Zusammenfassung
Wichtige Stationen und Typen handlungstheoretischen Denkens (vor allem in der Psychologie) werden dargestellt. Das Hauptaugenmerk des Beitrags liegt auf einer sozial- und kulturtheoretischen Bestimmung des Handlungsbegriffs sowie einer Differenzierung von Handlungstypen und Formen der hermeneutischen Handlungserklärung. Solche verstehenden Erklärungen können sich im Rahmen des intentionalistischen Modells, des Modells regelhaften Handelns und schließlich des narrativen Modells bewegen (das der Zeitlichkeit und Kreativität menschlichen Handelns in einzigartiger Weise Rechnung trägt). Diese dreigliedrige Typologie sprengt die in der Psychologie gängige Reduktion handlungstheoretischen Denkens auf das Konzept des ziel- oder zweckgerichteten Handelns. Sie betont die prinzipielle Polyvalenz unseres Handelns und trägt der für die Entwicklung qualitativer (verstehender, interpretativer, rekonstruktiver) Forschungsmethoden so wichtigen Einsicht Rechnung, dass hermeneutische Handlungserklärungen verschiedene Wege einschlagen und Verfahren anwenden können.
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Dies wird nicht zuletzt in Meads berühmt gewordener Theorie des Selbst (Mead 1968 [1934]) deutlich (ohne die seine Handlungs-, Kommunikations- bzw. Interaktionstheorie nur unzureichend zu begreifen ist). Mead bestimmte das Self als eine temporale und dynamische, fragile und dennoch integrative Struktur, die in sich differenziert ist. Wir haben es hier mit dem Musterbeispiel einer Theorie zu tun, die die partiell autonome Person und deren agency als permanente (psychische) Synthesis des Heterogenen konzeptualisiert (Joas 1980; Ricœur 1996 [1990]; Straub 1989, S. 34–43, 2004, 2016, S. 139–166, 2019).
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Darin kann man im Rückblick eine verbreitete Tendenz in den zunächst individuozentrischen Kognitionswissenschaften sehen (Varela 1990; dazu Straub 1992c). – Es ist unschwer zu erkennen, dass sich in der heute dominierenden neurowissenschaftlichen Ausrichtung der Psychologie etwas wiederholt, was die Kognitionswissenschaften als eigenen Irrtum eingesehen haben. Zwar ist in den neurosciences längst anerkannt, dass Kultur, Gesellschaft und andere Dimensionen des Sozialen schon deswegen nicht vernachlässigt werden dürfen, weil sie die Entwicklung des (für alles Erleben und Verhalten des Menschen „maßgeblichen“) Gehirns mitbestimmen. Sie verkennen jedoch, dass wissenschaftliche Erklärungen der Handlungs- und Lebenspraxis des sprachbegabten Tiers unweigerlich eines theoretischen Vokabulars bedürfen, mit dem sich pragmatische und semantische Sachverhalte und deren dynamische Relationen angemessen artikulieren und analysieren lassen. Das lässt sich auch im Rahmen einer strikt neurowissenschaftlichen Terminologie natürlich nicht bewerkstelligen (Werbik und Benetka 2016).
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Zum besonderen Status von (an andere adressierten) sprachlichen Handlungen bzw. Sprechakten siehe Straub (1999, S. 34–36).
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Straub, J. (2020). Handlungstheorie. In: Mey, G., Mruck, K. (eds) Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-18234-2_3
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