Zusammenfassung
Das Ziel nationalsozialistischer Erziehung war kein sich selbst bestimmendes, eigenwilliges Individuum, sondern ein Wesen, das sich der nationalsozialistischen Ideologie bedingungslos unterwirft. Diesem Ziel folgte auch der Einsatz von Medien im Dritten Reich. Der größte Teil der Medienlandschaft wurde von Hitler dem Reichsministerium für Volkaufklärung und Propaganda unter der Leitung von Joseph Goebbels unterstellt. Dabei hatte das Propagandaministerium den Auftrag alle Aufgaben der geistigen Einwirkung auf die Nation (vgl. Klingler 1983, S. 75) zu übernehmen. Lediglich Unterrichtsfilme wurden zunächst von der Reichsstelle für den Unterrichtsfilm und später von der Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (RWU) produziert. Pädagogische Ansätze, die auf die Förderung des Individuums zu einem kompetenzfördernden Umgang mit Medien abzielten, wie ihn Adolf Reichwein und Bertolt Brecht in den 30er-Jahren vorstellten, waren zwar bekannt, wurden aber von den nationalsozialistischen Machthabern massiv unterdrückt.
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Notes
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In der Folge musste Brecht 1933 aus Deutschland fliehen. Reichwein wurde, nachdem ihm zunächst die Lehrbefugnis an der Universität entzogen wurde, 1944 vom Volksgerichtshof unter Freisler zum Tode verurteilt und hingerichtet (Reichwein 1996, S. 26).
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Unter Propaganda wird die schriftliche, mündliche, elektronische oder auch anderweitige Verbreitung bestimmter Überzeugungen, bis hin zur Meinungsmache und -lenkung bezeichnet. Propaganda umfasst „das Ensemble der Strategien zur politischen Sinnstiftung, Meinungs- und Wahrnehmungslenkung, mithin jenen Teil der gesellschaftlichen Wert- und Symbolproduktion, der seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert immens an Bedeutung gewonnen hat“ (Daniel und Siemann 1994, S. 12). Eine eindeutige Definition des Begriffs existiert jedoch nicht. Im Zuge der bürgerlichen Revolutionen ab dem 18. Jahrhundert „entwickelten sich aus den politischen und sozialen Möglichkeiten und Herausforderungen die Maßnahmen der Meinungslenkung, und es entstand nach und nach das Ensemble von Massenmedien, das ihre gesellschaftliche Breitenwirkung ermöglichte“ (vgl. Daniel und Siemann 1994, S. 10). Die negativen Konnotationen des Begriffs Propaganda waren Goebbels offensichtlich nicht verborgen geblieben und er versuchte sie zunächst loszuwerden. Er zeigte sich im März 1934 zwar zufrieden mit seinem Ministerposten, war aber mit der Bezeichnung seines Ministeriums unzufrieden. Nach seiner Meinung sollte der Titel des Ministeriums auch seine Aufgaben im Bereich der Kultur und Künste reflektieren und er schlug entsprechend den Titel Reichsministerium für Kultur und Volksaufklärung vor. Hitler lehnte dies jedoch ab. Als getreuer Paladin seines Herrn suchte Goebbels daraufhin seine Abneigung gegen den Begriff abzustreifen und begann damit, die Propaganda zu einem schöpferischen Prozess zu stilisieren (Reuth 1990, S. 271; Köppen und Schütz 2007, S. 7). In diesem Zuge wollte Goebbels die Propaganda über den Umweg der Ästhetik auch als Instrument der Erziehung definieren, die „im Gegensatz zur Werbung und in einem positiven Dualismus zur Hetze“ (Köppen und Schütz 2007, S. 8) stehe.
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Rede des Reichsministers Dr. Goebbels anlässlich der Kriegstagung der Reichsfilmkammer am 15. Februar 1941.
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Bis 1943 verzeichnete der antisemitische Film Jud Süß (1940, Harlan) 20,3 Millionen Besucher (Albrecht 1979, S. 24).
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„[…] auch die Wochenschauen waren nur so lange erfolgreich, wie die NS-Führung >>Erfolge<< aufzuweisen hatte“ (Stöber 2010, S. 275).
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Die Jugendfilmproduktion belief sich zwischen 1933 und 1945 gerade mal auf 12–15 Filme (vgl. Reese 1984, S. I).
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Walden, T. (2022). Medienpädagogik in der NS-Zeit. In: Sander, U., von Gross, F., Hugger, KU. (eds) Handbuch Medienpädagogik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23578-9_2
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