Zusammenfassung
Mentoring gewinnt für die Herausforderungen unserer Zeit eine besondere Bedeutung. Die in der Diskussion auf die kurze Formel „VUCA“ reduzierte Wahrnehmung der Gegenwart bringt besonders die gefühlte Bedrohlichkeit der zunehmenden Schnelllebigkeit (Rosa 2016, s. 27) und Unwägbarkeit des Lebens und der Abläufe auf den Punkt (Rosa verweist darauf, dass im strengen Sinn Zeit natürlich nicht beschleunigt werden kann. Die Gleichzeitigkeit von Prozessen und Wahl von Optionen führt dennoch zu einer solchen Wahrnehmung). Auf der Suche nach Orientierung, haltgebenden Beziehungen, Weisheit für Entscheidungen und Entwicklung des Selbst, bietet Mentoring ein interessantes Lernfeld. Seinen Sinn erhält Mentoring dabei vor allem in Bezug auf persönliche und berufliche Weiterentwicklung. Für die Profession und Rolle kann es verunsicherte Identitäten stärken und fehlende Netzwerke und Beziehungen schaffen. Der direkte Kontakt, die Begegnung mit Feedback und Raum zum Sein und zum Lernen – das ist ein Wesenskern von Mentoring, der die Person als Ganzes fördert. Hier bietet sich Entwicklungsraum und die Möglichkeit der Neuausrichtung – Komplexität wird reduziert durch Konkretion im Fokus auf den subjektiven nächsten Schritt.
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Notes
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Rauen (2008) sieht gerade als Innovation des neueren Coachings die Kombination bestehender Modelle, was die Integration betont, damit jedoch die klare Abgrenzung aufweicht.
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Dabei ist neben den ursprünglichen Vertretern, wie semiprofessionelle Lehrer, Pfarrer etc. auch die verloren gegangene Lebensanleitung in Familie durch Eltern, Großeltern, Verwandte, bis hin zu den Nachbarn in den Blick zu nehmen (Schubert et al. 2019, s. 2).
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Nachteile und Gefahren finden sich u. a. bei Belardi (2018, s. 68), der von errichteten Seilschaften und einer zu großen Abhängigkeit in der Beziehung spricht, die u. a. die Selbstverantwortung des Mentees schmälern könnte.
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Offen bleibt hier jedoch, welche Gründe dazu beitragen, dass die Teamentwicklung vor der individuellen Weiterentwicklung steht.
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„Mentoring ist eine zeitlich relativ stabile dyadische Beziehung zwischen einem/einer erfahrenen MentorIn und seinem/r/ihrem/r weniger erfahrenen Mentee. Sie ist durch gegenseitiges Vertrauen und Wohlwollen geprägt, ihr Ziel ist die Förderung des Lernens und der Entwicklung sowie das Vorankommen des/der Mentees.“
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Im Gegensatz zu Coaching scheint Mentoring anhand der nachzuweisenden Verbände und Mitglieder sehr gering vertreten (Passmore et al. 2018, s. 8). Dagegen sind Mentoringprogramme in deutschen Hochschulen und in Organisationen weit verbreitet und inzwischen zunehmend gut erforscht (Höher 2014; Lödermann 2013; Mölders 2018). Der Forschungsschwerpunkt liegt jedoch in den USA (Pflaum 2017, s. 22).
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Mentoring kann hier verschiedene Organisationsziele (Graf und Edelkraut 2014, s. 227) unterstützen: vernetzen, lernen, verändern, weitergeben von Wissen.
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Rotering-Steinberg (2009, s. 41) führt einzeln und differenziert: „1. Formelles Mentoring, 2. Informelles Mentoring, 3. Internes Mentoring, 4. Externes Mentoring, 5. Organisiertes Mentoring, 6. Unstrukturiertes Mentoring, 7. Cross-Mentoring“ auf, ohne diese Ansätze zu clustern oder durch die Gliederung zuzuordnen. Dabei sind vor allem zwischen Informellem Mentoring und unstrukturiertem klare Bezüge herzustellen, wie auch zwischen formellem und organisiertem und darin wiederum dem Cross-Mentoring (als Unterform des Externen Mentorings).
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Die Linie des väterlichen Freundes, zieht sich generell durch die geschichtliche Entwicklung des Begriffs und der dokumentierten Beziehungen (Graf und Edelkraut 2014, s. 3).
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In der deutschsprachigen Literatur findet sich dieser Ansatz in der Begrifflichkeit des „kooperativen Lernens“ und im Zusammenhang von E-Learning (Nikodemus 2017).
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Klein, J. (2021). Die Bedeutung von Mentoring in der VUCA-Welt. In: Surzykiewicz, J., Birgmeier, B., Hofmann, M., Rieger, S. (eds) Supervision und Coaching in der VUCA-Welt. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32692-0_2
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