Zusammenfassung
Erich Egner lebte 90 Jahre des 20. Jahrhunderts. Er war ein Nationalökonom alter Schule, d. h., er fühlte sich der jüngeren historischen Schule zugehörig. In der Bonner Republik machte er Haushalt und Verbrauch zu zentralen Themen seines Wirkens als Wissenschaftler und Publizist. Methodisch blieb er der Tradition des Historismus und Institutionalismus verbunden: Vertrauen auf die Induktion einer künftigen Theorie durch fleißige Fallstudien aus Vergangenheit und Gegenwart, Pragmatismus und keine Scheu vor Normativität. Wir setzen dies in Bezug zu aktuellen Programmen für Verbraucherwissenschaft und Verbraucherpolitik und diskutieren so die Bedeutung und Aktualität von Egners Studien. Wir berichten seine Vita und geben eine Übersicht seiner Veröffentlichungen. Schwerpunktmäßig wenden wir uns folgenden Themen zu: erkenntniskritische Position, Konzeptionen von Verbraucherpolitik, Kritik an Marktliberalismus und Konsumentengesellschaft. Wir beleuchten ausführlich seinen Rekurs auf die kantische Epistemologie und Ethik, die er auf den Begriff der „haushälterischen Vernunft“ verdichtet hatte. Egner wirkte in Reden und Aufsätzen in die sozialpartnerschaftliche Bonner Republik hinein. Seine Vorstellungen vom partnerschaftlichen („koinonomen“) Konsum werden wir in Erinnerung rufen. Die Verankerung seiner normativen Positionen im Kant‘schen Idealismus bietet eine wohlbegründete Alternative zum ökonomischen Mainstream und zum Projekt des liberalen Paternalismus, die eher dazu neigen, sich auf den Utilitarismus zu stützen.
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Hufnagel, R. (2019). Erich Egner: Die haushälterische Vernunft. In: Piorkowsky, MB., Kollmann, K. (eds) Vergessene und verkannte Vordenker für eine Kritische Konsumtheorie. Kritische Verbraucherforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21970-3_3
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