Zusammenfassung
Die sich etablierende und methodologisch ausdifferenzierende qualitative/rekonstruktive Schul- und Unterrichtsforschung findet als Fallarbeit und Kasuistik zunehmend Beachtung und Eingang in die Lehrer*innenbildung. Dabei steht bislang meist das Gegenstandsfeld Unterricht im Mittelpunkt des Interesses, indem verschiedene Aspekte unterrichtlicher Interaktion fokussiert werden.
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Notes
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Folgt man dieser Diagnose, erscheinen die begrifflichen Schwierigkeiten nicht durch verkürzte oder ungenaue Rezeptionen in der Erziehungswissenschaft erzeugt, sondern importiert.
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Beispielsweise geht Weber davon aus, dass jener „mehr oder minder einheitlich gemeinte Sinn“ von Gesetzen, sobald diese einmal „praktisch eingelebt“ seien (Weber 1988, S. 472), mitunter „völlig vergessen oder durch Bedeutungswandel verdeckt“ würde. Parallel dazu ginge „[m]it steigender Kompliziertheit der Ordnungen und fortschreitender Differenzierung“ das Wissen um die „Geltung“ der Rechtsnormen zurück, sodass ein entsprechendes Handeln in der Regel „ohne alle Kenntnis von Zweck und Sinn, ja selbst Existenz, der Ordnungen […] eingeübt“ würde (Weber 1988, S. 473).
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Thompson und Wrana sehen das Potenzial einer erziehungswissenschaftlichen Subjektivierungsforschung hinsichtlich der damit verbundenen Möglichkeiten, „Normativität“ weitergehend zu erforschen und zu erläutern darin, „dass eine Theorie der Normativität nicht ohne eine Theorie der Subjektivierung (im Sinne einer Theorie der Sozialitat von Subjektivität und Normativität) gedacht werden kann. Letztere kann verständlich machen, wie sich die Bindungskräfte an Normen entfalten. Normvollbringend findet das Subjekt seinen Platz in der soziosymbolischen Ordnung, die sich im Horizont der Norm re-aktualisiert und auf diese Weise eine Autorisierung und Autoimmunisierung vollzieht“ (2019, S. 176).
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Bender, S., Dietrich, F., Silkenbeumer, M. (2021). Schule als Fall – Zur Einführung. In: Bender, S., Dietrich, F., Silkenbeumer, M. (eds) Schule als Fall. Rekonstruktive Bildungsforschung, vol 25. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-27459-7_1
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