Zusammenfassung
Das im globalen Norden lange Zeit auf das Auto zugeschnittene Mobilitätssystem befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, der entlang von drei Entwicklungslinien verläuft: vom Verbrennungsmotor zum Elektro-Antrieb, vom individuellen Besitz eines Fahrzeugs zu dessen kollektiver Nutzung und vom Fahrer bzw. von der Fahrerin zum autonomen Algorithmus. Alle drei Entwicklungen sind Gegenstand von Konflikten, in denen es letztlich um die Frage geht, wer das Mobilitätssystem künftig kontrolliert. Aus einer Polanyiʼschen Perspektive lässt sich die Transformation von Mobilität als Konflikt zwischen kommodifizierenden und dekommodifizierenden Kräften charakterisieren. Dies zeigt sich vor allem an der Organisation von Mobilitätsdienstleistungen: Je stärker die Autohersteller aufgrund der Krise ihres traditionellen Geschäfts darauf angewiesen sind, sich neue Geschäftsfelder zu erschließen, desto mehr dringen sie weiter in den Bereich des bislang öffentlich organisierten kollektiven Personentransports vor, wo sie mit neuen privaten und den existierenden öffentlichen Anbietern konkurrieren. Dieser „Kommodifizierung von Kollektivität“ ließe sich mit einer demokratischen Organisation nicht nur von Mobilitätsdienstleistungen, sondern auch der Produktion der dafür nötigen Transportmittel begegnen.
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