Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag diskutiert die verbreitete These, der zufolge populistisch-rechtsradikale Parteien ihre Position in sozioökonomischen Fragen grundlegend verändert haben, nämlich von einer marktradikalen hin zu einer etatistisch-egalitären Ausrichtung. Basierend auf Daten des Manifesto Project wird aufgezeigt, dass sich zwar einige entsprechende Tendenzen beobachten lassen, sich die These jedoch als nicht verallgemeinerungsfähig erweist. Die wirtschafts- und sozialpolitische Positionierung populistisch-rechtsradikaler Parteien war, ist und bleibt vielfältig
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Notes
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Erste Prüfungen zur Plausibilität und Robustheit rechtfertigen ein vorläufiges Arbeiten mit diesen Variablen, s. hierzu die online zur Verfügung gestellten Reproduktionsdaten und Robustheitsprüfungen (Biskamp, 2021). Weitere Validierungen sind jedoch notwendig.
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Genauer lautet die Formel RILE = ΣRI-ΣLE. „Rechte“ Quasisätze gehen also mit positiven, „linke“ mit negativen Vorzeichen ein. Berechnungen mit den in der Literatur ebenfalls vorgeschlagenen komplizierteren Formeln RILE = (ΣRI-ΣLE)/( ΣRI + ΣLE) oder RILE = Log(RI/LE) haben mehr Nachteile als Vorteile gezeigt, weshalb ich mich für die einfache Variante entschied. Für ausführliche Diskussion s. die Darlegung zur Robustheit (Biskamp, 2021).
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Im Einzelnen: Befürwortung von Marktfreiheit (+), Befürwortung angebotsseitiger Anreize (+), Befürwortung von Marktregulierung (−), Befürwortung ökonomischer Planung (−), Befürwortung/Ablehnung von Protektionismus (−/ + ), Befürwortung keynesianischer Nachfragepolitik (−), Befürwortung staatlicher Kontrolle über die Wirtschaft (−), Befürwortung von Verstaatlichung (−), neoklassisch-orthodoxe Positionen (+), marxistische Positionen (−), Befürwortung von sozialer Gleichheit (−), Ausbau/Begrenzung des Wohlfahrtsstaates (−/ + ), positive/negative Bezugnahme auf Arbeiter*innen und Gewerkschaften (−/ + ).
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Im Einzelnen: Befürwortung/Ablehnung von Nationalismus (±), Befürwortung/Ablehnung von Traditionalismus (±), Ablehnung/Befürwortung von Multikulturalismus (±), Befürwortung/Ablehnung von Law and Order (±), Befürwortung von Umweltschutz (−), Befürwortung/Ablehnung von europäischer Integration (-/ + ), Befürwortung/Ablehnung von Internationalisierung (−/ + ). Für Abb. 2 wurde die Skala invertiert, damit TAN-Positionen wie gewohnt unten stehen.
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Diese Begrenzung beeinflusst nur die Darstellungen, nicht die Regressionsrechnung, für die die unbegrenzte Variable verwendet wurde. In Abb. 4 sind die Werte auf den Bereich zwischen −2 und + 2 begrenzt, weil sonst wenige Ausreißer der Übersichtlichkeit geschadet hätten.
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In den online zur Verfügung gestellten Daten zu Reproduktion und Robustheitsprüfung (Biskamp, 2021) finden sich auch alternative Berechnungen als Spearman-Korrelation, als Regression mit Dummy-Variablen für größere Zeitabschnitte, auf Grundlage alternativer Berechnungen der Indizes sowie mit Fixed Effects für die Parteien. Die Zusammenhänge bleiben dabei im Wesentlichen dieselben, die Ausnahmen sind im Fließtext genannt.
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Im Einzelnen: 1. Wirtschaftspolitik im Innern (Befürwortung von Marktfreiheit (+), Befürwortung angebotsseitiger Anreize (+), Befürwortung von Marktregulierung (−), Befürwortung ökonomischer Planung (−), Befürwortung keynesianischer Nachfragepolitik (−), Befürwortung staatlicher Kontrolle über die Wirtschaft (−), Befürwortung der Verstaatlichung (−), neoklassisch-orthodoxe Positionen (+), marxistische Positionen (−)). 2. Protektionismus nach außen (Befürwortung/Ablehnung von Protektionismus (−/ + )). 3. Wirtschaftspolitik insgesamt (Wirtschaftspolitik im Innern + Wirtschaftspolitik nach außen). 4. Wohlfahrtsstaat und soziale Gerechtigkeit (Befürwortung von sozialer Gleichheit (−), Ausbau/Begrenzung des Wohlfahrtsstaates (−/ + )). 5. Position zu Arbeiter*innen und Gewerkschaften (positive/negative Bezugnahme auf Arbeiter*innen und Gewerkschaften (−/ + )).
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Im Einzelnen: 1. Nationalismus (Befürwortung/Ablehnung von Nationalismus (±)). 2. Migration (Befürwortung/Ablehnung von Migration (±) – ist immer auch im Nationalismus enthalten und für frühere Jahre nicht erfasst). 3. Traditionalismus (Befürwortung/Ablehnung von Traditionalismus (±)), 4. Multikulturalismus (Ablehnung/Befürwortung von Multikulturalismus (±)). 5 Law and Order (Befürwortung/Ablehnung von Law and Order (±) – lange Zeit nur Befürwortung erfasst). 6. Umweltschutz (Befürwortung von Umweltschutz (−) – Ablehnung wird nicht erfasst). 7. Europäische Integration und Internationalismus (Befürwortung/Ablehnung von europäischer Integration (−/ + ), Befürwortung/Ablehnung von Internationalisierung (−/ + ).
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Biskamp, F. (2022). Ein sozioökonomischer Linksruck im Rechtspopulismus? Die sozioökonomische Positionierung radikaler Rechtsparteien in europäischen Wohlfahrtsstaaten. In: Sorce, G., Rhein, P., Lehnert, D., Kaphegyi, T. (eds) Exkludierende Solidarität der Rechten. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-36891-3_3
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Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
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