Zusammenfassung
Parteien kommt bei der Rekrutierung von Personal für Wahlen und öffentliche Ämter sowie bei der Formulierung von politischen Inhalten praktisch eine Monopolstellung im politischen System Deutschlands zu. Dabei ist die Parteiorganisation horizontal und vertikal fragmentiert, die einzelnen Organisationseinheiten sind nur lose miteinander verkoppelt. Es lassen sich vier innerparteiliche Akteursgruppen unterscheiden, die unterschiedliche Ziele verfolgen und Ressourcen besitzen: die Parteiführung, die Parteispitze, mittlere Parteieliten und die Parteibasis. Grundsätzlich variiert die Machtverteilung von Partei zu Partei erheblich, so dass allgemeine Aussagen nur Tendenzen aufzeigen können.
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Notes
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So unter anderem die Entscheidung über die Kanzlerkandidatenfrage in der Union vor der Bundestagswahl 2002 zwischen Angela Merkel und Edmund Stoiber (D’Antonio und Werwath 2012; Langguth 2005, S. 225 ff.). In der FDP drängte Guido Westerwelle Wolfgang Gerhardt gleich zweimal erfolgreich aus Führungsämtern in Partei und Fraktion (Treibel 2012b).
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Genau diesen Verlauf nahmen die Prozesse in der Linken und der FDP zur Verabschiedung neuer Grundsatzprogramme 2011 bzw. 2012 (Oppelland und Träger 2012; Treibel 2012b). Aufgrund der dialogischen Konsenssuche vor der formalen Abstimmung konnten die neuen Programme erfolgreich ohne große Auseinandersetzung auf den jeweiligen Parteitagen verabschiedet werden.
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Die große Bedeutung der Parteiführung bei knappen Mehrheitsverhältnissen wurde zum Beispiel 1999 bei Bündnis 90/Die Grünen in der Debatte um einen möglichen deutschen Militäreinsatz im Kosovo-Konflikt deutlich (Switek 2012). Joschka Fischers engagierter Redebeitrag auf dem Bielefelder Parteitag sicherte schließlich dem Realo-Lager eine knappe Mehrheit.
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Beispiele hierfür sind der kontroverse Mitgliederentscheid in der FDP zum Euro-Rettungsschirm ESM im Herbst 2011 (Treibel 2012b) oder der heftige Streit um die Bildung einer neuen Parteiführung in der Linken auf dem Göttinger Parteitag im Juni 2012.
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Treibel, J. (2022). Innerparteiliche Entscheidungsprozesse. In: Korte, KR., Florack, M. (eds) Handbuch Regierungsforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30071-5_53
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