Zusammenfassung
Der Beitrag zeigt, dass sich Diskriminierung sowohl für Sozialarbeiter*innen als auch für Betroffene der bewussten Wahrnehmung entzieht. Neben der Polizei kann auch ‚uniformierte‘ Straßensozialarbeit zu Markierungs- und Stigmatisierungsprozessen und letztendlich zu Diskriminierung im öffentlichen Raum beitragen, insofern sie im Auftrag städtischer Sicherheitspolitiken agiert. Diskriminierung ausgesetzt zu sein kann zu einer Akzentuierung und Inszenierung von abweichenden Verhaltensweisen durch die Adressat*innen im Zuge einer Labelling-Dynamik führen. Gleichzeitig bieten aber Diskriminierungserfahrungen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer im öffentlichen Raum unerwünschten Gruppe Möglichkeiten zur biografischen Inszenierung jenseits der binären Fremdzuschreibung als Opfer oder potenziell Verdächtige. Im Artikel wird auf geschlechtsbezogene Zuschreibungen von Aneignungs- und Inszenierungsräumen und die Notwendigkeit einer intersektionalen Analyse verwiesen. Unbewusste Handlungsmuster und konkrete Handlungsräume von Sozialarbeitenden und ‚Betroffenen‘ im Umgang mit Diskriminierung auf der Straße werden aufgezeigt. In Anbetracht der aktuellen Erschwerung sanktionierungsfreier Sichtbarkeiten argumentieren die Autorinnen für den Erhalt eines Fokus auf ermöglichende Aspekte von Inszenierungspraxen im öffentlichen Raum.
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Notes
- 1.
Es handelt sich hierbei um ein fiktives Fallbeispiel.
- 2.
Die Zahl der dokumentierten rassistischen Vorfälle und Symbole steigt seit Jahren kontinuierlich an, etwa 15 % der Vorfälle betrafen den öffentlichen Raum (ZARA 2018, S. 12).
- 3.
Exemplarisch dafür in Wien die Gründung der Back on Stage Projekte 1992 (Verein Wiener Jugendzentren).
- 4.
Siehe weiter unten in diesem Artikel.
- 5.
In der US-Tradition race, gender, class, sonst auch (dis-)ability, soziale Herkunft, nationale Zugehörigkeit, Sprache, Religion, Alter, Hautfarbe, Religion, sexuelle Orientierung etc.
- 6.
People of Colour. Es wird versucht, in diesem Beitrag abwertende Bezeichnungen zu vermeiden. Allerdings verwenden Adressat*innen selbst in ihrer Alltagssprache durchaus Eigenbezeichnungen, die davon abweichen.
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Luimpöck, S., Wild, G. (2020). Inszenierung und Diskriminierung: Der öffentliche Raum als Schauplatz diskursiver Stigmatisierung und Benachteiligungsbewältigung. In: Diebäcker, M., Wild, G. (eds) Streetwork und Aufsuchende Soziale Arbeit im öffentlichen Raum. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28183-0_8
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