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Kontaktabbrüche und Unkündbarkeit bei Eltern-Kind-Beziehungen im Erwachsenenalter

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Die Freiheit zu gehen
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Zusammenfassung

Ein Kontaktabbruch stellt für Eltern und Kinder einen besonders drastischen Schritt dar. Ihre Beziehungen sind darauf angelegt, eng und dauerhaft zu sein, und die Beteiligten ihr ganzes Leben lang zu tragen. Darauf bezieht sich ihre Charakterisierung als „unkündbar“. Zu ihrer großen Wertschätzung gehört jedoch im Umkehrschluss die Verletzlichkeit der Beteiligten und die Schwere ihres Scheiterns, oft begleitet von moralischen Vorwürfen. Die Realität von Kontaktabbrüchen wirft dabei zwei Fragen auf, die Gegenstand dieses Beitrags sind. Zunächst stellt sich die Frage nach ihren typischen Erscheinungsformen, ihrer ethischen Struktur und Bewertung. Diese Frage vertiefe ich insbesondere mit Blick darauf, ob ihnen Pflichten im Wege stehen können, die erwachsene Kinder ihren Eltern gegenüber haben. Im Mittelpunkt steht dabei eine kritische Erörterung von Axel Honneths Überlegungen zu Rollenpflichten und einem „Austritt“ aus der Familie. Dazu gehört auch die Diskussion verschiedener Einwände, welche die Verbindlichkeit von solchen Rollenpflichten ablehnen, oder sie als nicht verbindlich genug erachten. Schließlich gehe ich der Frage nach, welche Folgen sich aus einer Rechtfertigung von Kontaktabbrüchen für die konzeptuelle Charakterisierung von Eltern-Kind-Beziehungen als unkündbar ergeben. Müssen wir, wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass Kontaktabbrüche zwar tragische, aber legitime Schritte darstellen können, nicht von der Kündbarkeit der Eltern-Kind-Beziehung sprechen? Oder können wir daran festhalten, sie als nicht vollständig aufkündbar zu betrachten?

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Notes

  1. 1.

    Aktuelle Zahlen zu Kontaktabbrüchen oder Belege dafür, dass sie zunehmen, wie zum Teil aus Betroffenenperspektive beklagt wird, habe ich bisher nicht gefunden. Ich vermute, dass die Hemmschwelle für einen Kontaktabbruch für Eltern insgesamt größer ist, nicht nur deshalb, weil sie eher für ihre Kinder verantwortlich gemacht werden, als umgekehrt, sondern auch, weil bei ihnen die Beziehungszufriedenheit oft etwas höher ist als bei ihren erwachsenen Kindern (Szydlik 2000, S. 106 f., 235 f.) und ggf. auch ein Kontakt zu den Enkelkindern verloren geht.

  2. 2.

    In dem Roman „Ein diskreter Held“ von Mario Vargas Llosa (2013) leidet man lange mit einer der sympathischen Hauptfiguren an ihren verwöhnten und missratenen Zwillingssöhnen, bis man schließlich erfährt, in welchem Ausmaß sie vernachlässigt wurden.

  3. 3.

    Vgl. Purdy (2015, S. 339) sowie Diane Jeskes Verweis auf den Film „Music Box – Die ganze Wahrheit“ von Constantin Costa-Gavras von 1989 (2008, S. 245 f.).

  4. 4.

    Für Fallbeispiele und hilfreiche Analysen siehe Kirchhöfer und Schröter (2014), Haarmann (2014) und Soliman (2014).

  5. 5.

    Diesem Motiv entspricht der Ausdruck „Funkstille“, den Soliman (2014) aus der Schifffahrt übernimmt. Er bezieht sich auf die Einstellung jedes Funkverkehrs um dadurch Notsignale senden und empfangen zu können.

  6. 6.

    Mit Shakespeare beschreibt Hoff Sommers den Verlassenen als einen Schatten, dessen Identität nicht mehr gesichert ist (1986, S. 447). Eine ähnliche Metapher findet sich heute auch bei dem sog. „Ghosting“, dem plötzlichen und unerklärten Kontaktabbruch eines Partners. Unwirklich wird dann mit dem verschwundenen Partner auch die gemeinsame Vergangenheit. Und gerade diese ungeklärte Abwesenheit kann eine unheimliche Präsenz entwickeln.

  7. 7.

    Hier ist vielleicht ein Vergleich zur Ehe hilfreich. Denn auch hier hat sich mit dem Zerrüttungsprinzip die Einsicht durchgesetzt, dass sich nicht alle Formen des hoffnungslosen Scheiterns einer Beziehung durch klare Schuldzuweisungen erklären lassen. Analog dazu könnte es auch in anderen Beziehungsformen eine größere Toleranz dafür geben, aus ihrem Scheitern Konsequenzen zu ziehen (vgl. Peuckert 2002, S. 39).

  8. 8.

    Inwiefern die hier veranschaulichend gebrauchte Kündigungs-Terminologie Eltern-Kind-Beziehungen und Kontaktabbrüchen sachlich gerecht wird, diskutiere ich im letzten Abschnitt.

  9. 9.

    Unter Verbindlichkeiten verstehe ich hier vorläufig ohne weitere Differenzierung gesetzlich ungeregelte Pflichten und Rechte, aber auch Verantwortlichkeiten und berechtigte Erwartungshaltungen.

  10. 10.

    Es ist bekannterweise das 2. Buch Mose, auf Altgriechisch Exodus genannt, als jüdisch-christliche Urszene der Befreiung, in dem das bekannte Gebot steht, seine Eltern zu ehren. In zeitgenössischen Auffassungen filialer Pflichten im Erwachsenalter liegt der Akzent weniger auf der leicht autoritär anmutenden Ehrerbietung – von Gehorsam ganz zu schweigen – sondern mehr auf der Unterstützung, persönlichen Zuwendung und (gegenseitigen) Wertschätzung. Ein anschauliches Beispiel ist die Aufzählung von Jeffrey Blustein: „Such duties are commonly thought to include supporting aged parents financially; taking care of sick parents; helping parents avoid the isolation and depression of retirement; proffering advice and criticism, not only when asked for but also when not asked for but needed; spending time with parents; sharing one’s disappointments and achievements with them; giving parents the opportunity to be with and enjoy their grandchildren. Some of the things (…) fall under the heading of helping parents when in need or trouble of some kind; others are more appropriately described simply as showing that one cares about, values, and respects one’s parents.“ (1982, S. 172).

  11. 11.

    Wobei die Phase des Selbständigwerdens stark von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig ist, wie etwa von längeren Ausbildungszeiten oder geringen Möglichkeiten zur beruflichen Etablierung.

  12. 12.

    Als frühe Blaupause dieser Kritik dient vor allem ein Beitrag von Jane English (English 2014), auch wenn sie darin Pflichten zwischen Eltern und erwachsenen Kindern nicht völlig ausschließt. Heute vertritt Barbara Bleisch (2015, S. 240, 258 ff.; 2018) eine ähnliche Position, in der sie zwar filiale Pflichten ablehnt, in der Rücksichtslosigkeit gegenüber der besonderen Verletzlichkeit von Eltern durch ihre Kinder aber eine moralisch kritikwürdige Haltung sieht. Darüber hinaus lehnt Rüdiger Bittner neben filialen Pflichten ausdrücklich auch Pflichten der Eltern im gemeinsamen Erwachsenenalter ab (2015, S. 227 f.).

  13. 13.

    Vgl. Magdalena Hoffmann zur „Exit Option“ als Hintergrundbedingung von Freundschaften (2014, S. 195).

  14. 14.

    Jeske selbst zieht allerdings einen anderen Schluss (vgl. Wiertz in diesem Band). Sie begreift Freundschaft als ein Projekt, das die Forderung in sich trägt, sich für seine Fortsetzung einzusetzen, wobei es „nicht immer zulässig [ist], Menschen zu verlassen, mit denen man eine von Vertrautheit und Fürsorge geprägte Geschichte hat.“ (2008, S. 232 f., 252). Leider führt sie diese Überlegung nicht weiter aus. Bittner karikiert eine solche Vorstellung mit der Bemerkung, ein Freund habe darin den Stand eines deutschen Beamten, einmal ernannt, kann man ihn nur bei schwersten Verfehlungen wieder loswerden (2015, S. 223). Kritiker einer starken Moralisierung der Freundschaft können immer zu Recht behaupten, dass eine Überbetonung von Pflichten in der Freundschaft Gefahr läuft, ihr den freiheitlichen Geist auszutreiben.

  15. 15.

    Für Hoff Sommers könnten höchstens unterdurchschnittlich schlechte Eltern ihre Ansprüche gegenüber ihren Kindern verspielen (1986, S. 441).

  16. 16.

    Genauer gesagt handelt es sich dabei überwiegend um Konzeptionen filialer Pflichten. Parentale Pflichten gegenüber erwachsenen Kindern werden in der Fachliteratur kaum diskutiert, in einigen Konzeptionen von filialen Pflichten aber mitgedacht. Eine vollständige Theorie parentaler Pflichten müsste jedoch bei der Entstehung der Beziehung ansetzen und würde eine starke Ausweitung der Diskussion benötigen. Aufgrund der asymmetrischen Beschaffenheit von Eltern-Kind-Beziehungen könnten auch Kontaktabbrüche vonseiten der Eltern noch einmal anders zu bewerten sein.

  17. 17.

    Wie Jeske (2008, S. 247) sehe ich darin einen wichtigen Prüfstein solcher Theorien.

  18. 18.

    Diese Figur liegt oft auch Rechtsregeln wie dem Elternunterhalt zugrunde. In der Debatte um filiale Pflichten wird meistens zwischen einer Pflicht zu Gegenleistungen und einer Pflicht zur Dankbarkeit unterschieden. Erstere deutet zuletzt etwa Ursula Wolf an (2015, S. 142 f.), letztere vertritt u. a. Blustein (1982, S. 176 ff.).

  19. 19.

    Vgl. exemplarisch Robert E. Goodin (1985) und für eine ausführliche Diskussion von Theorien moralischer Arbeitsteilung Jörg Löschke (2015a).

  20. 20.

    Viele dieser Ansätze sind zwar vor allem im Hinblick auf politische Pflichten diskutiert worden, beziehen sich aber auch auf familiäre Pflichten und Eltern-Kind-Beziehung. Vgl. zu einer Übersicht und luziden Kritik A. John Simmons (2001).

  21. 21.

    Auch wenn die meisten Eltern zu Beginn der Eltern-Kind-Beziehung eine Wahl haben, ob sie Eltern werden bzw. die Elternschaft übernehmen wollen. Die Unterscheidung von Beziehungen anhand von Kriterien wie freiwillig vs. nicht- oder unfreiwillig oder gewählt vs. nicht gewählt tendiert dazu, gegenläufige Aspekte auszublenden und Unfreiwilligkeit und Nichtwahl mit Zwang zu gleichzusetzen, wie Hardimon kritisiert (vgl. 1994, S. 347 f.). Eine differenzierte Entfaltung solcher Kriterien findet sich bei Hoffmann (2014).

  22. 22.

    Siehe zu interessanten Überlegungen, wie dies im Fall einer feministischen Anpassung der Mutterrolle geschehen könnte, Amy Mullin (2015, S. 299).

  23. 23.

    Hardimon zufolge können solche Selbstbindungen ergänzend hinzukommen, begründen damit jedoch nicht die basale Verbindlichkeit einer Rolle (vgl. 1994, S. 351, Fn. 31).

  24. 24.

    Eine schrittweise Entfaltung dieser Überlegungen bündelt Honneths Aufsatz-Sammlung „Das Andere der Gerechtigkeit. Aufsätze zur praktischen Philosophie“ von Honneth (2000a).

  25. 25.

    In der Formulierung von Kleingeld und Anderson: „Gerechtigkeit bildet gleichsam das Sicherheitsnetz für den Hochseilakt von Ehe und Familie.“ (2008, S. 289) Dort findet sich auch eine kritische Diskussion dieser Position.

  26. 26.

    Dieses Prinzip scheint hinter dem bekannten „Ich muss gar nichts!“ zu stehen. In der Literatur zu Kontaktabbrüchen finden sich entsprechende Berufungen auf ein „Recht zu Schweigen“, z. B. in dem Zitat: „‚Wo steht geschrieben, dass ich Gründe angeben muss? Und warum soll ich die Entscheidungsmacht darüber, ob meine Trennungsgründe gerechtfertigt sind oder nicht, meinen Eltern und Geschwistern überlassen? Richtig (!), dies steht nirgendwo geschrieben, und ich bin nicht verpflichtet, meine Entscheidungsmacht über meine Trennungsgründe an jene abzugeben, von denen ich mich getrennt habe‘, schreibt eine aufgebrachte Leserin.“ (Zit. nach Soliman 2015, S. 85).

  27. 27.

    Vgl. zur reflexiven Akzeptabilität insbesondere Hardimon (1994, S. 348).

  28. 28.

    Zum Teil verweise ich hier auf Argumente und Einwände, die sich auf ähnliche Theorien beziehen, aber auch für den Ansatz der Rollenpflichten relevant sind. Vgl.: Bittner (2015, S. 225); Bleisch (2015, S. 257 f.); Betzler und Bleisch (2015, S. 42).

  29. 29.

    Für Honneth ermöglichen alle persönlichen Beziehungen unter geglückten Bedingungen auf je spezifische Weise Formen der sozialen Freiheit. Diese sind in der Eltern-Kind-Beziehung eng mit der für diese Beziehung typischen Form der leiblichen Nähe verbunden (vgl. 2011, S. 306 f.). Sie wurzelt in der Vertrautheit aus der Zeit des Heranwachsens. In Kombination mit dem Abstand der Generationen ermöglicht sie es Eltern und Kinder einander „ein Spiegel von elementaren Lebensvollzügen“ zu sein, einen Blick in die Zukunft oder in die Vergangenheit zu werfen und an ihren Erfahrungen teilhaben zu lassen (ebd., S. 305). In ihrem Zusammensein können sie eine „spielerische(…) Einklammerung und Aufhebung der Altersgrenzen“ erleben (ebd., S. 308), nicht zuletzt im Zusammenhang mit Enkelkindern. Schließlich können sich im Angesicht von Altersbeschwerden die Generationenrollen verkehren. In dieser „Zyklizität kommt ein Element des Trostes zum Tragen, das nicht mit dem Faktum des Todes versöhnt, ihm aber doch die Schwere nehmen kann(…)“ (ebd., S. 309 f.). Auch die gütertheoretischen Überlegungen von Keller und Mills unterstreichen die Bedeutung von Eltern-Kind-Beziehung über die Kindheit hinaus (s. o.).

  30. 30.

    Vgl. Jörg Löschke (2015b, S. 361): „für die Autonomie einer Person sind die Ausstiegsbedingungen einer Beziehung relevanter als die Einstiegsbedingungen“ (S. 360). Bei Rollenpflichten würde Löschke aber nicht von einer Ausstiegsoption sprechen (S. 367), anders als etwa Honneth (2011, S. 301 f.).

  31. 31.

    Angelika Krebs referiert den Einwand, eine Orientierung an Pflichten könnte eine Beziehung auch zerrütten oder pflichtfreie Bindungskräfte blockieren, pointiert aber kritisch als „Pervertierungseinwand“ (2002, S. 91 f.).

  32. 32.

    In noch allgemeinerer Form finden sich kritische Einwände gegen moralische Urteile und Schuldzuweisungen bei Bittner, der von einer „Verwüstung“ durch Moral spricht (Bittner 2004).

  33. 33.

    Auch Kinder sind nicht davor gefeit, Eltern ständig in der Bringschuld zu sehen. Dazu kann auch die irreführende Perspektive beitragen, Eltern wären ausschließlich Versorger ihrer Kinder (vgl. Mullin 2015, S. 294).

  34. 34.

    Dies gilt auch für die Frage, ob nicht gerade der Begriff der „unvollkommenen Pflichten“ geeignet ist, um Rollenpflichten zu charakterisieren. Da dieser Begriff unweigerlich mit der kantischen Moralphilosophie assoziiert wird, müsste dann ausführlicher auf dessen Pflichtenlehre und deren sukzessiven Weiterentwicklung eingegangen werden. Meiner Einschätzung nach konvergiert der Begriff teilweise mit dem der Rollenpflichten, ohne ihn aber ganz abdecken zu können, wie auch ähnlich mit dem Begriff der Verantwortung.

  35. 35.

    In diese Richtung weist auch die englische Studie „Negotiating Family Responsibilities“ aus den 90er Jahren von Finch und Mason (1993, S. 167 f.).

  36. 36.

    Vgl. Nagl-Docekal (2014, S. 9 ff.); auf ihre fundamental ansetzende Kritik kann ich hier nur sehr oberflächlich eingehen.

  37. 37.

    Hier lässt sich auch mit Pillemer und Müller-Johnson (2007) auf eine für Generationenbeziehungen typische und strukturell bedingte Erfahrung von Ambivalenz verweisen.

  38. 38.

    Diese Überlegung erinnert etwas an Dixons Konzeption von residualen Pflichten (1995, S. 80). Darin argumentiert Dixon, dass enge Beziehungen je nach Intensität und Güte Pflichten erzeugen, die in abgeschwächter Form und je nach den Umständen auch nach ihrem Auseinandergehen noch fortdauern können.

  39. 39.

    Vgl. zur Diskussion dieser Perspektive auch Gheaus (2015).

  40. 40.

    Das Zitat von Theodor W. Adorno entstammt dem Aufsatz „Erpreßte Versöhnung. Zu Georg Lukács: ‚Wider den mißverstandenen Realismus‘“ von 1958.

  41. 41.

    Es ist daher oft für Außenstehende unmöglich, sich über konkrete Einzelfälle ein Urteil zu bilden. Zurückhaltung dürfte dann der bessere Weg sein.

  42. 42.

    Daran knüpft Karl Lenz an und spricht gegenüber dem Unkündbarkeitsprinzip von einem Korrekturbedarf in der Familienforschung (2003, S. 491). Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die bereits erwähnte Diskussion bei Purdy (2015), ob Kinder im Kindesalter sich von ihren Eltern scheiden lassen können sollten, angelehnt an einen entsprechenden Rechtsfall in den USA.

  43. 43.

    Deswegen ist auch niemand ernsthaft dazu angehalten, von Abbrechern ausgegebene Sprachregelungen zur Distanzierung wie „mein Erzeuger“, „von meinen Eltern getrennt“ oder „ich habe keinen Sohn mehr“ zu übernehmen.

  44. 44.

    Denkbar ist auch eine Aussage wie „Du bist nicht mein Sohn“ als Ausdruck von Enttäuschung, nicht unbedingt als ein Vorwurf, sondern als Mangel an Identifizierung.

  45. 45.

    In Beziehung zu den Kategorien des „Aussteigens“ aus einer Beziehung und der „Freiheit zu gehen“ ist „Verstoßen“ eher eine Form des Ausschließens. Kontaktabbrüche können damit je nach ihren Umständen sowohl den Charakter eines Aussteigens haben, als auch den eines Ausschließens.

  46. 46.

    Zu den Facetten von Ökonomisierung siehe Foth und Wiertz (2016).

  47. 47.

    Vgl. analog Löschke (2015b), der zwischen dem möglichen Ausstieg aus gelebten Beziehungen und dem unmöglichen Ausstieg aus sozial definierten Relationen und Rollen unterscheidet (S. 361, 367).

  48. 48.

    Vgl. Heinrichs in diesem Band.

  49. 49.

    Bei einer aufgekündigten Freundschaft mag es seltsam aber hinnehmbar sein, wenn sich der eine weiterhin als Freund bezeichnet, aber schon bei einer aufgekündigten Liebesbeziehung oder Partnerschaft wäre ein solches Festhalten eine gesellschaftlich abgelehnte Anmaßung. Es erschiene jedoch reichlich abwegig, von Eltern oder Kinder zu erwarten, sich nun ebenfalls als Ex-Eltern oder Ex-Kind deklarieren zu müssen. Dies wäre aber Sinn und Ergebnis eines solchen Trennungsverfahrens.

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Foth, H. (2019). Kontaktabbrüche und Unkündbarkeit bei Eltern-Kind-Beziehungen im Erwachsenenalter. In: Dietz, S., Foth, H., Wiertz, S. (eds) Die Freiheit zu gehen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-26668-4_7

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