Einleitung: Prävention als Steuerungsmechanismus in der späten Moderne

Zusammenfassung

Prävention ist ein uraltes Konzept und eine ebenso alte Handlungsweise. In einem ganz allgemeinen Sinn bedeutet sie das Bestreben, den Eintritt nicht wünschenswerter Ereignisse möglichst ganz auszuschließen oder doch ihre Eintrittswahrscheinlichkeit zu verringern. Prävention ist daher immer als eine Kontrollstrategie zu verstehen; sie bildet den Versuch, die Zukunft durch Handlungen der Gegenwart zu kontrollieren und derart „die Kontingenz der Zukunft zu bändigen“.

Die Texte

Niklas Luhmann untersucht in einem theoretischen Überblick die soziologischen Dimensionen des Risiko-Begriffs und definiert den grundlegenden, aber oft ignorierten Unterschied zwischen ‚Risiken‘ und ‚Gefahren‘: bei einer Selbstzurechnung von Verantwortlichkeiten und Handlungssequenzen handelt es sich um Risiken, im Falle einer Fremdzurechnung um Gefahren. Legt man dies zugrunde, so ergibt sich eine Vielzahl von potenziellen Überschneidungen und wechselnden Möglichkeiten der Zurechnung, je nach Standpunkt des Beobachters, und es ergeben sich auch überraschende Einsichten in das Funktionieren aller gesellschaftlichen Risiko-Diskurse.

Ulrich Bröckling verdeutlicht das gesellschaftliche Funktionieren des Mechanismus von Prävention, dessen Logik die der „antizipierenden Säuberung“ sei. Einerseits geht es dabei um freiwillige Selbstkontrolle und einen „moralischen Imperativ“, andererseits bleiben präventive Versäumnisse nicht ungeahndet – ein Steuerungsmechanismus aus Lockung und Drohung, dessen Versprechungen immer nur vorläufig sein können und letztendlich auch erfolglos bleiben müssen.

Fritz Sack analysiert Formen, strategische Muster und gesellschaftliche Konsequenzen einer präventiven Grundorientierung des kriminalpolitischen und polizeilichen Handelns. Präzise beschreibt er die sich daraus ergebenden Kontrollstrategien als ein „Dispositif sui generis“, das durch Entdifferenzierung und eine funktionale Verselbständigung gekennzeichnet ist und den klassischen Rechtsstaat auf spezifische Weise transformiert.

Trutz von Trotha teilt diesen analytischen Hintergrund und formuliert detailliert die gesellschaftlichen Konsequenzen einer ‚präventiven Sicherheitsordnung‘ nicht zuletzt im Hinblick auf Privatheit – bürgerrechtlicher Schutz vor dem Staat wird ersetzt durch Schutz vonseiten des Staates und die entsprechenden polizeilichen Zuständigkeiten und rechtlichen Kompetenzen: Sicherheit geht dann vor Rechtsstaat.