte sinnvoll ist, Begriffe wie Rassismus und Antisemitismus für vor- und frühneuzeitliche Kontexte zu verwenden, in denen bei der Stereotypisierung von als ‚anders‘ markierten Gruppen keine biologischen Kategorien im Vordergrund standen.
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Von „Religion als Sprachversteck für ‚Rasse‘“ sprach Paul Mecheril bei einer Podiumsdiskussion zum Religionsunterricht in Oldenburg am 22. Februar 2018. Ähnlich zu verstehen ist die Formulierung, dass „Religion als Äquivalent und Substitut für ‚Rasse‘“ gesehen werden könne (Lingen-Ali und Mecheril 2016, S. 20).
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Ob diese Einschätzung der Situation juristisch überzeugt, kann hier nicht näher diskutiert werden, erscheint mir aber als fraglich. Denn Artikel 4 Grundgesetz schützt auch die Religionsausübung von Musliminnen und Muslimen in der Schule, und ein deutlich sichtbares Gebet in der Pause verhindert nicht, dass Unterricht stattfindet.
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Vgl. zur Konstruktion des Gegensatzes von ‚weiß‘ und ‚nicht-weiß‘ Fereidooni (2016, S. 31–35).
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Vgl. auch das Schulbuch Religion entdecken – verstehen – gestalten für das Gymnasium, in dem sich die Zwischenüberschrift „Als Muslim in der modernen Welt“ findet (Koretzki und Tammeus 2001, S. 98). Es folgen Aussagen von Fatih Bayram, einem 21-jährigen Schüler, und seinem Vater Avni, einem Zimmermann. In der ersten Auflage wird dazu die in späteren Auflagen gestrichene Aufgabe formuliert: „Schildere einige Situationen, die für Avni und Fatih Bayram bei ihrer Einwanderung schwierig waren! Was würde dir schwerfallen, wenn deine Familie in ein türkisches Dorf ziehen würde?“ (Koretzki und Tammeus 2001, S. 208). Abgesehen davon, dass die Schüler*innen der 7. und 8. Jahrgangsstufen wenig Wissen über türkische Dörfer haben dürften und daher dazu angeregt werden, Klischees zu (re)produzieren, werden hier mögliche Differenzdimensionen wie ‚Stadt – Land‘, ‚deutsch – türkisch‘, ‚christlich – muslimisch‘ vermischt und im Kontext der Schilderungen im Buch das Bild vom Islam als einer nicht-modernen, bäuerlichen, nicht nach Deutschland passenden Religion gezeichnet.
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Derartige Konstruktionen von religiös ‚Anderen‘ lassen sich in evangelischen Religionsbüchern nicht nur bei der Darstellung nichtchristlicher Religionen wie Judentum und Islam finden, sondern auch bei der Darstellung des römischen Katholizismus. Schulbuch-Analysen von Kapiteln zur Reformationsgeschichte können hier Phänomene eines ‚Othering‘ in dem Sinne aufzeigen, dass ‚der‘ Katholizismus essentialisierend ‚dem‘ Protestantismus gegenübergestellt wird, um mit dieser Abgrenzung eine positive protestantische Identität zu konstruieren. Allerdings erscheint mir in diesem Kontext der Begriff des Rassismus als unangemessen. Zum einen verbinden sich Zuschreibungen konfessioneller Differenz in solchen Schulbuch-Kapiteln nicht mit weiteren Differenzdimensionen wie ‚Rasse‘, ‚Ethnizität‘ oder ‚Kultur‘. Zum anderen besteht zumindest im gegenwärtigen Deutschland kein grundsätzliches gesellschaftliches Machtgefälle zwischen den beiden großen westchristlichen Konfessionen.
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Leimgruber (2007, S. 101) bezeichnet in seinem Pionierwerk die „Begegnung als ‚Königsweg‘ interreligiösen Lernens“. Diese Formulierung ist seit der Erstauflage von Leimgrubers Arbeit 1995 häufig zustimmend zitiert, allerdings auch mit religionsdidaktischen Argumenten (Zimmermann 2015, S. 43–45) kritisiert worden.
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Ich beziehe mich auf den folgenden Absatz, der an die Beschreibung anschließt, „dass Kinder sich in den begegnungspadägogisch offerierten Kategorien [christlich, muslimisch etc.] zu verstehen lernen“: „Eine rassismuskritische Perspektive ermöglicht es PädagogInnen, diese an Rassekonstruktionen anschließenden Praktiken der Differenz zu erkennen und zu erfassen. Sie fordert nachdrücklich dazu auf, den Konsequenzen nachzuspüren und sich dazu zu verhalten. Nicht zuletzt zielt sie darauf, Veränderungs- und Handlungsmöglichkeiten zu erkunden und zu erproben, von denen weniger Gewalt ausgeht.“ (Lingen-Ali und Mecheril 2016, S. 23).
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Willems, J. (2022). ‚Religionistischer‘ Rassismus und Religionsunterricht. In: Fereidooni, K., Simon, N. (eds) Rassismuskritische Fachdidaktiken. Pädagogische Professionalität und Migrationsdiskurse. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37168-5_16
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