Zusammenfassung
Das dominante Bild des Wiener Kreises in der Forschung ist das einer naturwissenschaftlich und logisch-mathematisch in Richtung Einheitswissenschaft ausgerichteten Wissenschaftsphilosophie, später „International Encyclopedia of Unified Science“ genannt. Das hat auf den ersten Blick sicherlich seine Berechtigung, wenn man die akademische Herkunft seiner Mitglieder betrachtet und die wichtigsten Publikationen in Betracht zieht (Stadler 2015b).
Damit treten aber die seit Beginn vorhandenen Bemühungen einer Beschäftigung mit den Sozialwissenschaften unter Berücksichtigung von Psychologie, Geschichte und Ökonomie in den Hintergrund. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das eigenständige akademische Fach Soziologie an den Universitäten in Österreich erst sehr spät etabliert wurde und die Sozialwissenschaften vor allem im Rahmen der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät ihren Platz fanden. (Stadler 2015c) Umso wichtiger waren die umfangreichen außeruniversitären Aktivitäten im Rahmen der Wiener Volksbildungsbewegung von der Jahrhundertwende bis in die Zwischenkriegszeit. Im Folgenden wird auf die Rolle der Sozialwissenschaften im Wiener Kreis eingegangen, um danach als Fallstudie Otto Neuraths Position am Beispiel seines Buches Empirische Soziologie (1931) exemplarisch für den Logischen Empirismus zu behandeln.
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Notes
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Hier sind ergänzend noch die Buchreihen Einheitswissenschaft, Library of Unified Science, Foundations of the Unity of Science sowie Ergebnisse eines Mathematischen Kolloquiums zu nennen (Neurath et al. 1970).
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Siehe Wissenschaftliche Weltauffassung (Verein Ernst Mach 1929, Reprint 2012).
- 4.
- 5.
- 6.
Englisch hg. von Robert S. Cohen und Ingeborg Helling (2014).
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- 8.
- 9.
So gibt es z. B. in der International Encyclopedia of the Social and Behavioral Sciences (Sills 1979) nur Einträge über Rudolf Carnap, Carl G. Hempel, Karl Popper.
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- 11.
Einschlägige Vorträge u. a. von Otto Neurath, Edgar Zilsel, Otto Bauer, Hans Zeisel, Karl Polanyi, Heinz Hartmann, Richard Strigl, Egon Brunswik, Wilhelm Reich.
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Zur aktuellen Mach-Forschung: Stadler (2019a, b), Banks und Preston (2021). Sowohl im Austro-Marxismus (F. Adler, O. Neurath, K. Polanyi), in der empirischen Sozialforschung (M. Jahoda, P. Lazarsfeld, H. Zeisel) und in der liberalen „Österreichischen Schule“ (C. Menger, J. Schumpeter, F. A. Hayek) finden sich diese fächerübergreifenden Rezeptionsspuren.
- 13.
Die erste Sammlung von Neuraths Schriften in Englisch erschien unter dem charakteristischen Titel Empiricism and Sociology (Neurath 1973).
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- 16.
Vgl. das Nachlassverzeichnis von Reinhard Fabian (1996).
- 17.
Zur aktuellen Neurath-Forschung (vgl. Cat und Tuboly 2019).
- 18.
- 19.
- 20.
In dieser Reihe wurden außerdem folgende Monografien publiziert: Rudolf Carnap, Abriß der Logistik (1928); Richard von Mises, Wahrscheinlichkeit, Statistik und Wahrheit (1928); Moritz Schlick, Fragen der Ethik (1930); Philipp Frank, Das Kausalgesetz und seine Grenzen (1932); Otto Kant, Zur Biologie der Ethik (1932); Rudolf Carnap, Logische Syntax der Sprache (1934); Karl Popper, Logik der Forschung (1935); Josef Schächter, Prolegomena zu einer kritischen Grammatik (1935); Viktor Kraft, Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre (1937).
- 21.
Zur Entstehungsgeschichte und Dokumentation (vgl. auch Manninen 2003 und seine Website).
- 22.
Nachfolgende Manuskripte im Nachlass Neurath, Reichsarchiv Nord, Haarlem, NL, 191/K2, 192/K3.
- 23.
Die gesamte Korrespondenz von Schlick und Neurath inkl. unveröffentlichter Schriften und Manuskripte befindet sich im Original im Reicharchiv Nord, Haarlem (NL).
- 24.
Stadler (1997, S. 59 f.) sowie die Korrespondenz von Schlick mit Fleck und mit dem Springer Verlag in den Jahren 1933/1934 (z. B. 05.09.1933, 16.03.1934).
- 25.
Im Detail dazu Manninen (2003).
- 26.
- 27.
Vgl. dazu den Artikel von Clemens Albrecht in diesem Band.
- 28.
In dieser Reihe erschienen in Zusammenarbeit mit Rudolf Carnap, Philipp Frank und Hans Hahn, ab Heft 4 mit Rudolf Carnap und Jörgen Jörgensen, ab Heft 7 mit Rudolf Carnap, Jörgen Jörgensen und Charles Morris im Wiener Verlag Gerold & Co., ab Heft 6 im holländischen Verlag Van Stockum & Zoon (Den Haag): Otto Neurath, Einheitswissenschaft und Psychologie (1/1933); Hans Hahn, Logik, Mathematik, Naturerkennen (2/1933); Rudolf Carnap, Die Aufgabe der Wissenschaftslogik (3/1934); Otto Neurath, Was bedeutet rationale Wirtschaftsbetrachtung? (4/1935); Philipp Frank, Das Ende der mechanistischen Physik (5/1935); Otto Neurath/Egon Brunswik/Clark Hull/Gerrit Mannoury/J.H. Woodger, Zur Enzyklopädie der Einheitswissenschaft (6/1938); Richard von Mises, Ernst Mach und die empiristische Wissenschaftsauffassung (7/1938). Darüber hinaus wurde im holländischen Exil eine Library of Unified Science, Monograph Series (8/9, 1939) gestartet: Heinrich Gomperz, Interpretation. Logical Analysis of a Method of Historical Research. Parallel dazu eine Library of Unified Science, Book Series: Richard von Mises, Kleines Lehrbuch des Positivismus. Einführung in die empiristische Wissenschaftsauffassung (I/1939); Hans Kelsen, Vergeltung und Kausalität (II/1941). Diese Publikationen sind größtenteils in Übersetzungen und Reprints wieder veröffentlicht worden (z. B.: Schulte und McGuinness 1987/1992; Mises 1951; Stadler 1990; Kelsen 1982).
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Inhalt: I. Einleitung; II. Problemstellung der Wirtschaftslehre; III. Wirtschaftlichkeit, Lebensstimmung, Lebenslage; IV. Wirtschaftlichkeit von Wirtschaftsordnungen; V. Lebenslagenphysiognomien, Lebenslagenkataster, Lebenslagenrelief; VI. Geldrechnung als kommerzielle Rechnung; VII. Geldrechnung als Idol; VIII. Naturalrechnung als Wirtschaftsrechnung.
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Contents: I. TERMINOLOGICAL EMPIRICISM AND THE SOCIAL SCIENCES: 1. Social Sciences and Analysis of Language; 2. Terminological Empiricism; 3. Observation Statements and Adopted Expressions; 4. Indistinct-but Univocal; 5. Unified Science and Cosmic History; 6. Accepted and Rejected Statements; 7. The Richness of a Sociological Vocabulary; II. SCIENTIFIC PROCEDURES IN SOCIOLOGY: 8. Aggregational Program; 9. Growing-out-of Phraseology; 10. Predictions based on Uniformity; 11. Corroborating and Supporting Hypotheses; 12. Unpredictability within Empiricism; 13. Unstable Uniformities and Social Engineering; 14. Social Silhouettes; 15. Ranking Social Items; 16. Arguing in the Social Sciences; 17. Systematized Transfer of Traditions; III. SOCIOLOGY AND THE PRACTICE OF LIFE: 18. Sociology of Sociology; 19. Argument, Decision, Action. Am Ende befindet sich ein für Neurath typischer Index of terms mit einer „Phraseology used in this monograph“ und (meist metaphysischen) „Expressions avoided in this monograph“ Vgl. dazu auch Neurath (1939a).
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Eine Ausarbeitung dieser Idee im Vergleich mit der Österreichischen Schule findet sich bei Linsbichler (2020). Zur Kontinuität des sozialwissenschaftlichen und wissenschaftsgeschichtlichen Denkens von Neurath im Rahmen seiner Enzyklopädie der Einheitswissenschaft (vgl. Stadler 2018 und Neurath 1998.
Literatur
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Menger, Karl (1974): Reminiscences of the Vienna Circle and the Mathematical Colloquium, Ed. by Louise Golland, Brian McGuinness, Abe Sklar, Dordrecht: Kluwer.
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Neurath, Otto (1913), „Die Verirrten des Cartesius und das Auxiliarmotiv“, Sonderdruck: Jahrbuch der Philosophischen Gesellschaft an der Universität Wien, Leipzig: Barth.
Neurath, Otto (1921): Anti-Spengler, München: Callwey (Reprint: Neurath 1981).
Neurath, Otto (1930): Gesellschaft und Wirtschaft. Bildstatistisches Mappenwerk des Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums in Wien. 100 Bildtafeln, 30 Texttafeln, Leipzig: Bibliographisches Institut.
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Neurath, Otto (1932): „Sozialbehaviorismus“, in: Sociologicus 8 (3), S. 281‒288.
Neurath, Otto (1935a): „Pseudorationalismus der Falsifikation“, in: Erkenntnis 4, S. 353‒365.
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Neurath, Otto (1991): Gesammelte bildpädagogische Schriften, hg. von Rudolf Haller und Robin Kinross, Wien: Hölder-Pichler-Tempsky Neuauflage: Wien: LIT Verlag 2021.
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Stadler, F. (2021). Sozialwissenschaften im Wiener Kreis – Zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte von Otto Neuraths Empirische Soziologie (1931). In: Acham, K., Moebius, S. (eds) Soziologie der Zwischenkriegszeit. Ihre Hauptströmungen und zentralen Themen im deutschen Sprachraum. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31399-9_12
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