Zusammenfassung
In diesem Kapitel soll die praxisorientierte Darstellung neuer, wissenschaftlich aufbereiteter Analysemöglichkeiten innerhalb der Polizei für die Zwecke der (kommunalen) Kriminalprävention am Beispiel (Mittel-)Hessens erfolgen. Es wurde ein Schema für das künftige Vorgehen im Rahmen fundierter, regionaler Kriminalitätsanalysen entwickelt, die unabdingbar für kommunale kriminalpräventive Bemühungen sind. Bisher werden im Bereich der polizeilichen Präventionsarbeit lediglich rudimentäre Analysen aufgestellt, die zudem mit einigem Aufwand verbunden und in ihrer Aussagekraft begrenzt sind. Ziel der neuen Abfragemöglichkeiten ist es insbesondere, relevante Daten schnell und ressourcenschonend aufbereiten und für eine nähere Analyse sowie darauf aufbauende strategische Polizeiarbeit übersichtlich zur Verfügung stellen zu können. Auf dieser Grundlage können – insbesondere in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Kommune – zielgerichtete Präventionsmaßnahmen initiiert werden. Den bisher in den polizeilichen Abfragen und Analysen auftretenden Problemen sollen neue Lösungsmöglichkeiten gegenübergestellt werden. Im Ergebnis werden in zwei benutzerfreundlichen Oberflächen zum einen Fall- und Personenanalysen und eine Zusammenführung dieser Informationen sowie eine georeferenzierte, visualisierte Darstellung der Falldaten unter Einbeziehung von Erkenntnissen aus Bevölkerungsbefragungen ermöglicht. Ausgangspunkte der polizeilichen Analyse- und Handlungsmöglichkeiten bilden zwei wichtige Ansatzpunkte proaktiver Polizeiarbeit, die – bisher in Deutschland kaum erprobten – Konzepte des „Hot-Spot“- und „Problem-Oriented-Policing“.
Unter Mitarbeit von Ines Schiller.
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Notes
- 1.
Die Ergebnisse in diesem Kapitel sind Teil des vom BMBF geförderten Forschungsprojektes AKTIO (Sicherheitsaufgabe Kriminalprävention). Das Projekt zielte auf die Reduktion von Kriminalität und Unsicherheitsgefühlen in der Bevölkerung durch wirksame kriminalpräventive Maßnahmen. Kernelement des Projekts war es, die kommunale Kriminalprävention zu analysieren und zu optimieren und die Vernetzung zwischen Polizei, Kommune, Wissenschaft sowie der Bevölkerung zu fördern. Im Mittelpunkt stand hierbei die Polizei als Anwender des Projektes. Die praktischen Möglichkeiten für die Durchführung fundierter regionaler Kriminalitätsanalysen, auf Grundlage derer sich problemorientierte kriminalpräventive Strategien umsetzen lassen, wurden untersucht.
- 2.
Das Innovation Hub 110 ist an das hessische Polizeipräsidium für Technik angegliedert und unterstützt die zehn hessischen Polizeibehörden und das LPP bei der Entwicklung und Implementierung von digitalen Projekten. Ein entscheidendes Ziel ist es, mit zu entwickelnden Softwareanwendungen die tägliche Polizeiarbeit zu erleichtern.
- 3.
Die hier angegebenen Zahlen weichen von den in der PKS erfassten Zahlen ab und können mit diesen auch nicht verglichen werden. In der PKS ist der Berichtszeitraum des Jahres 2019 abgebildet, In den hier vorliegenden Analysen handelt es sich um den Tatzeitraum. Hinzu kommt u. a., dass vorliegend sowohl Führungs- als auch Nichtführungsdelikte Berücksichtigung fanden, in die PKS fließen lediglich Führungsdelikte ein. Zudem fand an dieser Stelle (noch) keine händische Bereinigung sowie ein georeferenzierter Export der Daten statt, sodass vereinzelt Fälle enthalten sind, bei denen (fälschlicherweise) seitens der Sachbearbeiter*innen im Rahmen der Tatortbeschreibung „Gießen“ angegeben wurde, diese aber lediglich auf den Kreis Gießen entfallen. Damit unterscheidet sich die Datengrundlage, die der gesamtkommunalen Betrachtung zugrunde liegt von der Datengrundlage auf Meso- und Mikroebene (also Stadtteil- und Rasterzellenebene).
- 4.
Die Tatverdächtigenbelastungszahl gibt die Anzahl der Tatverdächtigen pro 100.000 Einwohner*innen des entsprechenden Bevölkerungsanteils (ohne Kinder unter 8 Jahren) an.
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Daschmann, I., Herden, F. (2023). Erhebungs- und Analysemethoden der zukunftsorientierten Polizeiarbeit für die Zwecke der (kommunalen) Kriminalprävention. In: Rüdiger, TG., Bayerl, P.S. (eds) Handbuch Cyberkriminologie 1. Cyberkriminologie – Theorien, Methoden, Erscheinungsformen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35439-8_10
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