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Zirkulierende Bildformeln zwischen Ost und West: Politiken des Populären und Shakespeare: The Animated Tales

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Politiken des Populären

Part of the book series: Neue Perspektiven der Medienästhetik ((NPM))

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Zusammenfassung

Hannah Schoch untersucht in „Zirkulierende Bildformeln zwischen Ost und West“ die medienkulturelle Konstellation der Animationsserie The Animated Shakespeare (1992–1994), die – während des Zusammenbruchs des sowjetischen Regimes – durch eine Zusammenarbeit zwischen der BBC, der walisischen Filmproduktionsfirma S4C und dem Animationsstudio Soyuzmultfilm entstand. Dabei wird zum einen das komplexe Netz von textuellen, medialen, kulturellen, politischen und wissenschaftlichen Politiken, in deren Interaktionsfeld dieses Werk der Populärkultur verstrickt ist, ausgelegt. Zum anderen wird von Schoch herausgearbeitet, wie die (Selbst-)Positionierung der Serie insbesondere über paradoxe Doppelstrategien von Aneignung und Verfremdung, Hegemonie und Subversion, Universalanspruch und spezifisch Lokalem geschieht. Dafür wird vorgeschlagen, mit der Metapher der Auslegeordnung zu arbeiten, auch als grundsätzlichem Versuch, der Frage nachzugehen, in welcher Form es überhaupt möglich ist, dem Anliegen einer Politik des Populären gerecht zu werden. Schochs These ist, dass deren Verstrickungen vom Werk selbst schon immer mitreflektiert werden; dass es als Kunstwerk sich selbst stets darüber befragt, was die Konsequenzen dieser medienkulturellen Konstellationen sind, und dieses Wissen um seine ganze diskursive Komplexität im Kontext der sie produzierenden und rezipierenden Gesellschaften mitträgt. Gleichzeitig ist es als Werk der Kunst, im Gegensatz zu Wissenschaft oder Philosophie, bereit, darauf immer wieder unterschiedliche Antworten zu geben, eben weil es sich in einem stets veränderlichen System bewegt, mit dem es selbst in Wechselwirkung steht.

Thus, in writing of ‚shaping fantasies‘, I mean to suggest the dialectic character of cultural production: the fantasies by which the text of A Midsummer Night’s Dream has been shaped are also those to which it gives shape.

Louis Montrose (1983, S. 61)

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Notes

  1. 1.

    Während die Produzenten darauf beharrten, eine Adaption zu bieten, die sehr nahe an Shakespeares Sprache bleibe, suggeriert das Produkt selbst einen komplexeren Adaptionsbegriff schon durch das gewählte Medium des Animationsfilms. Trotzdem scheinen die Produzenten kurioserweise in eine moralistische Rhetorik der Treue gegenüber dem Original zu verfallen. Laurie E. Osborne stellt hingegen fest, dass „For Shakespeare: The Animated Tales, the paradoxical union between stillness and movement underwrites the ongoing debates about how Shakespeare’s ostensibly inviolate texts are being rewritten and re-established as classics“ (1997, S. 118).

  2. 2.

    Die erste Staffel und somit die ersten sechs Kurzfilme wurden 1992 von der BBC bzw. HBO in den USA gesendet, im Zuge ihres Erfolges folgte die zweite Staffel zwei Jahre später.

  3. 3.

    Ein zentraler Aspekt dieser Animationsserie war deren Nutzung im Schulwesen, wo sie programmatisch als Einführung in Shakespeares Werk genutzt wurde. So wurden zusammen mit den Filmen auch Skripte und study guides für Lehrpersonal verteilt. Hier zeigt sich auch einer der größten Erfolge der Animated Tales: Sie sind „one of the most widely used didactic tools in British primary and secondary schools“ (Pennacchia 2013, S. 60).

  4. 4.

    Edwards spricht von „a remarkable example of collaboration between East and West“ (zit. n. Pennacchia 2013, S. 59). In der Fernsehprogrammzeitschrift Radio Times wurde sogar Shakespeares kulturelles Überleben an diesen Animationen festgemacht: „As a result of pre-sales alone, tens of millions of people are guaranteed to see it and Shakespeare is guaranteed for his best year since the First Folio was published in 1623“ (Anon. 1992, zit. n. https://en.wikipedia.org/wiki/Shakespeare:_The_Animated_Tales [Zugegriffen: 21.01.2018]).

  5. 5.

    Einzuwenden ist hier, dass dies eine starke Simplifizierung der Strategien Disneys ist, dessen Animationsfilme selbst komplexe Produkte der Massenkultur sind und häufig auch implizit auf komplexe Weise reale politische Problemstellungen ansprechen und kulturell verhandeln (Bronfen 2009, S. 141 ff.). Zudem macht dies ein weiteres (europäisches) Paradox sichtbar, das sich durch den ganzen Diskurs zu den Adaptionen zieht, nämlich den zwischen einem künstlerischen Anspruch, welcher vermeintlich nicht massentauglich ist, und einem kommerziellen Ansatz, bei dem ein möglichst breites Publikum im Vordergrund steht.

  6. 6.

    Dies wird von Terence Hawkes als Kritik vorgebracht: „They will be of no use. They are packages of stories based on the Shakespearean plots, which themselves were not original. So they aren’t going to provide much insight into Shakespeare“ (zit. n. Osborne 2003, S. 144). Wobei man diese Aussage auch wenden und feststellen könnte, dass diese Animationen im Gegenteil ein metareflexiver Kommentar sowohl auf Shakespeares eigenes Vorgehen des „repackagings“ wie auch auf die Funktionsweise von Adaptionen im Allgemeinen darstellen (Osborne 2003, S. 144). Oder wie Hutcheon dies radikaler formuliert: „all art is derived from other art“ (2004, S. 109). Dafür spricht auch die gewählte Form der Animation als Urform des endlosen „Neuverpackens“, wie dies für Eisenstein zentral ist: „This ‚plasmaticness‘, or ‚formal ecstasy‘ presents rejection of once-and-forever alloted form, freedom from ossification, the ability to dynamically assume any form“ (zit. n. Bahun 2014, S. 186). Zudem erlaubt Animation auch auf das visuelle Potenzial von Shakespeares Sprache selbst und die inhärente Multimedialität seiner Stücke aufmerksam zu machen (Osborne 2003).

  7. 7.

    Ein Anliegen der Produzenten war „to educate their audience into an appreciation and love of Shakespeare, out of a conviction of Shakespeare as a cultural artifact available to all, not restricted to a narrowly defined form of performance“ (zit. n. Holland 2007, S. 44). Zudem sollte man anmerken, dass Shakespeare seine Stücke sowohl für die aristokratische Oberschicht wie auch für die Massen konzipiert hat und sie daher zu einem gewissen Grad immer auch schon den Anspruch hatten, Teil der populären Kultur (also der Kultur des populus, des Volkes) zu sein.

  8. 8.

    Hindles Kapitelüberschrift lautet z. B.: „The Nineties: Branagh Revives Film Shakespeare“ (2007, S. 49).

  9. 9.

    In Cartmell (2000), Henderson (2006), Hindle (2007) und Jackson (2007) werden die Adaption nicht einmal erwähnt, ungeachtet ihres großen Medienechos bei der Veröffentlichung. Zur Marginalisierung des Animationsfilms aufgrund seines Status als „Kinderunterhaltung“, als „apolitisch“ und „passiv konsumiert“ vgl. Wells (2002), Friedrich (2007) und Reinerth (2016). Coursen (2002) widmet der zweiten Staffel zwar ein Kapitel in seiner Übersicht zu „recent Shakespeare productions on screen“, kann der Form der Animation aber keinen Mehrwert abgewinnen, außer dass sie sich an Kinder richtet.

  10. 10.

    Hinzu kommt, dass Shakespeare: The Animated Tales als Fernsehfilme konzipiert und verbreitet wurden. Wie Stephen Purcell anmerkt: „Indeed, televised Shakespeare productions have rarely been as high-profile or as widely-discussed as their cinematic counterparts, and certainly academic discussions of screen Shakespeare has been emphatically weighted towards the latter“ (2011, S. 522). Dies ist umso erstaunlicher, als das Verhältnis von Fernsehproduktionen und Kinoproduktionen etwa 8:5 beträgt (2011, S. 522). Unter Umständen führen aber genau diese intersektionalen Verstrickungen zu ihrer wissenschaftlichen Marginalisierung. Seit dem Erscheinen der Filme Anfang der 1990er Jahre wurden gerade einmal vier wissenschaftliche Aufsätze darüber verfasst. Alle vier halten jedoch fest, wie komplex und interessant diese Werke sind – sowohl als Shakespeare-Adaptionen als auch in ihrer geopolitischen Verstrickung und nicht zuletzt aufgrund ihrer Form als Animationsfilme.

  11. 11.

    Die Vernachlässigung dieser Adaptionen aufgrund der Zielgruppenzuschreibung ist doppelt paradox, da gerade mit dem Erziehungsanspruch dieser Filme und ihrem großflächigen Gebrauch an Schulen ihre zentrale kulturelle Rolle nach einer genaueren akademischen Untersuchung verlangen würde (Pennacchia 2013). Hier wird deutlich, dass z. T. noch immer ein gewisser akademischer bias hin zu „subversiver“ E-Kunst besteht, die vermeintlich „apolitische“ oder „reaktionäre“ Werke als nicht untersuchungswürdig empfindet. Nicht überraschend besteht die Strategie der vier bisher zu diesen Animationen publizierten Aufsätzen jeweils in einer Aufwertung der Adaptionen durch das Herausarbeiten ihres subversiven Potentials, so z. B. Pennacchia (2013, S. 59).

  12. 12.

    Dies scheint mir ein ähnliches Anliegen, wie es auch vom New Historicism angelsächsischer Prägung seit den 1980er Jahren vertreten wird, Literatur nämlich als historisches, gesellschaftliches und ästhetisches Produkt zu verstehen, das mit diesen Regimes immer auch interagiert. Es geht also darum, die Wechselwirkungen in einem dynamischen System zu beschreiben, wie dies von Louis Montrose im eingangs verwendeten Zitat auf den Punkt gebracht wird. Auch Hall (2009) macht sich für ein solches Verständnis der Politiken des „Populären“ stark.

  13. 13.

    Im Schweizerdeutschen wird von Auslegeordnung gesprochen, wenn man alle Fakten vor sich ausbreitend auf den Tisch legt, um diese von allen Seiten zu beleuchten und sich eine Übersicht zu verschaffen.

  14. 14.

    Rancière (2014) scheint mir ein ähnliches Anliegen zu vertreten, wenn er auf die Politiken der Literatur aufmerksam macht und dies in einen Gegensatz zur Politik stellt, die von einem Autor vertreten wird.

  15. 15.

    Die Serie wird sowohl unter dem Titel Shakespeare: The Animated Tales und The Animated Shakespeare geführt. Im Folgenden werden die beiden Titel jeweils synonym verwendet.

  16. 16.

    Osborne (1997, 2003) versucht in ihren Aufsätzen in knappen individuellen Lektüren der Filme eine möglichst große Breite abzudecken, um das beeindruckende künstlerische Spektrum dieser Werke zu verdeutlichen. Im Gegensatz dazu beschränkt sich auch Pennacchia (2013) in ihrem Aufsatz auf The Animated Julius Caesar als Fallstudie, da nur so die Komplexitäten dieser Adaptionen präzise herausgearbeitet werden können. Ihr Begriff der Fallstudie ist jedoch zu problematisieren, da er suggeriert, dass die herausgearbeiteten textuellen Anliegen sich auf die anderen übertragen lassen.

  17. 17.

    Die Episoden unterscheiden sich sowohl jeweils in den Animationsstilen (Cel, Puppen, Öl auf Glas) und Genres und wurden von unterschiedlichen Regisseuren und Animationskünstlern realisiert. Dadurch sind die einzelnen Adaptionen formal zu unterschiedlich und verfolgen divergente medienkulturelle Anliegen. Obwohl als Serie ausgestrahlt und unter dem Titel Shakespeare: The Animated Tales zusammengefasst auf DVD vertrieben, kann eine Fallstudie nicht als repräsentativ für das Gesamtwerk dienen.

  18. 18.

    Vgl. dazu auch Badious Insistieren auf einer „Inästhetik“ als eine Bestimmung der Kunst als singuläre Denkart gegenüber der Philosophie (2012).

  19. 19.

    Auch Shurbanov und Sokolova (2001) argumentieren in ihrer Fallstudie zu osteuropäischen Shakespeare-Appropriationen allgemeiner, dass es ein Zeichen von Shakespeares außergewöhnlichem Status sei, wie sich jedes politische Regime, egal welcher Ausrichtung, über eine Vereinnahmung und Besitznahme von Shakespeare zu legitimieren versucht. In Sheen wird diese Lesart erweitert, um genau auch das Gemeinsame dieser Shakespeare-Tradition in den Blick zu nehmen: „Precisely because Shakespearian culture so effectively traces the presence of what Vowinkel, Payk, and Lindenberger call ‚older traditions‘, these engagements not only present us with seeing communism and capitalism as ‚varying realities‘, they also make us aware of the extent to which this presiding Cold War binary must be seen as a dispersion through the historical prism of a shared intellectual tradition, not as simple opposition“ (2016, S. 5).

  20. 20.

    Diese Positionierung ist selbst noch einmal deutlich ambivalenter, als die vom Produzenten Grace vorgeschlagene Allianz mit der Sowjetunion/Russland. In Abgrenzung zur USA, so Shaughnessys Argument, insistieren die britischen Filmadaptionen auf eine Theatralität und „Bühnenhaftigkeit“. Gleichzeitig datiert die akademische Geschichtsschreibung der Shakespeare-Adaptionen den Beginn des modernen Shakespearefilm mit Kenneth Branagh, der jedoch dezidiert eine Hollywood-Ästhetik einsetzt, um die Massen zu erreichen und zu begeistern: „the theatricality of these films […] once seen in the light of history, is more complex and nuanced than is often credited; ‚theatricality‘, in these instances, designates a variety of forms of national self-consciousness […]. There is, it seems to me, considerably more at stake in the prospect of a ‚post-historical‘ epoch of ‚post-theatrical‘ Shakespearean film than much current film scholarship’s endorsement would appear to allow. If one aspect of this moment has been the increasing tendency (within pedagogy and scholarship) to identify the start date of modern Shakespearean film as, at the earliest, 1989 (the year of Branagh’s Henry V), the limit thus marked effectively confines critical discussion to the cinematic products of mainstream postmodernism that, for the most part, encourages a predominantly American film idiom to function as a global currency“ (Shaughnessy 2006, S. 74 f.).

  21. 21.

    Zusätzlich dazu müsste dies einmal für die geopolitisch nicht uninteressante Konstellation BBC und S4C bzw. London/England und Wales aufgearbeitet werden.

  22. 22.

    Hier lässt sich natürlich noch einmal eine Potenzierung der akademischen Marginalisierung feststellen, da sich die Marginalisierung von osteuropäischer/sowjetischer Kunst und Kultur intersektional mit der von Animationsfilmen überschneidet: „Animated films made in the region [Central and Eastern Europe] in this period […] belong among the highest and most innovative accomplishments in the history of animation, and yet they have received relatively little scholarly attention in animation studies“ (Bahun 2014, S. 187).

  23. 23.

    Womit sich hier noch eine weitere interessante (implizite) Parallele zu Hollywood auftut; selbst auch eine Industrie, die überdurchschnittlich viele Immigranten beherbergte, während es zu einem der Vehikel für die Produktion nationaler Mythen und sinnstiftenden Ideologien wurde.

  24. 24.

    Osborne arbeitet in ihrem Aufsatz heraus, wie die Animationen das Vorgehen von (filmischen) Adaptionen sichtbar machen: „I am most interested in the juncture between the strategies of filming and the editing of the plays which animation so tellingly reveals. The mechanics of the animation process underscore the connections between textual editing and the construction/editing of Shakespearean films. Equally importantly, the medium’s effects on its various audiences bring to the forefront film techniques which operate less visibly in the ‚realistic cinema‘ of other Shakespearean films. As these cartoons introduce children to Shakespeare’s plays, they also establish the conventions and strategies of film as the condition of the play’s current value and interest“ (1997, S. 106).

  25. 25.

    Alfred Thomas beschreibt diese paradoxe Konstellation wie folgt: „The Soviet state had itself long since appropriated Shakespeare as a socialist champion of the working class. Dissenting artists like Kozintsev were simply reclaiming Shakespeare (and Hamlet) as a hero in their own image. In this way, Russian Shakespeare became an object of contestation, a site of ideological struggle between the renegade artist and the Communist state. But Kozintsev’s film […] is also a brilliant synthesis of defiance and compliance. […] Like Kott, Kozintsev appropriates Hamlet for political purposes but in doing so he recalls Shakespeare’s equivocal strategy in mediating carefully between defiance and conformity. Fusing political allegory and poetic-lyrical atmosphere […] the film garnered official praise from the Soviet authorities as well as acclaim from foreign critics“ (2014, S. 20 f.). Ähnliche Spannung lässt sich auch für amerikanische Künstler konstatieren, wie z. B. Orson Welles’ Shakespeare-Adaptionen und -Appropriationen oder die Mankiewicz-Adaption von Julius Caesar (1953).

  26. 26.

    Diese paradoxe Position bzw. doppelte Bewegung entspricht aber auch dem, was Stuart Hall grundsätzlich für die Populärkultur konstatiert: „In the study of popular culture, we should always start here: with the double stake in popular culture, the double movement of containment and resistance, which is always inevitably inside it“ (2009, S. 375).

  27. 27.

    Diese Strategie mag auch erklären, warum Animationen grundsätzlich als apolitisch klassifiziert werden. Interessant ist auch, dass die sowjetische Zensur Animationsfilme weniger rigoros überwachten. Eine Begründung, die immer wieder angeführt wird, ist die Vermutung, dass sie als Kinderfilme nicht politisch und daher weniger ernst genommen werden müssen. Ein anderer Erklärungsversuch ist, dass es dem Staatsapparat nicht möglich war, die Botschaften der Animationsfilme zu kategorisieren (Bahun 2014, S. 190).

  28. 28.

    Dieses Argument wird auf mehreren Ebenen gemacht. So gelten Animationen als leicht zugänglich im Sinne von leicht verständlich und darum apolitisch und für Kinder geeignet. Auch die Distribution ermöglicht einen leichten Zugang zu diesen Produkten, insbesondere durch das Fernsehen; für die Animated Tales wurde proklamiert, dass alleine schon aufgrund der Presales davon ausgegangen werden kann, dass Millionen von Zuschauer*innen diese Adaptionen sehen werden (Anon. 1992, siehe auch Fußnote 4).

  29. 29.

    Die kulturpolitische Problematik der angemessenen Achtung vor dem Original wird von Linda Hutcheon wie folgt beschrieben: „So often film’s relation to literature has been characterized as a tampering, a deformation, a desecration, an infidelity, a betrayal, a perversion. The deeply moralistic rhetoric belies the fact that what is at stake here is really a question of cultural capital. For some people, as cultural theorist Robert Stam has argued, literature will always have ‚axiomatic superiority‘ over any cinematic adaptation of it because of its seniority as an art form. This hierarchy also has something to do with what he calls ‚iconophobia‘ (the suspicion of the visual) and the concomitant ‚logophilia‘ (the love of the word)“ (2004, S. 109). Während also der Diskurs um die Animationen doch von einer überraschenden „logophilia“ geprägt war, hält das Werk selbst dem eine radikale „iconophilia“ entgegen.

  30. 30.

    Wie dies häufig bei Shakespeare-Adaptionen geschieht, die stets auch mit den großen Namen von Regisseuren wie Welles, Olivier, Kozintsev, Branagh verknüpft werden.

  31. 31.

    Wie z.B. der Gebrauch der Stop-motion-Puppenanimation in The Winter’s Tale, The Tempest und The Taming of the Shrew, der als stilistischer Kommentar auf die Thematik der drei Stücke gelesen werden kann und ihrer Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen der (königlichen/männlichen) Kontrolle anderer Menschen, insbesondere Frauen, pointiert Ausdruck verleiht.

  32. 32.

    Die Visualität von Shakespeares Sprache erhält in der Forschung aktuell große Aufmerksamkeit, so z.B. in Keir Elams Shakespeare’s Pictures. Visual Culture in the Drama (2017).

  33. 33.

    Akademisch wurde dieses Anliegen z. B. von Alan Young (2002) verfolgt, der die Tradition der visuellen Hamlet-Rezeption aufgearbeitet hat. Während es einige Studien zu Shakespeare-Appropriationen in der klassischen Kunst, insbesondere der Ölmalerei gibt, ist Young einer der wenigen, der untersucht hat, wie virulent die Zirkulation von Shakespeare als visuelle Währung funktioniert hat über Illustrationen in Büchern, über Radierung etc., die einer breiten Öffentlichkeit zugänglich waren.

  34. 34.

    Vgl. Bronfens Beschreibung von Greenblatts (1988) sozialer Energie (energia): „Diese energia kann, laut Greenblatt, nur indirekt als Wirkung festgestellt werden: an der Fähigkeit bestimmter kultureller Spuren, ein kollektives kulturelles Gedächtnis herzustellen, zu gestalten und zu organisieren. Aufgrund des kulturellen Austausches und der Zirkulation, die sich in Form von Umschriften – ob intertextueller oder intermedialer Art – abspielt, wird die soziale Energie eines ästhetischen Werkes über die Jahrhunderte hinweg am Leben erhalten“ (2004, S. 10).

  35. 35.

    Dies lässt sich auch als intertextueller Verweis auf den sowjetischen Film Letjat shurawli (Wenn die Kraniche ziehen; 1957; R: Mikhail Kalatozov) lesen, der die Phase des sowjetischen Kinos der Tauwetter-Periode nach Stalins Tod repräsentiert. In dieser Assoziationslinie wird Anfang der 1990er Jahre also ein früherer Moment des politischen Wandels anzitiert. Gleichzeitig scheint The Animated Hamlet auch vorzuschlagen, dass man die Heldin Weronika aus Letjat shurawli als eine Refiguration Ophelias lesen kann, die aber überlebt. Denn der Film endet damit, dass Weronika Blumen an die aus dem Krieg heimgekehrten Soldaten verteilt.

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Schoch, H. (2019). Zirkulierende Bildformeln zwischen Ost und West: Politiken des Populären und Shakespeare: The Animated Tales. In: Ritzer, I., Steinwender, H. (eds) Politiken des Populären. Neue Perspektiven der Medienästhetik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22923-8_4

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