Zusammenfassung
Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Land Bremen ist einem Staatsgerichtshof anvertraut. Im Gegensatz zu Bürgerschaft und Senat ist der aus sieben ordentlichen Mitgliedern bestehende Staatsgerichtshof keine altehrwürdige Institution. Ein unabhängiges Landesverfassungsgericht, das als oberstes Organ der Rechtspflege gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive steht, konnte sich in Bremen erst nach dem Zweiten Weltkrieg etablieren. Seither hat der Staatsgerichtshof einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum öffentlichen Leben im kleinsten Bundesland geleistet. Insbesondere die Parlamentsautonomie ist durch seine Rechtsprechung gestärkt worden. Der Weg zum Staatsgerichtshof steht nur wenigen Antragsberechtigten zu. Er ist dem Senat, der Bürgerschaft bzw. ihren Untergliederungen und öffentlich-rechtlichen Körperschaften des Landes vorbehalten. Privatleute finden vor dem Staatsgerichtshof kein Gehör. Eine entsprechende Klage- oder Antragsbefugnis sieht die Landesverfassung nicht vor. Die Zuständigkeiten des Staatsgerichtshofs sind in einer Generalklausel abschließend geregelt: Sie ermächtigt den Staatsgerichtshof über die Auslegung der Verfassung und Fragen von staatsrechtlicher Tragweite zu entscheiden. Diese Form der Kompetenzzuweisung findet in den Verfassungen der anderen Länder und im Grundgesetz so keine Entsprechung. Auch die Bestellung des Richterkollegiums stellt eine bremische Besonderheit dar: Sie ist bewusst als ein politischer Auswahl- und Entscheidungsprozess konzipiert, der keine Konsensbildung über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg zwingend erfordert, sondern sich an den Mehrheitsverhältnissen der Bürgerschaft orientiert.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Similar content being viewed by others
Literaturverzeichnis
Benjis, S. (2008). Die rechtsprechende Gewalt. In A. Fisahn (Hrsg.), Bremer Recht. Einführung in das Staats- und Verwaltungsrecht der Freien Hansestadt Bremen (S. 94-101). Bremen/Boston: Kellner.
Brandt, P. (2010). Der historische Ort der deutschen Revolution 1918/1919. In P. Kuckuk (Hrsg), Die Revolution 1918/1919 in Bremen. Aufsätze und Dokumente (S. 13-36). Bremen: Edition Temmen.
Holl, K., Müller, H., & Reischauer, P. (1991). Grundlinien der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung im Lande Bremen seit 1945. In V. Kröning, G. Pottschmidt, U.K. Preuß & A. Rinken (Hrsg.), Handbuch der Bremischen Verfassung (S. 66-118). Baden-Baden: Nomos.
Ketelhut, J., Lhotta, R., & Harms, M.-G. (2012). Die Bremische Bürgerschaft als „Mitregent“: Hybrider Parlamentarismus im Zwei-Städte-Staat. In S. Mielke & W. Reutter (Hrsg.), Landesparlamentarismus. Geschichte – Struktur – Funktionen (S. 219-252). 2. Aufl. Wiesbaden: VS.
Koch, C. (1981). Die Landesverfassungsgerichtsbarkeit der Freien Hansestadt Bremen. Geschichte, Organisation, Zuständigkeit, Verfahren. Berlin: Duncker & Humblot.
Kringe, W. (1993). Verfassungsgenese. Die Entstehung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21. Oktober 1947. Frankfurt/M u. a.: Peter Lang.
Kuckuk, P. (2010). Revolution, Rätebewegung und Räterepublik in Bremen. In P. Kuckuk (Hrsg). Die Revolution 1918/1919 in Bremen. Aufsätze und Dokumente (S. 61-86). Bremen: Edition Temmen.
Löhr, F.A. (2008). „Stadtluft macht frei!“ Entwicklung und Erhalt der bremischen Stadtstaatlichkeit. In A. Fisahn (Hrsg.), Bremer Recht. Einführung in das Staats- und Verwaltungsrecht der Freien Hansestadt Bremen (S. 7-17). Bremen/Boston: Kellner
Marßolek, I. (1991). Die Entstehung der bremischen Landesverfassung vom 21. Oktober 1947. In V. Kröning, G. Pottschmidt, U.K. Preuß & A. Rinken (Hrsg.), Handbuch der Bremischen Verfassung (S. 43-65). Baden-Baden: Nomos.
Neumann, H. (1996). Die Verfassung der Freien Hansestadt Bremen. Kommentar. Stuttgart u. a.: Boorberg.
Polgar, K. (2007). Das Oberappellationsgericht der vier freien Städte Deutschlands (1820-1879) und seine Richterpersönlichkeiten. Frankfurt/M u. a.: Peter Lang.
Rinken, A. (1991). Staatsgerichtshof. In V. Kröning, G. Pottschmidt, U.K. Preuß & A. Rinken (Hrsg.), Handbuch der Bremischen Verfassung (S. 484-546). Baden-Baden: Nomos.
Rinken, A. (1994). Die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt Bremen. Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 42, 325-399.
Rinken, A. (2000). Landesverfassungsgerichtsbarkeit im Bundesstaat. Zum 50jährigen Bestehen des Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt Bremen. NordÖR 3, 89-96.
Röpke, A. (1988). Entstehung, Status und Verwaltung der amerikanischen Enklave Bremen. Bremisches Jahrbuch 66, 423-452.
Schminck-Gustavus, C. (1991). Vryheit do ik ju openbar. Versuch zu einigen Aspekten der bremischen Verfassungsgeschichte. In V. Kröning, G. Pottschmidt, U.K. Preuß & A. Rinken (Hrsg.), Handbuch der Bremischen Verfassung (S. 13-42). Baden-Baden: Nomos.
Voßkuhle, A. (2011). Die Landesverfassungsgerichtsbarkeit im föderalen und europäischen Verfassungsgerichtsverbund. Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 59, 215-243.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2017 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
About this chapter
Cite this chapter
Ketelhut, J. (2017). Verfassungsgerichtsbarkeit im Zwei-Städte-Staat. In: Reutter, W. (eds) Landesverfassungsgerichte. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16094-4_6
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-16094-4_6
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-16093-7
Online ISBN: 978-3-658-16094-4
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)