Zusammenfassung
Der infantile Abwehrmechanismus gegen Angst, Schuld und Scham lässt die Angehörigen des Dritten Reichs über ihre Verantwortung für die Grausamkeiten des Holocaust schweigen. Vor der Rede des Bundeskanzlers Franz Vranitzky, in der er 1991 über „die moralische Mitverantwortung für die Taten unserer Mitbürger“ sprach, existierte ein erzwungenes „schwarzes Loch“ im kollektiven Gedächtnis in Österreich. Aus dem Bedürfnis, die verborgene Geschichte und das Brechen des Schweigens als notwendigen Schritt zur Überwindung des kollektiven Traumas darzustellen, schrieb die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek 1995 ihr Opus magnum, den auf 666 Seiten angelegten Roman Die Kinder der Toten. Die „Leerstelle“ im kollektiven Gedächtnis versucht Jelinek – mittels einer Allegorie des Todes – mit fiktiven und realitätsgetreuen Erinnerungen zu füllen. Mit diesem Beitrag werden Jelineks Thesen vom Verdrängen der Kollektivschuld Österreichs und der fehlenden Erinnerungskultur an den Holocaust nachgegangen, indem ihre Erzählstrategien zur Darstellung dieses Traumas fünfzig Jahre nach dem Kriegsende aufgezeigt werden.
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Literaturverzeichnis
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Ursachi, I. (2018). Elfriede Jelineks Die Kinder der Toten. Exorzismus der Vergangenheit und Zukunft. In: Maldonado-Alemán, M., Gansel, C. (eds) Literarische Inszenierungen von Geschichte. J.B. Metzler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21671-9_9
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