Zusammenfassung
Logiken und Praktiken pädagogischen Unterscheidens spielen für die Reproduktion von Bildungsungleichheiten eine zentrale Rolle. Das gilt nicht zuletzt für die Diagnose von „Begabungen“ und die Bewertung von „Leistungsfähigkeit“. Ausgehend vom sozialtheoretischen Annahmen der Soziologie der Konventionen und gestützt auf eine qualitative Interviewstudie mit Lehrkräften aus dem Elementarbereich argumentiert dieser Beitrag dafür, pädagogische Unterscheidungen als Koordinationsleistungen in den Blick zu nehmen: Mit von Ungewissenheiten und Komplexität geprägten Situationen und widersprüchlichen Anforderungen konfrontiert, bringen Lehrkräfte in ihrer Unterscheidungspraxis verschiedene Klassifikations- und Evaluationsweisen in Bezug zueinander. Die Kategorie der Begabung wird in diesem Kontext weniger im Sinne einer Diagnose oder eindeutigen Kategorisierung eingesetzt, denn als Markierung eines bestimmten Typus genutzt. Ungleichheitseffekte ergeben sich dabei unter anderem aus den Formen, in denen Lehrkräfte auf „außerpädagogische“ Wissensbestände zurückgreifen.
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