Zusammenfassung
Zentral im Schweizerischen Bildungssystem ist der Glaube an die Wirksamkeit homogener Leistungsgruppen. Mit der Konstruktion leistungshomogener Gruppen (Selektion in Schultypen auf Sekundarstufe I oder durch pädagogische Massnahmen wie Klassenwiederholungen, Sonderbeschulung etc.) soll eine bessere Passung und dadurch eine erhöhte Motivation sowie bessere Leistungsentwicklung erreicht werden. Allerdings zeigt sich, dass diese pädagogische Hoffnung auf verschiedenen Ebenen (Leistung, Motivation, soziale Integration in die Klasse) enttäuscht wird. Die äussere Struktur scheinbar homogenisierter Lerngruppen scheint nicht automatisch dazu zu führen, dass die Jugendlichen eine erhöhte Passung wahrnehmen oder eine bessere Leistungsentwicklung erfahren. Die Tatsache, dass viele der Selektionsentscheide von der sozialen Herkunft der Betroffenen geprägt sind, wird anscheinend von vielen Akteuren und Akteurinnen im Bildungssystem ausgeblendet. Bildungspolitisch wird versucht, soziale Selektivität mittels Durchlässigkeit des Bildungssystems abzufedern. Es stellt sich aber die Frage, wie zielführend und effizient solche Massnahmen sind. Des Weiteren stellt sich die Frage, wie ein besserer Transfer wissenschaftlicher Ergebnisse in die Bildungspolitik und -praxis erfolgen kann.
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Hupka-Brunner, S. (2017). Hoffen auf Passung?. In: Neuenschwander , M., Nägele, C. (eds) Bildungsverläufe von der Einschulung bis in den ersten Arbeitsmarkt . Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16981-7_11
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