Zusammenfassung
Der Zusammenhang zwischen Individuum und Gesellschaft ist eine Frage, die die Biographieforschung seit fast 100 Jahren bewegt. Seit einiger Zeit wird diesbezüglich – beeinflusst durch die Rezeption poststrukturalistischer Ansätze – vermehrt von dem Einfluss von Diskursen auf Biographien gesprochen und es wird – auch in der Biographieforschung – der Zusammenhang zwischen Diskurs und Subjekt diskutiert. Foucault wird hierbei häufig zitiert, doch es wird auch immer wieder auf die Lücken in Foucaults Werk verwiesen. In diesem Zusammenhang erweist sich Stuart Halls Konzept der Artikulation als weiterführend. Denn dieses liefert einen theoretischen Rahmen, um das Einnehmen von Subjektpositionen im Diskurs theoretisch fassen zu können, gleichzeitig jedoch auch die Handlungsspielräume der Einzelnen zu berücksichtigen, die gerade in biographischen Texten immer wieder auftauchen. Der Beitrag diskutiert den Zusammenhang zwischen Diskurs, Subjekt und Biographie auf methodologischer und methodischer Ebene. Dabei wird aufgezeigt, wie sich Biographie- und Diskursforschung miteinander verknüpfen lassen, und wie sich Positionierungen im Diskurs mithilfe der Positionierungsanalyse aus dem biographischen Material rekonstruieren lassen.
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Spies, T. (2018). Biographie, Diskurs und Artikulation. In: Lutz, H., Schiebel, M., Tuider, E. (eds) Handbuch Biographieforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-18171-0_45
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